Der neue Ignatius ist eine Wiederveröffentlichung

Dezember 10, 2010

Der Mann, der niemals lebte“ ist der bekannteste Roman von David Ignatius, der in den USA seit Jahren als Journalist und Polit-Thrillerautor bekannt ist. Ridley Scott verfilmte den Thriller mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle.

Die deutschen Ausgaben seiner Thriller erscheinen inzwischen bei Rowohlt. Ignatius wird zwar von der Kritik für seine detaillierten Einblicke in die politische Situation des Nahen Ostens und die packenden Geschichten gelobt wird, aber er ist nicht gerade ein besonders produktiver Autor. Seit seinem Debüt 1987 veröffentlichte er nur sechs weitere Werke.

Deshalb ist es wenig erstaunlich, dass der gerade im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienene Thriller „Operation Beirut“ ein älteres Werk ist.

Es ist sein Debüt „Agents of Innocence“ von 1987, das bereits 1988 im List Verlag als „Die Wurzeln der Hölle“ erschien. Für die Neuausgabe wurde die Übersetzung überarbeitet.

Die Story (nach dem Klappentext):

Mission: Impossible

Libanon, 1969. Tom Rogers, Nachrichtenoffizier der CIA, wird nach Beirut versetzt. Seine Aufgabe: Informationen über palästinensische Untergrundorganisationen zu beschaffen. Dabei gelingt ihm ein Coup – Jamal Ramlawi, ein hochrangiges Mitglied der Fatah, erklärt sich bereit, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Doch will er das wirklich? Die beiden Männer trennen Welten, und ein gefährliches Spiel voller Täuschungen und Intrigen nimmt seinen Lauf …

Es geht also weit zurück in die Vergangenheit.

 


TV-Tipp für den 10. Dezember: Unter Verdacht: Laufen und Schießen

Dezember 10, 2010

Arte, 20.15

Unter Verdacht: Laufen und Schießen (D 2010, R.: Ed Herzog)

Drehbuch: Wolfgang Stauch

Kriminalrätin Eva Prohacek darf wieder im internen Schmutz der Polizei herumwühlen. Dieses Mal ermittelt sie, weil die Polizisten, wenn in Villen ein Einbruch gemeldet wird, immer zu spät am Tatort eintrifft, gegen ein ganzes Polizeirevier. Als bei einem Einsatz eine junge Polizistin stirbt, hat Eva Prohacek eine erste Spur.

Dank dem bewährten Team dürfen wir auf die bewährte Qualität hoffen. Kaum zu glauben, dass die Serie seit fast zehn Jahren und fünfzehn Folgen ihr Niveau hält.

mit Senta Berger, Rudolf Krause, Gerd Anthoff, Tim Bergmann, Philipp Moog, Johann von Bülow, Justus von Dohnányi

Wiederholung: Mittwoch, 29. Dezember, 03.00 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

ZDF über „Unter Verdacht“

Arte über „Unter Verdacht“

Wikipedia über „Unter Verdacht“

Homepage von Wolfgang Stauch


DVD-Kritik: „Night Train“ ins Verderben

Dezember 9, 2010

Wenn an Heiligabend ein Mann durch den Wald läuft, er in letzter Minute einen Zug erreicht und kurz darauf in einem Abteil stirbt, dann ist in einem Film das Verhängnis für die Mitreisenden nicht weit. Auch in Brian Kings Debütfilm „Night Train“ ist da so. Denn die beiden neben dem Toten im Abteil sitzenden Menschen, der betrunkene Vertreter Peter Dobbs (Steve Zahn) und die junge, blonde Medizinstudentin Chloe White (Leelee Sobieski) sehen sich das Gepäck des Toten an und entdecken eine kleine Schachtel. Peter kann einen Blick hineinwerfen und er entdeckt Juwelen im Wert von mehreren Millionen. Seine Chance auf ein neues Leben!

Auch Chloe will diese Chance ergreifen. Der Schaffner Miles (Danny Glover) will zunächst, ganz nach Vorschrift, den Vorfall melden. Aber mit dem Geld könnte er seiner kranken Frau helfen. Also beschließen die drei, die sich bisher noch nie begegnet sind, die Leiche verschwinden zu lassen und das Vermögen unter sich aufzuteilen.

Das ist leichter geplant, als getan. Und als an der nächsten Station ein Mann (Constantine Gregory) einsteigt und sich nach dem Toten erkundigt, wissen Miles, Peter und Chloe, dass sie ein ziemlich großes Problem haben. Dieser Mann, der in einem Sydney-Greenstreet-Ähnlichkeitswettbewerb einen guten Platz erreichen dürfte, nennt sich Mr. Gutman und seine Verabredung heißt Mr. Cairo. Krimifans kennen diese Namen aus Dashiell Hammetts auch verfilmtem Roman „Die Spur des Falken“. Das sind nicht die einzigen Namen, die bei Krimi- und Filmfans ein anerkennendes Nicken auslösen und andeuten, welchen Vorbildern Brian King (der auch das Drehbuch für den tollen SF-Film „Cypher“ schrieb) seine Referenz erweist. Nämlich der Schwarzen Serie, Alfred Hitchcock und den John-Huston-Humphrey-Bogart-Filmen.

Mr. Gutman verrät den Drei, dass auf der Box ein Fluch laste und er nicht die einzige Person sei, die sie haben wolle.

Und Chloe verblüfft Peter und Miles immer wieder. Denn die Blondine entpuppt sich ziemlich schnell als skrupellose Femme Fatale, die keine Probleme mit dem Zerstückeln von Leichen hat. Und das ist noch ihre harmloseste Tat.

Night Train“ ist einer der kleinen Filme, die auf einem begrenzten Raum und mit wenigen Schauspielern eine ordentliche Portion an Thrill herausholen. Früher wäre „Night Train“ als eine Folge der „Twilight Zone“ oder von „Alfred Hitchcock präsentiert“ durchgegangen.

Dazu tragen auch die Bilder des fahrenden Zuges (heute computeranimiert, früher Modelleisenbahn), die seltsam zeitlose Ausstattung und der kammerspielartige Ton bei. Denn „Night Train“ ist über weite Strecken ein abgefilmtes Theaterstück, das kein Geld in Action-Sequenzen investieren konnte und sich dabei auf die Story und die Schauspieler verlassen musste.

Das funktioniert auch, bis im letzten Drittel des Films, sehr gut. Dann wird ziemlich unvermittelt das Blutzoll erhöht und die Lebensaussichten der wenigen Zugpassagiere tendieren gegen Null. Da hätte etwas mehr Zurückhaltung nicht geschadet.

Jedenfalls vergehen die knapp neunzig Minuten im „Night Train“ sehr zügig und dieser Zug erreicht ohne Verspätungen sein Ziel.

Night Train (Night Train, USA 2009)

Regie:Brian King

Drehbuch: Brian King

mit Danny Glover, Steve Zahn, Leelee Sobieski, Matthias Schweighöfer, Takatsuna Mukai, Togo Igawa, Richard O’Brien, Jo Marr, Constantine Gregory, Geoff Bell

DVD

Bronson Entertainment

Bild: 1.85:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch (DTS, Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial (angekündigt): Making of (23 Minuten), Interviews (29 Minuten), Original Trailer

Länge: 87 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweis

Wikipedia über „Night Train“


Veranstaltungsreihe „Querschläger“ startet heute mit Ross-Thomas-Abend

Dezember 9, 2010

Das ist ein Abend für die Berliner: Heute Abend startet im „Ex’n’Pop (Potsdamer Straße 157, Nähe U-Bahnhof Bülowstraße oder Kleistpark) um 20.00 Uhr die neue Veranstaltungsreihe „Querschläger“. Der Alexander Verlag, Distel Literaturverlag, Pendragon und Pulp Master wollen mehrmals im Jahr in einem angemessenen Rahmen ausgewählte Neuerscheinungen vorstellen.

Den Auftakt macht der Alexander Verlag mit einem Ross-Thomas-Abend (19. Februar 1926 – 18. Dezember 1995). Es wird die absolut empfehlenswerte Ross-Thomas-Werkausgabe und der neueste Band „The Yellow-Dog-Kontrakt“ (Yellow Dog Contract, 1976, deutsche, gekürzte Erstausgabe als „Geheimoperation Gelber Hund) präsentiert. Krimikritiker und Ross-Thomas-Fan Thomas Wörtche wird durch den Abend führen und im Kinosaal wird der Thriller „Bad Company“ (USA 1995) gezeigt. Regie führte Damian Harris. Ellen Barkin, Laurence Fishburne und Frank Langella spielen mit. Aber das Wichtigste ist: Ross Thomas schrieb das Drehbuch für den noirischen Polit-Thriller.


Und wer jetzt überlegt, ob er sich den Abend leisten kann: Der Eintritt ist frei.


TV-Tipp für den 9. Dezember: Videocracy

Dezember 9, 2010

WDR, 23.15

Videocracy (DK/S/Fin/GB 2009, R.: Erik Gandini)

Drehbuch: Erik Gandini

Spielfilmlange Doku über Silvio Berlusconi, Medientycoon und Ministerpräsident, und wie er die Medien nicht zur Aufklärung der Massen benutzt.

Hinweise

Homepage zum Film

Wikipedia über „Videocracy“


TV-Tipp für den 8. Dezember: 8 Frauen

Dezember 8, 2010

RBB, 22.45

8 Frauen (F 2002, R.: Francois Ozon)

Drehbuch: Francois Ozon, Marina de Van

LV: Robert Thomas: Huit Femmes, 1958/1962 (Theaterstück)

Weihnachten in einem verschneiten Landhaus: In der Nacht wird der Hausherr ermordet. Die Täterin ist eine der acht Frauen, die im Haus sind. Selbstverständlich hat jede von ihnen auch ein gutes Motiv das Ekel umzubringen.

Ein Cozy mit Gesang und einem Darstellerinnenensemble, das über jeden Zweifel erhaben ist und die Crème de la Crème des französischen Films versammelt.

mit Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Emmanuelle Béart, Fanny Ardant, Virginie Ledoyen, Danielle Darrieux, Ludivine Sagnier, Firmine Richard, Dominique Lamure

Hinweise

Wikipedia über „8 Frauen“ (deutsch, englisch, französisch)

Spiegel: Interview mit Francois Ozon über „8 Frauen“

Blickpunkt Film: Interview mit Francois Ozon über „8 Frauen“

epd Film: Interview mit Francois Ozon (8/2007)



DVD-Kritik: „Lange Nacht“ oder Der Versuch, einen deutschen Horrorfilm zu drehen

Dezember 7, 2010

Wenn „Lange Nacht“ ein Amifilm wäre, wäre der Film ein Kandidat für einen Totalverriss. Die Tricks sind schlecht. Die raren Actionszenen sind lächerlich. Für einen Horrorfilm gibt es zu wenig Blut und Gore. Immerhin orientiert sich „Lange Nacht“ mehr an den Teen-Horrorfilmen à la „Freitag, der 13.“ als ein psychologischen Thrillern, in denen die Dynamik innerhalb der Gruppe im Mittelpunkt steht. Dafür sind die einzelnen Charaktere zu blass gezeichnet und es gibt kaum Konflikte zwischen ihnen.

Auch die Story ist aus diesen Slasher-Filmen sattsam bekannt: eine Gruppe Jugendlicher fährt in den Wald und wird dann flugs von irgendjemand dezimiert. In „Lange Nacht“ sind das zuerst die jungen Dorfnazis und später irgendwelche Viecher, die an deformierte Gorillas erinnern, und anscheinend aus der Erde kommen.

Die Schauspieler sind; – nun, wahrscheinlich alles Laien. Die Dialoge funktional und banal, aber dadurch oft auch, im Gegensatz zu den TV-Film-Dialogen, ziemlich lebensnah. Einige Monologe tendieren ins Pseudophilosophische. Also alles nicht so toll.

Aber es darf nicht vergessen werden, dass „Lange Nacht“ nicht in nordamerikanischen Wäldern oder einem unserer Nachbarländer, sondern im benachbarten Brandenburg spielt und die Macher den Versuch unternommen haben, einen geradlinigen Horrorfilm zu inszenieren. Einen Film, der weitab von den Fördergremien und TV-Produktionen entstanden ist. Einen Film, der sich weigert, ein weiteres langatmiges Beziehungs- und Selbstfindungsdrama zu sein, in dem die jugendlichen Protagonisten sich stundenlang über ihre Befindlichkeiten unterhalten. Der Preis für diesen Mut ist das in jeder Sekunde sichtbare, viel zu geringe Budget, das nicht durch ein gutes Drehbuch ausgeglichen wird.

Lange Nacht“ ist wahrlich kein guter Film. Es ist auch kein Film der versteckten Qualitäten. Aber es ist ein Versuch, aus dem deutschen Konsenskino auszubrechen und einfach einen geradlinigen Horrorfilm zu drehen, ohne in eine Blutorgie (die anschließend bei den Prüfgremien zu einer Schnittorgie führt) auszuweichen.

Und dafür muss man schon dankbar sein.

Lange Nacht – Der Anfang der Nacht ist das Ende der Welt (D 2009)

Regie: Till Kleinert

Drehbuch: Till Kleinert, Aaron Craemer

mit Isabelle Höpfner, Sarah Baumann, Volkram Zschiesche, Markus Staab-Poncet, Sebastian Stielke, Ulf Peter Schmidt, Sascha Kölzow, Mandy Rudski, Ketel Weber, Leo Solter

DVD

Bronson Entertainment

Bild: 1.78:1 (16:9)

Ton: Deutsch (DTS, Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Englisch, Italienisch

Bonusmaterial (angekündigt): Originaltrailer, Audiokommentare, Making of

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Film International: Interview mit Till Kleinert über seinen Kurzfilm „Cowboy“

Bonus: Zwei Kurzfilme von Till Kleinert

 


Cover der Woche

Dezember 7, 2010


TV-Tipp für den 7. Dezember: Die Katze

Dezember 7, 2010

Arte, 20.15

Die Katze (D 1988, R.: Dominik Graf)

Drehbuch: Uwe Erichsen, Christoph Fromm

LV: Uwe Erichsen: Das Leben einer Katze, 1984 (später “Die Katze”)

In der Düsseldorfer Innenstadt endet ein Bankraub in einer Geiselnahme. Die Polizei umstellt die Filiale und ein nervenzerfetzendes Duell beginnt. Aber die Polizisten wissen nicht, dass sie von Probek beobachtet werden und dieser alles geplant hat.

Grandioser deutscher Action-Thriller, der sich nicht vor amerikanischen Vorbildern verstecken muss.

Für einen bundesdeutschen Spielfilm zeigt ‚Die Katze‘ eine erstaunliche Professionalität: präzise Kamera- und Schauspielerführung, eine funktionelle Dramaturgie, eine funktionierende Geschichte.” (Meinolf Zurhorst: Lexikon des Kriminalfilms – Völlig überarbeitete Neuausgabe)

Beim Cognac Festival du Film Policier gab’s dafür den “Grand Prix” und den “FR3 Grand Prix” (Unwichtige Bonus-Information: Guy Hamilton war der Juryvorsitzende).

mit Götz George, Gudrun Landgrebe, Heinz Hoenig, Ralf Richter

Wiederholung: Montag, 13. Dezember, 03.00 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Lexikon der deutschen Krimiautoren über Uwe Erichson

Vierundzwanzig über „Die Katze“ (Interview mit Christoph Fromm)

Meine Besprechung von Dominik Grafs „Schläft ein Lied in allen Dingen“


DVD-Kritik: „Flashpoint – Das Spezialkommando“ rückt wieder aus

Dezember 6, 2010

Zwischen all den Cops, die von den Geistern der Vergangenheit gejagt werden, Alkoholiker, Choleriker und in fast jeder denkbaren Beziehung verkorkste Gestalten sind, sind die Jungs von der Stratetic Response Unit (SRU) in Toronto eine willkommen Abwechslung. Die SRU ist eine Spezialeinheit, die immer dann gerufen wird, wenn die Situation brenzlig ist. Das sind meistens Geiselnahmen, aber auch der Schutz gefährdeter Personen, das Überwältigen von Amokläufern, Snipern, Gangstern und Selbstmördern und auch die Hilfe bei potentiell gefährlichen Verhaftungen. Dabei ist ihr oberstes Ziel immer, dass bei ihren Einsätzen niemand stirbt. Auch nicht die Täter. Stattdessen versuchen sie, die Täter mit Worten zur Aufgabe zu bewegen. Dafür müssen sie auch herausfinden, warum er das tut, was er tut. Entsprechend genau werden die Hintergründe der Tat von den Polizisten ermittelt. Die Mitglieder der SRU sind Profis, die ihre Arbeit erledigen und, auch ohne dass es in jeder Folge ellenlange private Plots gibt, dreidimensionale Charaktere mit einem Privatleben. Aber, wie in den alten Polizeiserien, steht in „Flashpoint – Das Spezialkommando“ die Arbeit und damit verbunden der aktuelle Einsatz im Mittelpunkt.

Dabei sind die Fälle der zweiten Staffel noch besser als die der ersten Staffel. Schon in der ersten Staffel hatten die Täter immer gute Gründe für ihr Handeln und oft wechselten während der Episode die Sympathien vom Opfer hin zum Täter. Aber in der zweiten Staffel werden die Polizisten der SRU immer öfter vor Entscheidungen gestellt, in der sie nur die Wahl zwischen zwei schlechten Entscheidungen haben oder etwas tun müssen, wozu sie nach dem Gesetz verpflichtet sind, das aber ihren normalen menschlichen Empfindungen zuwiderläuft. So meint Sergeant Gregory Parker, der Chef der SRU, am Ende von „Zum Schutz des Bösen“ zur neuen Kollegin Donna Sabine, die eine Polizistin erschießen musste: „Wenn wir etwas gut machen, heißt das nicht, dass wir uns auch gut fühlen müssen.“

In dieser Folge müssen sie auf einem Flughafen einen Serienmörder beschützen, der sicher vom Flugzeug ins Gefängnis gebracht werden soll. Aber einige Bürger und Angehörige der Opfer des Mörders wollen nicht, dass der Mörder einer Bestrafung entgeht.

In der ebenfalls ziemlich noirischen Episode „Der letzte Tanz“ drohen sie einem Mann, ihn zu erschießen, wenn er vor ihren Augen versucht, den Wunsch seiner todgeweihten Frau auf einen Freitod zu erfüllen.

Öfters stehen in der zweiten Staffel jugendliche Täter im Mittelpunkt. In „Freund für immer“ überfallen zwei Jugendliche einen Lebensmittelladen. Donnie will so für seinen einzigen wirklichen Schulfreund das Geld besorgen, das dessen Eltern dringen benötigen, wenn sie in Toronto bleiben wollen.

In „Amoklauf“ will sich ein künstlerisch begabter Jugendlicher für die zahlreichen Demütigungen von seinen Klassenkameraden rächen. Die Sache läuft aus dem Ruder. Am Ende gibt es Verletzte und das SRU muss einen Vater verhaften, der seinen Sohn beschützen wollte.

In „Die perfekte Familie“ entführen zwei Jugendliche ein Baby. Sie hatte es an Pflegeeltern abgegeben. Als ihr Freund, ein ziemlich verantwortungsloser Hallodri, der seine Jugend in zahlreichen Pflegefamilien verbrachte, auf heile Familie machen will, schnappen sie sich das Baby. Bei der Verfolgungsjagd kann die SRU nicht wie üblich agieren, weil der Schutz des Babys oberste Priorität genießt. In einem Vergnügungspark kommt es zum deprimierendem Showdown.

Und in „Eine bessere Zukunft“ versucht Derek Medeiros dem Ghetto und der Gangkriminalität zu entkommen. Er arbeitet inzwischen in einem Krankenhaus und er versucht seinen jüngeren Bruder Matt von der Straße fernzuhalten. Als Matt angeschossen wird, muss Derek sich zwischen seinem neuen und seinem alten Leben entscheiden. Denn die Gang verfolgte sie ins Krankenhaus und will sie umbringen. Die SRU versucht die verfeindeten Parteien vor einem tödlichen Schusswechsel zu isolieren.

In „Der Verrat“ können die Sgt. Gregory Parker und seine Männer eine Geiselnahme in einer Bank schnell und unblutig beenden. Da nimmt einer der Geisel den Geiselnehmer als Geisel. Denn seine schwangere Frau wurde von Gangstern entführt und er soll ihnen jetzt eine halbe Million überweisen. Verschärft wird die Situation, weil der Geiselnehmer und die Geisel seit langem miteinander befreundet sind.

Um den Schutz von Kindern geht es auch in „Die Festung“. In dieser Folge wollen einige russische Gangster eine Nobelvilla ausräumen. Da tauchen die Kinder des Hausbesitzers auf und das Kindermädchen versucht die Kinder zu beschützen. Denn es ist für sie ein Unterschied, ob sie bei einem Diebstahl oder bei einer Geiselnahme, die mit einigen Toten enden kann, hilft.

Und in der Auftaktfolge „Obdachlos“ wollen drei Männer einen Banker, der sie mit seinen windigen Versprechen in den Ruin trieb, zur Rede stellen. In dieser Folge wird auch die Hilflosigkeit der Opfer der Bankenkrise gezeigt. Sie werden von anonymen Banken, ohne sich dagegen wehren zu können, um ihr mühsam erspartes Geld gebracht.

Gerade weil auch in der zweiten Staffel der kanadischen Polizeiserie „Flashpoint – Das Spezialkommando“ der aktuelle Einsatz und damit die Täter und Opfer und die Hintergründe für die Tat im Vordergrund stehen, regt die Serie immer wieder zum Nachdenken an. Gleichzeitig gibt es immer auch eine ordentliche Portion Action, ohne dass die Action übertrieben wirkt, und etliche atmosphärische Aufnahmen vom winterlichen Toronto.

Während die neun Folgen den Krimi- und Drama-Fan in jeder Hinsicht befriedigen, ist das Bonusmaterial mit zwei kurze, insgesamt siebenminütige Featurettes, enttäuschend. Das ist kaum mehr als nichts.

Flashpoint – Das Spezialkommando: Staffel 2 (Kanada 2009)

Erfinder: Mark Ellis, Stephanie Morgenstern

mit Hugh Dillon (Ed Lane), Enrico Colantoni (Sgt. Gregory Parker), Amy Jo Johnson (Julianna ‘Jules’ Callaghan), David Paetkau (Sam Braddock), Sergio Di Zio (Mike Scarlatti), Michael Cram (Kevin ‘Wordy’ Wordsworth), Mark Taylor (Lewis Young), Jessica Steen (Donna Sabine)

DVD

Koch Media

Bild: 1.78:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Stunts (Mini-Featurette), Waffen (Mini-Featurette)

Länge: 361 Minuten (9 Episoden auf 3 DVDs)

FSK: ab 16 Jahre

Die neuen Einsätze der SRU

Obdachlos (Business as usual)

Regie: David Frazee

Drehbuch: Mark Ellis, Stephanie Morgenstern

Die Festung (The fortress)

Regie: Érik Canuel

Drehbuch: Ian Weir

Zum Schutz des Bösen (Clean Hands)

Regie: David Frazee

Drehbuch: Adam Barken

Freund für immer (Aisle 13)

Regie: Stephen Surjik

Drehbuch: James Hurst

Die perfekte Familie (The perfect family)

Regie: Érik Canuel

Drehbuch: Adam Barken, John Callaghan

Der Verrat (Remote Control)

Regie: Charles Binamé

Drehbuch: Russ Cochrane

Amoklauf (Perfect Storm)

Regie: Holly Dale

Drehbuch: Tassie Cameron

Der letzte Tanz (Last Dance)

Regie: Charles Binamé

Drehbuch: Mark Ellis, Stephanie Morgenstern

Eine bessere Zukunft (Exit Wounds)

Regie: David Frazee

Drehbuch: Russ Cochrane

Hinweise

CTV über die Serie

CBS über die Serie

RTL II über die Serie

Wikipedia über „Flashpoint“ (deutsch, englisch) und die ETF

Polizei von Toronto über die ETF

Running with my eyes closed: Interview mit Stephanie Morgenstern und Mark Ellis (Oktober 2008, Teil 1, Teil 2)

Complications Ensue: Interview mit Stephanie Morgenstern und Mark Ellis (21. Juli 2009)

Meine Besprechung von „Flashpoint – Das Spezialkommando – Staffel 1“

 


TV-Tipp für den 6. Dezember: Mit Schirm, Charme und Melone: Auftrag Angst

Dezember 6, 2010

Arte, 18.05

Mit Schirm, Charme und Melone: Auftrag: Angst (GB 1961, R.: Peter Hammond)

Drehbuch: Berkeley Mather

Nachdem Arte 2009 die legendären Folgen von „Mit Schirm, Charme und Melone“ zeigte, zeigt der Sender ab heute werktäglich die ersten 54 Folgen von „Mit Schirm, Charme und Melone“. Diese Folgen liefen noch nie im deutschen Fernsehen und gerade die ersten Folgen der Serie unterscheiden sich beträchtlich von den späteren Folgen. Denn Emma Peel ist noch nicht dabei und John Steed spielt die zweite Geige. Die Hauptrolle in der Agentenserie hat der Arzt Dr. David Keel, der dem Organisierten Verbrechen den Krieg erklärte, nachdem Verbrecher seine Frau töteten.

In „Auftrag: Angst“ kämpft Keel gegen eine Erpresserbande.

mit Ian Hendry, Patrick Macnee, David Andrews, Dawn Beret, Ingrid Hafner, Philip Gilbert, Philip Locke, Stratford Johns, Willoughby Goddard

Hinweise

Arte über „Mit Schirm, Charme und Melone“

Fernsehserien über „Mit Schirm, Charme und Melone“

Wikipedia über „Mit Schirm, Charme und Melone“

The Rap Sheet über „The Avengers“

Kriminalakte über „Mit Schirm, Charme und Melone“

 


TV-Tipp für den 5. Dezember: „Jean-Luc Godard“-Filmnacht

Dezember 5, 2010

80 Jahre ist Jean-Luc Godard und 3sat wird seinem Ruf als Kultursender mit einer Godard-Filmnacht gerecht. Gezeigt werden


3sat, 22.55

Eine Frau ist eine Frau (F/I 1960, R.: Jean-Luc Godard)

Drehbuch:

Anna will ein Kind. Ihr Freund ist von der Idee nicht begeistert. Aber vielleicht springt sein Freund als Samenspender ein.

Godards erster Farbfilm ist eine anarchistische Mischung aus Komödie und Musical, aus Verehrung für Lubitsch und Hollywood-Musicals und Dekonstruktion dieser Filme. Ein großer Spaß für offene Geister.

mit Anna Karina, Jean-Paul Belmondo, Jean-Claude Brialy, Jeanne Moreau

3sat, 00.15

Elf Uhr nachts (F/I 1965, R.: Jean-Luc Godard)

Drehbuch: Jean-Luc Godard

LV: Lionel White: Obsession, 1963

Ferdinand stolpert in eine undurchsichtige Mordgeschichte und flüchtet mit seiner Ex Marianne quer durch Frankreich auf eine einsame Insel.

Auch bzw. besser bekannt als „Pierrot le fou“. Die Krimifarce hat mit dem Buch wenig bis nichts zu tun, aber viel mit Godard, seinem filmischen Kosmos und dem Lebensgefühl der Sechziger.

Mit Jean-Paul Belmondo, Anna Karina

3sat, 02.00

Die Außenseiterbande (F 1964, R.: Jean-Luc Godard)

Drehbuch: Jean-Luc Godard

LV: Dolores Hitchens: Fool’s gold, 1958 (Flucht nach Las Vegas)

Vordergründig erzählt Godard die Planung und Durchführung eines Einbruches. Aber die Abschweifungen von dieser Geschichte sind ihm wichtiger. Inzwischen ist „Die Außenseiterbande“ ein Klassiker der Nouvelle Vague und einer der zugänglichsten Filme Godards. Ein schöner Film, aber eher für die Cineasten unter uns.

´Bande à part´ (Die Außenseiterbande) ist der heiterste Film Godards, nicht wegen seiner Story (eigentlich ist die gar nicht so heiter), sondern wegen der ironischen leichten Art, mit der Godard spielerisch mit den Formen, die er in den vorangegangenen Filmen entwickelt hat, umgeht. Er selbst spricht einen Kommentar, der ergänzt, ironisiert, ansatzweise interpretiert und vor allem immer wieder darauf hinweist, daß alles, was da geschieht, auch anders verlaufen könnte…In ´Bande à part´ weist der leichte, spielerische, ironisch-distanzierte Kommentar ebenso auf die Entstehung wie die äußerst raffinierte Schwarzweiß-Fotografie von Raoul Coutard (z. B. bei den Autofahrten).“ (Hanser Reihe Film 19: Jean-Luc Godard)

Mit dem spannenden Krimi „Fool’s gold“ hat „Die Außenseiterbande“ natürlich, außer der Prämisse und einigen Elementen der Handlung, kaum noch etwas gemeinsam. Oder sagen wir es umgekehrt: dafür, dass Godard sich nur von dem Roman inspirieren ließ, hat er verdammt viel übernommen.

Mit Anna Karina, Claude Brasseur, Sami Frey

3sat, 03.35

Weekend (F/I 1967, R.: Jean-Luc Godard)

Drehbuch: Jean-Luc Godard

Der Wochenendtrip eines jungen Ehepaares wird zu einem Abgesang auf die Wohlstandsgesellschaft. Ein Film, der nicht in wenigen Worten beschrieben werden kann, sondern gesehen werden muss.

‚Week-End‘ ist das Chaos; ‚Week-End‘ ist wie das Zeugnis eines fremden, fernen Sterns (des unseren?). Wir sind das Chaos – ein Trümmerfeld abendländischer Kultur -“ (Ronald M. Hahn/Volker Jansen: Lexikon des Science-Fiction-Films)

mit Mireille Darc, Jean Yanne, Jean-Pierre Léaud

Hinweise

Wikipedia über Jean-Luc Godard (deutsch, englisch, französisch)

IMDB über Jean-Luc Godard

Kriminalakte gratuliert Jean-Luc Godard zum Geburtstag


Etwas für die Wunschliste: Film Noir Collection Box 1

Dezember 4, 2010

Wer die ersten drei Filme der „Film Noir“-Reihe von Koch Media noch nicht hat, sollte bei der jetzt erschienenen „Film Noir Collection Box 1“ zuschlagen. Denn „Die blaue Dahlie“ (nach einem Drehbuch von Raymond Chandler), „Spiel mit dem Tod“ (nach einem Roman von Kenneth Fearing) und „Scharzer Engel“ (nach einem Roman von Cornell Woolrich) sind tolle Noirs und schon seit Ewigkeiten nicht mehr im TV gelaufen.


TV-Tipp für den 4. Dezember: Last Man Standing

Dezember 4, 2010

RTL II, 22.10

Last Man Standing (USA 1996, R.: Walter Hill)

Drehbuch: Walter Hill (nach dem Drehbuch „Yojimbo“ von Ryuzo Kikushima und Akira Kurosawa)

USA, 1931: In dem texanischen Grenzkaff Jericho kämpfen zwei Schnapsbrennerbanden um die Vorherrschaft. Da taucht ein wortkarger Fremder, der sich gut mit Schusswaffen auskennt, auf. Beide Banden hätten ihn gerne als Handlanger und er lässt sich von beiden bezahlen.

Walter Hills Version von Akira Kurosawas „Yojimbo“ (und damit auch von Sergio Leones „Yojimbo“-Remake „Für eine Handvoll Dollar“). Und Kurosawa ließ sich für seinen Samurai-Film von Dashiell Hammetts „Red Harvest“ (Bluternte, Rote Ernte) inspirieren.

Schade, dass Walter Hill seitdem keinen guten Kinofilm mehr drehte.

mit Bruce Willis, Bruce Dern, William Sanderson, Christopher Walken, David Patrick Kelly, Karina Lombard, Ned Eisenberg

Wiederholung: Sonntag, 5. Dezember, 04.05 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Wikipedia über „Last Man Standing“ (deutsch, englisch)

Walter Hill in der Kriminalakte


Neue TV-Krimi-Buch-Tipps online

Dezember 3, 2010

Sodele, bei den Alligatorpapieren (Dank an Alfred für die Bilder) sind meine neuen TV-Krimi-Buch-Tipps draußen. Wer also wissen will, welche Krimiverfilmungen vor Weihnachten im Fernsehen laufen, muss klicken:

Die Vorfreude der Programmgestalter auf ein friedliches Weihnachtsfest hinterlässt tiefe Spuren im Programm. Wer nicht gerade wegen Sherlock Holmes (gespielt von Basil Rathbone) schlaflose Nächte verbringen oder den Geburtstag von Jean-Luc Godard mit „Elf Uhr nachts“, „Außer Atem“ und der „Außenseiterbande“ feiern will, muss sich mit Dominik Grafs Uwe-Erichsen-Verfilmung „Die Katze“ (die zuletzt wegen Claude Chabrols Tod verschoben wurde), Jonathan Demmes Thomas-Harris-Verfilmung „Das Schweigen der Lämmer“, David Lynchs Barry-Gifford-Verfilmung „Wild at heart“, Bob Rafelsons James-M.-Cain-Verfilmung „Wenn der Postmann zweimal klingelt“, Doug Limans Robert-Ludlum-Verfilmung „Die Bourne Identität“ und Alfred Hitchcocks Victor-Canning-Verfilmung „Familiengrab“ begnügen.


Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Jean-Luc Godard!

Dezember 3, 2010

Jean-Luc Godard, geboren am 3. Dezember 1930 in Paris.

Sein erster Spielfilm war 1960 „Außer Atem“ (À bout de souffle) mit Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg. Danach zahlreiche weitere Filme, wobei die Filme seit 1968 zunehmend abstrakter wurden und, auch deshalb, nur noch ein überschaubares Publikum erreichten.

In unseren Kinos lief schon seit Ewigkeiten kein Godard-Film mehr und auch im Fernsehen laufen seine nach „Eins plus eins“ (Sympathy for the devil) gedrehten Filme selten bis nie.

Sein neuester Film heißt „Film socialisme“ (Homepage, Wikipedia).


TV-Tipp für den 3. Dezember: Ein Fall für Harper

Dezember 3, 2010

WDR, 23.15

Ein Fall für Harper (USA 1966, R.: Jack Smight)

Drehbuch: William Goldman

LV: Ross MacDonald: The moving target, 1949 (Reiche sterben auch nicht anders, Das wandernde Ziel)

Privatdetektiv Lew Harper soll den verschwundenen Mann der reichen Mrs. Sampson finden.

Wenn wir von einflussreichen Privatdetektivromanautoren sprechen, darf ein Name nicht fehlen: Ross MacDonald.

Hier die kommerziell erfolgreiche Verfilmung des ersten Archer-Romans. Lew Archer heißt im Film Lew Harper. Der Grund dafür war, so Goldman im Audiokommentar zur DVD, dass MacDonald die Rechte am Namen nicht abgeben wollte. „Ein Werk nur mittlerer Qualität“ (Meinolf Zurhorst: Lexikon des Kriminalfilms)

Drehbuchautor William Goldman schreibt im lesenswerten „Das Hollywood-Geschäft“ (Adventures in the Sreen Trade, 1984) über „Ein Fall für Harper“ und die Qualität seines Drehbuchs: „Der daraus entstandene Film war übrigens aus einer Vielzahl von Gründen sehr erfolgreich, von denen ich keinen für mich verbuchen kann.“

Mit Paul Newman, Lauren Bacall, Julie Harris, Janet Leigh, Arthur Hill, Robert Wagner, Robert Webber, Shelley Winters, Strother Martin

Hinweise:

Krimi-Couch über Ross MacDonald

Thrilling Detective über Ross MacDonald

Thrilling Detective über Lew Archer

January Magazine über Ross MacDonald und Lew Archer


DVD-Kritik: „Shank“ sucks

Dezember 2, 2010

Das ‚Clockwork Orange‘ unserer Generation“ steht auf dem Cover von Mo Alis Debütfilm „Shank“. Mit dem Werbespruch wird eine Fallhöhe aufgebaut, an der der Film nur scheitern kann. Doch auch ohne diesen hochstehenden Vergleich von der Werbeabteilung ist „Shank“ ein schlechter Film. Jedenfalls für alle, die nicht zum von den Machern anvisiertem Zielpublikum gehören. Das, ungefähr Fünfzehnjährige (aus Südlondon oder einer strukturell ähnlichen Gegend), mag das vielleicht anders sehen.

Dass „Shank“ für Ältere so ziemlich auf ganzer Linie scheitert, liegt nicht unbedingt an dem Miniplot (Junior will den Tod seines Bruders rächen, er macht sich auf den Weg, muss einige Prüfungen überstehen, findet neue Freunde, steht am Schluss dem Mörder seines Bruders gegenüber und muss sich entscheiden, ob er weiterhin den gewaltlosen Weg seiner Gang gehen oder sich rächen will) und dem Willen der Macher, in erster Linie einen Actionfilm mit Musik und Humor zu machen, sondern an der Inszenierung. Mo Ali drehte vorher einige Musikvideos und „Shank“ wirkt über weite Strecken, unterlegt mit der richtigen Musik, wie ein Video für einen Rap-Song.

Die Kamera wackelt, es wird oft geschnitten und es wird reichlich unmotiviert ständig zwischen normaler Geschwindigkeit, Zeitlupe und trendigem Zeitraffer gewechselt. Sparsam eingesetzt können solche Tempoverschiebungen das Gesehene intensivieren. Aber gerade weil Mo Ali diese Stilmittel so wahllos und häufig benutzt, nutzen sie sich schnell zu ärgerlichen Manierismen ab.

Das ganze wird mit schlecht verstandenem Standbild-und-Erklärung-Guy-Ritchie, aber ohne dessen Humor, und etwas „Kill Bill“-Quentin-Tarantino verschnitten. Denn wie in „Kill Bill“ wird auch mal, weil man es kann, der Stil gewechselt. In „Shank“ hin zu einem altmodischen Computerspiel, so „Tron“ auf dem Fahrrad, und Anime.

Die Action-Szenen werden, wie es heute üblich ist, so zerschnitten, dass die Arbeit der Stuntmänner kaum noch erkennen ist.

Die krude Geschichte von „Shank“ spielt 2015 in einem von Gangs regiertem London. Die Macher entschieden sich für das Verlegen der Geschichte in die Zukunft allerdings nicht, weil sie, wie man es aus Science-Fiction-Filmen gewohnt ist, so ihre Botschaft und Kritik an der Gegenwart besser formulieren konnten, sondern aus finanziellen Erwägungen. Denn so mussten sie in Südlondon keine Straßen sperren lassen, sondern konnten auf nicht befahrenen Nebenstraßen und verlassenen Industriegeländen drehen. Die Location-Scouts und Set-Designer gaben ihr bestes, möglichst verfallene Gebäude und Straßen zu finden und diese dann mit einigen Ladungen Müll weiter zu vermüllen.

Allerdings bleibt die negative Zukunftsutopie blass. Es wird kein Grund für den rapiden Verfall der Gesellschaft genannt. Es wird auch keine Kritik an der Gesellschaft oder an bestimmten Werten geübt und selbstverständlich wird auch nichts, wie in Kubricks genialem „Clockwork Orange“ satirisch überspitzt. Denn dafür müsste man eine politische Forderung oder eine Gesellschaftsutopie haben. In „Shank“ geht es nur um Action und eine eher banale moralische Botschaft.

Shank“ ist ein Michael-Bay-Film mit Mini-Budget: Stil über Substanz und bitte nicht nach der Logik fragen.

Die DVD

Das Bonusmaterial ist für einen kleinen Film erfreulich umfangreich und informativ. Die Interviews sind das Rohmaterial für das halbstündige „Making of“, das einige interessante Einblicke in die Produktion gewährt. „Beim Dreh“ und „Outtakes“ sind verschiedene, mehr oder weniger witzige Szenen von den Dreharbeiten. Einmal gesehen und vergessen. Ebenso die kurze, eindeutig als Werbung gedachten Reportage von der Premiere. „Der Dodger Gate Skandal“ ist eine Pseudo-Doku über einen „Shank“-Schauspieler, der ausrastet, weil ihm seine Wünsche nicht erfüllt werden.

Shank (Shank, GB 2010)

Regie: Mo Ali

Drehbuch: Paul van Carter

mit Kedar Williams-Stirling, Adam Deacon, Ashley Bashy Thomas, Michael Socha, Jan Uddin, Kaya Scodelario, Jennie Jacques, Rheanne Murray, Jerome Holder, Colin Salmon, Terry Stone, Robbie Gee, Luke de Woolfson, Robert Fucilla

DVD (Two Disc Extreme Edition)

Ascot Elite

Bild: 2.4:1 (16:9)

Ton: Deutsch (DTS, Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Interviews (mit Mo Ali, Kedar Williams-Stirling, Adam Deacon, Ashley Thomas, Kaya Scodelario, Jan Uddin, Michael Socha [12 Minuten]), Outtakes (8:20 Minuten), Beim Dreh (3:40 Minuten), Der Dodger Gate Skandal (8 Minuten), Making of (30 Minuten), Die Premiere (3:20 Minuten), Original Trailer (1:20 Minuten)

Länge: 90 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Facebook-Seite von Mo Ali

MTV: Interview mit Mo Ali über „Shank“

Wikipedia über „Shank“

Rotten Tomatoes über „Shank“


TV-Tipp für den 2. Dezember: Die Lügen vom Dienst

Dezember 2, 2010

ARD, 22.45

Die Lügen vom Dienst: Der BND und der Irakkrieg (D 2009, R.: Stefan Buchen)

Drehbuch: Stefan Buchen

Halbstündige Doku die den BND-Informanten „Curveball“, der supertolle Infos über Fabriken für Massenvernichtungswaffen hatte, die dann zum Einmarsch in den Irak führten. Dummerweise waren seine Informationen etwa so valide wie das Horoskop der Boulevardzeitung ihres Misstrauens.

Die Doku deckt die Hintergründe dieser Geheimdienstpleite auf und die Reporter haben sich auch mit „Curveball“ unterhalten.

Hinweis

ARD über die Doku

Wikipedia über „Curveball“ (deutsch, englisch)


Kleinkram, vollkommen unsortiert

Dezember 1, 2010

Für den “ Telegraph“ hat David Gritten sich mit Elmore Leonard unterhalten. Der Grund war die DVD-Veröffentlichung der ersten Staffel der TV-Serie „Justified“ mit Timothy Olyphant als dem von Elmore Leonard erfundenem Charakter US Marshal Raylan Givens in der Hauptrolle.

In dem Interview erfahren wir auch, was „W W E D“ bedeutet.

Für die „taz“ hat Ilka Kreutzträger sich mit Frank Göhre unterhalten:

Ich weiß bei meinen Geschichten, auf welche inhaltliche Lösung ich hinauswill, aber wenn mich meine Frau abends fragt, wie es weitergehen soll, kann ich keine Auskunft geben.

Für Collider hat Steve Weintraub sich mit William Monahan über seine Ken-Bruen-Verfilmung „London Boulevard“ (die deutsche Ausgabe ist jetzt bei Suhrkamp erschienen [Unbedingt kaufen!]) unterhalten.

Daniel Woodrell fragt sich „How much Ozarks is in me?“

Joe R. Lansdale meint „Walmart I can’t quit you“.

R.J. Ellory fragt „Why does an Englischman write American Fiction?“.

Lawrence Block erinnert sich an den Krimiautor Henry Kane (Sie kennen ihn nicht? Im nächsten Antiquariat müssten Sie eines seiner Werke finden.).

Darren Aronofsky

– spricht über seinen letzten Film „Black Swan“ (deutscher Kinostart ist 20. Januar 2011). Hauptdarstellerin Natalie Portman war auch dabei.

– spricht über seinen nächsten Film „The Wolverine“ (yep, X-Men-Universum):

I think, for the first time in my life—you know, every single film that I’ve done so far I’ve been the only person in the room who wants to make the movie. And, I kinda am excited about doin’ a film where actually everyone wants to make it. And, just to see what the experience is like and to see if I can do what I do in that world.

Ich gehe mal davon aus, dass die Produzenten wissen, dass Darren Aronofsky nicht gerade der klassische Mainstream-Regisseur ist und sie keinen 08/15-Blockbuster wollen. Sonst könnte es zu ernsthaften „kreativen Differenzen“ kommen.


Der enorm produktive Kevin J. Anderson gibt in seinem Blog tolle Schreibtipps.

Anderson schrieb – wenn Sie sich gerade fragen, woher sie den Namen kennen –  zahlreiche „Star Wars“- und „Akte X“-Romane.