Seit einigen Wochen läuft die hochgelobte TV-Serie „Mad Men“ über eine Werbeagentur in den Sechzigern mittwochs um 22.30 Uhr auf ZDFneo. Der Spartensender mit dem guten Programm hat sich, nachdem kein Privatsender zuschlagen wollte, die Serie geschnappt.
Und egal was man von der Serie hält, eines muss man konstatieren: die Macher haben sich viel Mühe gegeben, die damalige Zeit wiederauferstehen zu lassen. Das ist ihnen so gut gelungen, dass es inzwischen etliche „Mad Men“-Stilguides gibt und auch Jesse McLeans Begleitbuch „Mad Men – Die Könige der Madison Avenue“ widmet dem Zeitkolorit viele Seiten. Er schreibt über damals populäre Bücher, Filme, Lieder, Orte und Werbekampagnen, die in der Serie erwähnt werden, und natürlich wird, wie es sich für ein Begleitbuch zu einer Serie gehört, jede einzelne Folge ausführlich besprochen. In „Mad Men – Die Könige der Madison Avenue“ sind es die Episoden der ersten beiden Staffeln. Dabei sind McLeans Besprechungen eher kleine Essays, in denen er auf bestimmte Details in der Folge hinweist, Interpretationen anbietet und so das Vergnügen beim Sehen steigert. Als Zusammenfassungen der Episodenhandlung taugt der Serienführer allerdings nicht. Dafür wendet McLean sich als Fan zu sehr an andere Fans, die die Serie ebenfalls gesehen und die DVDs im Regal stehen haben.
Gerade diese Fanperspektive, die durch eine bedingungslose Liebe zur Serie gekennzeichnet ist, stört immer wieder. Zum Beispiel schreibt er zur dritten Folge „Figaros Hochzeit“: „Wenn eine Figur, die man kennengelernt hat, plötzlich mit einem anderen Namen angeredet wird, bringt einen das völlig aus dem Konzept. Wie bei der VW-Werbung (und dem Auto selbst) und bei der netten Geschiedenen, die einfach geht, um zu gehen, wird hier klar, dass in dieser Serie nichts so ist wie in den Serien, die wir bisher gesehen haben.“
Oder, einige Seiten später, in der Besprechung von „Rückgrat“: „Die Tatsache, dass Betty Glen eine Strähne ihrer seidigen Locken schenkt, zählt zu den aus heiterem Himmel kommenden, unvergesslichen Schockmomenten der Serie.“
Für Nicht-Fans sind diese Szenen nicht so schockierend und es stellt sich (jedenfalls bei den bislang im Fernsehen ausgestrahlten Folgen) immer wieder die Frage, wie sehr es den Machern wirklich um die einzelnen Charaktere und ihre Nöte geht. Denn das durchaus bedächtige Inszenieren der Innenräume, der Kleider, der Accessoires, der Frisuren und wie man sich mit den richtigen Gesten und Bewegungen stilecht inszeniert, nimmt viel Zeit in Anspruch.
Auch dass die am 19. Juli 2007 gestartete AMC-Serie „Mad Men“, wie McLean schreibt, einer „der ersten großen Durchbrüche des neuen Jahrhunderts“ sei, kann daher bezweifelt werden. Und es gab in den vergangenen Jahren etliche wichtige Serien, wie „24“, „The Shield“, „The Wire“, „Battlestar Galactica“, „Lost“ und noch viele andere (Sie können hier einfach ihre persönliche bahnbrechende Lieblingsserie einsetzen). Die haben vielleicht nicht so viele „Ich ziehe mich an wie XY“-Shootings und von den sechziger Jahren beeinflusste Werbekampagnen initiiert, aber für das serielle Erzählen im Fernsehen sind sie wichtiger.
Vor dem Serienführer gibt es einige Informationen über die Hauptdarsteller. Die Entstehung der Serie und die Biographie des Serienerfinders Matthew Weiner werden auf zwölf Seiten abgehandelt. Diese Biographien sind der schwächste Teil des Buches. Die Informationen aus zweiter Hand lesen sich wie Werbetexte. Auch da hätte etwas professionell-journalistische Distanz gutgetan.
Denn „Mad Men – Die Könige der Madison Avenue“ ist das Buch eines Fans, das sich in erster Linie an andere Fans richtet. Als Begleitbuch zur Serie ist es, trotz aller Kritik, bei dem Preis, empfehlenswert. Schließlich erfährt man einiges über die Welt der Werbeleute in Manhattan in den frühen Sechzigern.
Jesse McLean: Mad Men – Die Könige der Madison Avenue
(übersetzt von Karlheinz Dürr und Karin Schuler)
Ullstein, 2010
368 Seiten
9,95 Euro
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Originalausgabe
Kings of Madison Avenue – The Unofficial Guide to Mad Men
ECW Press, 2009
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Hinweise
