Beginnen wir mit dem großen Minuspunkt von Joachim Körbers „Das bekannte Fremde“: dem Inhaltsverzeichnis. Es sind nur die Titel abgedruckt. Dabei wären einige weitere Informationen schon gut.
Also muss ich es hier machen:
Teil 1: Leute
Das bekannte Fremde (über Ursula K. Le Guin)
Was ist Wahrheit? (über Philip K. Dick)
Die Frau im Mond (über Thea von Harbou)
Der Prophet des Untergangs (über J. G. Ballard)
Teil 2: Bücher
Guter Autor – böser Autor (über „Desperation“ von Stephen King und „The Regulators“ von Richard Bachman)
Wider den billigen Nervenkitzel (über „Der Gedankenleser“ von Gunter Gross)
Die Welt stinkt (über „Gegen die Welt, gegen das Leben“ von Mchel Houllebecq)
Tanz im anderen Wind (über „Rückkehr nach Erdsee“ von Ursula K. Le Guin)
„Mit dem Vorschlaghammer dem Leser eins in die Fresse“ (über „Ein amerikanischer Thriller“ und „Ein amerikanischer Albtraum“ von James Ellroy)
It’s hard to be a king (über „Bote der Nacht“ von Dean Koontz)
Brave New World Revisted (über „Die Enteigneten“ von Ursula K. Le Guin)
Teil 3: Themen
Raumpatrouille Orion (Ähem, das ist selbsterklärend.)
Ein Krieg wird kommen (über die Verquickung von militärischen Entwicklungen und Science-Fiction, unter besonderer Berücksichtigung der Verbindungen zum völkischen Denken)
Manche mögen’s kalt (über die Welteislehre oder Glazial-Kosmogonie und ihre Beliebtheit bei den Nazis)
Das Ende der Zukunft? (ein Essay über die Wichtigkeit von Visionen)
Herr Roland kam zum finstern Turm… (über Stephen Kings Saga vom Dunklen Turm)
Proletarier im Fantasy-Land (Abschließendes zu Fafhrd und dem Grauen Mausling – und dem Werk von Fritz Leiber und seiner Bedeutung)
Von Mäusen und Menschen oder Spiegelungen in einem dunklen Glas (über Susan Palwicks „Das Schicksal der Mäuse“ und Daniel Keyes‘ „Blumen für Algernon“)
Der James Bond des neuen Jahrtausends (vor allem über „Casino Royale“)
J. G. Ballard und die Erinnerungen an das Raumfahrtzeitalter (über J. G. Ballard und seine ganz wenigen Schriften zur Mondlandung)
Die meisten Texte sind in den vergangenen Jahren an verschiedenen Orten, wie Jungle World, Mephisto und Alien Contact, erschienen und für Hardcore-Krimifans nicht sonderlich interessant. Aber wer einen etwas weiteren Blick hat, wird viele Perlen finden. Dazu gehören die Rückblicke in die Geschichte der phantastischen Literatur in den Aufsätzen „Ein Krieg wird kommen“ und „Manche mögen’s kalt“. Sie beschäftigen sich vor allem mit dem deutschen Weg in der Verbindung zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen (die sich teilweise als Unfug herausstellten), populären Zukunftsromanen, völkisch-faschistischem Denken und ihren Nachwirkungen nach 1945.
In „Das Ende der Zukunft“ spricht Körber sich für eine überfällige Wiederkehr von Visionen aus:
„Wir, als Volk, als Bürger, haben ein Recht auf Utopien und Visionen, und es ist Aufgabe von Politik, Wissenschaft und Kunst, sie uns zu geben. Welche Folgen Politik ohne Visionen haben kann, das führt uns der aktuelle Zustand des Staates und seiner Regierung jeden Tag vor Augen.“
Mit den Texten über Ursula K. Le Guin konnte ich weniger anfangen. Aber das liegt – weil ich kein Fantasy-Fan bin – vor allem daran, dass ich von Le Guin, außer ihrem Schreibratgeber „Kleiner Autoren-Workshop“, nichts gelesen habe. Die Texte über Ballard, Dick, Ellroy, King, Koontz und von Harbou bieten lesenswerte Einblicke in das Leben und Werk der Autoren.
Ein wiederkehrendes Thema der von Körber für diesen Sammelband zusammengestellten Texte ist das Verhältnis von vertrauter und fremder Welt. Diese kann auf anderen Planeten, in der Zukunft, in der Gegenwart oder in unserer Psyche liegen.
Joachim Körber ist Verleger (unter anderem die Edition Phantasia und kuk), Übersetzer (unter anderem Stephen King, Max Brooks, Neal Stephenson und Dan Simmons), Autor (unter anderem „Wolf“) und einer der deutschsprachigen Experten im Bereich der phantastischen Literatur. Dass er nebenbei in der Edition Phantasia auch eine kleine, feine Krimireihe pflegt, macht ihn nur noch sympathischer.
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Joachim Körber: Das bekannte Fremde – Schriften zur Phantastik (nebst einigen anderen)
kuk, 2010
240 Seiten
20 Euro
