Altlastenbeseitigung: Text und Bild

Mai 13, 2011

Es hilft nichts. Ich muss endlich mal wieder meinen Schreibtisch aufräumen. Dabei kann ich dann auch einige Werke, die ich teils schon vor Monaten genossen, aber bis jetzt immer noch nicht besprochen habe, endlich, nicht immer in der gebührenden Länge, besprechen.

In „Schöne neue Welt“, dem zwölften Band der grandiosen Serie „The Walking Dead“ von Robert Kirkman über eine Gruppe von Menschen, die nach einer Katastrophe in einer von Zombies beherrschten Welt, überleben wollen, scheint sich alles zum Besseren zu wenden.

Die von Polizist Rick Grimes geführte Gruppe nähert sich endlich Washington, D. C.. dem Ziel ihrer Reise. Denn dort, so hat ihnen ihr Gruppenmitglied Dr. Eugene Porter gesagt, gebe es ein Mittel gegen die Zombies. Aber kurz vor der Hauptstadt erfahren sie, dass Porter sie belogen hat. Er ist nur ein einfacher Highschool-Lehrer und ein guter Lügner. Da treffen sie auf einen Mann, der sie einlädt, zu ihnen in eine geschlossene Siedlung zu ziehen. Grimes ist skeptisch. Denn wenn etwas zu schön um wahr zu sein ist, ist es auch meistens nicht wahr. Außerdem erinnern sie sich noch gut an Philip, den durchgeknallten Herrscher von Woodbury (gegen den sie in den „The Walking Dead“-Sammelbänden fünf bis acht kämpften).

Schöne neue Welt“ ist eine feine Fortsetzung einer tollen Serie, die die Gruppe vor eine neue Herausforderung stellt. Jetzt müssen sie sich fragen, ob sie wieder in ein normales Leben zurückkehren können. Wie in den vorherigen Bänden gibt es eine ordentliche Portion Gewalt gegen die Zombies, aber auch in „Schöne neue Welt“ steht die Dynamik in der Gruppe und wie sie auf andere Menschen reagiert, im Mittelpunkt und das ist allemal spannender als stupides Zombie-Abschlachten.

Im Moment sehe ich mir die auf den Comics basierende TV-Serie „The Walking Dead“ an. Sie bewegt sich schon in der ersten Staffel erstaunlich weit von der Vorlage weg, indem Rick Grimes und seine Gruppe andere Abenteuer erleben müssen und schon in den ersten Folgen etliche neue Charaktere auftauchen. Aber sie bleibt dem Geist der Vorlage treu; was nicht verwunderlich ist, denn Robert Kirkman ist in die Produktion stark involviert. Er ist Executive Producer und schreibt auch Drehbücher für die TV-Serie. Ich bin jedenfalls auch von der TV-Serie begeistert.

Robert Kirkman (Autor)/Charlie Adlard (Zeichner)/Cliff Rathburn (Zeichnungen): The Walking Dead: Schöne neue Welt (Band 12)

(übersetzt von Marc-Oliver Frisch)

Cross Cult, 2011

152 Seiten

16 Euro

Originalausgabe

The Walking Dead, Vol. 12: Life Among Them (# 67 – 72)

Image Comics, 2010/2011

Hinweise

Offizielle „The Walking Dead“-Seite

Wikipedia über „The Walking Dead“ (deutsch, englisch)

AMC-Blog zu „The Walking Dead“ (derzeit: Berichte und Bilder von den Dreharbeiten)

„The Walking Dead“-Fanseite

„The Walking Dead“-Wiki

Kriminalakte: Meine Gesamtbesprechung der ersten zehn „The Walking Dead“-Bände, meine Besprechung des elften Bandes „Jäger und Gejagte“ und das Comic-Con-Panel zur TV-Serie

Neben „The Walking Dead“ schreibt Robert Kirkman noch an einer weiteren Serie: „Haunt“, über einen unheiligen Priester, der nach dem Tod seines Bruders von ihm besessen ist.

Die Initialzündung für die Serie war 2006 auf der San Diego Comic-Con. „Spawn“-Erfinder Todd McFarlane saß auf dem Podium. Ein Fan fragte ihn, warum er keine Comics mehr schreibe. McFarlane antwortete höflich, erfuhr, dass dieser Fan Robert Kirkman sei und bot ihm eine Zusammenarbeit an. Es dauerte dann noch drei Jahre, bis Ende 2009 das erste „Haunt“-Heft erschien.

Haunt“ ist dabei eine etwas andere Superheldenserie. Denn der Protagonist Daniel Kilgore ist als Priester eine Fehlbesetzung und mit seinem Bruder Kurt will er nichts zu tun haben. Kurt ist Geheimagent für die Agency, einen supergeheimen Geheimdienst (naja, das kennen wir doch aus den USA: der Geheimdienst hinter dem CIA, der ein unbegrenztes Budget hat, schmutzige Geschäfte erledigt und auch Menschen tötet; – und manchmal auch nur ein Synonym für die CIA ist). Kurt erledigt weltweit die Schmutzarbeit und bringt dabei immer wieder Menschen um.

Auch nachdem Kurt ermordet wird, will Daniel Kilgore nichts mit ihm zu tun haben. Dummerweise ergreift Kurt jetzt, wenn es gefährlich wird, von Kilgore Besitz und es gibt ein neues, fast unverletzbares Wesen, das Kilgore für die Arbeitgeber von Kurt interessant macht. Denn Kurt und seine Freundin stahlen wichtige Unterlagen von einem Dr. Shillinger, an die jetzt auch der skrupellose Supergangster Hung will.

Haunt“ verleiht dem Superheldengenre mit dem fast unverletzbarem Haunt und den beiden Brüdern, die sich nicht grün, aber aufeinander angewiesen sind und ständig miteinander reden, einen neuen Twist. Denn hier werden die Familienprobleme nur noch im Kopf des Protagonisten ausgetragen.

Jetzt sind, in zwei Sammelbänden, die ersten zwölf Hefte und damit die erste große „Haunt“-Geschichte erschienen, die aber genug Spuren für weitere Geschichten, die bislang in den USA noch nicht erschienen sind, legt.

Todd McFarlane (Tusche, Co-Creator)/Robert Kirkman (Autor, Co-Creator)/Ryan Ottley (Zeichner)/Greg Capullo (Zeichner): Haunt – Band 1

(übersetzt von Claudia Fliege)

Panini Comics, 2010

132 Seiten

16,95 Euro

Originalausgabe

Haunt, Vol 1 – 5

Image Comics, 2010

Todd McFarlane (Tusche, Co-Creator)/Robert /Kirkman (Autor, Co-Creator)/Greg Capullo (Zeichner): Haunt – Band 2

(übersetzt von Claudia Fliege)

Panini Comics 2011

156 Seiten

16,95 Euro

Originalausgabe

Haunt, Vol. 6 – 12

Image Comics, 2010

Hinweis

Homepage von Todd McFarlane

Homepage von Image Comics

Auch bei „American Vampire“ begann die Zusammenarbeit eher zufällig. Scott Snyder wollte von Stephen King eigentlich nur einen Blurb, aber dem Horror-Autor gefiel das Konzept so gut, dass er, wie schon bei der Krimireihe Hard Case Crime, statt des Blurbs eine Geschichte anbot und, wie bei Hard Case Crime, bewies er seinen guten Geschmack. Außerdem schrieb er, nachdem bereits aus einigen seiner Romane Comics wurden, mit „American Vampire“ erstmals eine Geschichte direkt für einen Comic.

In „American Vampire“ bekämpfen sich in den USA die alten, europäischen Vampire und die neuen amerikanischen Vampire – und alle Vampire haben nichts mit der „Twilight“-Teenieheimeligkeit gemeinsam.

Denn der Protagonist Skinner Sweet war vor seinem Vampirdasein der gemeinste, hinterhältigste und bösartigste Bandit des Wilden Westen und jetzt ist er, als erster seiner Art, eine neue Art von Vampir, die Dinge tun kann, die die alten europäischen Vampire nicht tun konnten. So macht ihm das Tageslicht nichts aus.

Im ersten „American Vampire“-Sammelband, der die ersten fünf „American Vampire“-Hefte enthält, werden zwei voneinander unabhängige Geschichten erzählt, die in jedem Heft weitererzählt werden. Das ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig und sorgt gerade im ersten „American Vampire“-Heft bei der Geschichte von Scott Snyder, weil unklar ist, wer der Protagonist ist, für Irritationen. Ab dem zweiten Heft ist der Aufbau dann allerdings klar. Die eine Geschichte, geschrieben von Stephen King, spielt im Wilden Westen und erzählt, wie Skinner Sweet zum ersten amerikanischem Vampir wurde und von seinen ersten Jahren als Vampir. Denn er ist, auch wenn er so dem Tod entging, überhaupt nicht von seinem neuen Leben als Vampir begeistert.

Die andere, von Scott Snyder geschriebene Geschichte, spielt in den zwanziger Jahren in Hollywood und das Starlet Pearl Jones gerät in die Fänge der Vampire. Skinner Sweet, der gegen die Menschen kämpft, die ihn zum Vampir machten, versucht Pearl Jones zu helfen und sie nimmt ihre Existenz als Vampir auf eine durchaus bissfreudige Weise an.

Der erste „American Vampire“-Sammelband ist ein vielversprechender Auftakt, der mit einer ordentlichen Western- und Stummfilm-Hollywood-Prise und blutigen Kämpfen (denn diese Vampire haben nichts mehr von der Eleganz eines Bela Lugosi, aber viel von dem Furor eines losgelassenen Kampfhundes), punktet. Oder in den Worten von Stephen King im Vorwort des Sammelbandes: „Wenn Ihnen die Geschichte gefällt, danken Sie nicht mir, sondern Scott, denn er hat mir den kompletten Leitfaden geliefert. Ich habe hier und da Kleinigkeiten ergänzt, mich aber nie weit von seinen Vorgaben entfernt. Wozu ein Meisterwerk verbessern?“

Scott Snyder (Autor, Creator)/Stephen King (Autor)/Rafael Albuquerque (Zeichner): American Vampire – Band 1

(übersetzt von Bernd Kronsbein)

Panini Comics/Vertigo, 2010

196 Seiten

16,95 Euro

Originalausgabe

American Vampire, Vol. 1 – 5

DC Comics, 2010

Hinweise

Homepage von Rafael Albuquerque

Homepage von Stephen King

Mein Porträt zu Stephen Kings Geburtstag

Meine Besprechung von Stephen Kings/Richard Bachmans „Qual“ (Blaze, 2007)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Nachgelassene Dinge“ (The things they left behind) in Ed McBains „Die hohe Kunst des Mordens“ (Transgressions, 2005)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Colorado Kid“ (The Colorado Kid, 2005)

Stephen King in der Kriminalakte und in seinem Trailer-Park

Keine zehn Pferde kriegen mich in die Nähe von Cassandra Hack! Da kann ich mir ja gleich selbst den Kopf einschlagen“, sagt Michael Myers über Cassandra Hack und, obwohl die Blurbs auf dem Buchcover oft eine höfliche Form der Lüge sind, würde ich Myers nicht wiedersprechen. Denn er ist ein ausgewiesener Experte und der letzte, der etwas Unhöfliches über ihn sagte, sah danach ziemlich schlecht aus.

Hack ist ein Mädchen, das Slasher (das sind diese Mörder, die mit einem großen Messer immer wieder töten) und, manchmal, andere Serienmörder jagt, ihren Vater sucht und von dem treudoofem Vlad begleitet wird.

Hack-Autor Tim Seeley erzählt in dem neuesten „Hack/Slash“-Band „(Re)Animatoren“ meistens keine 08/15-Geschichten über die Jagd nach durchgeknallten Slashern (Gibt es auch andere? Nun, in „Eiskalt serviert“ schon.), sondern er variiert bekannte Erzählungen und lässt bekannte Charaktere auftreten. Das können echte Charaktere, wie die „Suicide Girls“ in „Selbst/Mord“, das können erfundene Charaktere, wie Dr. Herbert West (bekannt aus den „Re-Animator“-Filmen von Brian Yuzna) in der langen Geschichte „Cassie & Vlad trefffen den Re-Animator“, sein. Das kann auch die in den USA jedem Kind bekannt Geschichte des „Zauberers von Oz“ sein, die in „Hinter dem Regenbogen“ wieder verfilmt werden soll. Bei den Dreharbeiten gibt es dann einige, ähem, Probleme.

Die lange Geschichte „Cassie & Vlad trefffen den Re-Animator“ ist dann auch die beste Geschichte des Sammelbandes. In ihr findet Cassie ihre Eltern und alle Charaktere haben auch genug Zeit, sich zu präsentieren. Dagegen wirken die anderen Geschichten oft etwas skizzenhaft. Gerade bei „Hinter dem Regenbogen“ hätten einige Seiten mehr gutgetan. Dafür wird man in „Selbst/Mord“ mit einer kräftigen Portion Sex, Gewalt und Mord entschädigt.

Tim Seeley (Autor)/Emily Stone (Zeichnungen): Hack/Slash: (Re)Animatoren (Band 5)

Cross Cult, 2010

(übersetzt von Frank Neubauer)

160 Seiten

19,80 Euro

Originalausgabe

Hack/Slash: Reanimation Games

Image Comics, 2009

Hinweis

Homepage von Tim Seeley


Gratis-Comic-Tag, die zweite

Mai 13, 2011

Am Samstag, den 14. Mai, ist es wieder so weit: der Gratis-Comic-Tag wird gefeiert.

Schon der erste Gratis-Comic-Tag mit 17 teilnehmenden Verlagen, 30 Comics und über 150 Comic- und Buchhandlungen, die die Comics kostenlos verteilten, war ein voller Erfolg.

Dieses Jahr sind 29 Verlage und 44 Comics, teilweise sogar Erstveröffentlichungen, dabei.

Zu den Verlagen gehören bekannten Namen, wie Carlsen, Epaha und Panini, und auch neue, kleine Verlage, wie Comic Culture, Epsilon und Piredda.

Aber auch wer mit den Verlagsnamen wenig anfangen kann, dürfte einige der Comicserien kennen. Andere lohnen mit Sicherheit einen Blick.

Am zweiten Gratis-Comic-Tag werden „Die Peanuts“, „Donald Duck“, Die „Muppets-Show“, „Die Schlümpfe“ „Star Wars: Clone Wars“, „Marvel: Thor & Iron-Man“ und „DC Comics: Grenn Lantern – Secret Origin“ und „Die Simpsons“ verteilt.

Diese Namen dürften auch den Nicht-Comic-Fans etwas sagen. Es gibt aber auch tonnenweise Hefte mit unbekannteren Charakteren. Der „Goon“ schlägt in einer bislang unveröffentlichten Geschichte wieder zu und, spätestens wenn die von David Fincher produzierte 3D-Animationsverfilmung startet, wird auch jeder den „Goon“ kennen.

Es gibt ein Abenteuer von Professor Bell (der, so die Ankündigung, Lehrer von Sir Arthur Conan Doyle war und Doyle zu Sherlock Holmes inspirierte), das komplette siebte Album von dem „Tramp“, ein Science-Fiction-Heft der Dystopie „Golden City“, eines der Dystopie „Wasteland“, eine neu übersetzte und überarbeitete Version von „Canardo: Weiße Vögel sterben leise“, „Weissblechs Gratis-Grusel-Geisterstunde“, mysteriöse Kriminalfälle aus dem viktorianischem England in „Green Manor“ und eine neue Geschichte der deutschen Zombieserie „Die Toten“.

Und natürlich gibt es auch extra ausgezeichnete „Comics für Kids“, Mangas und Witziges.

Da dürfte wirklich für jeden etwas dabei sein. Wenn die kostenlosen Hefte nicht schon verteilt wurden. Denn letztes Jahr war der Andrang groß.

Die Idee für den Gratis-Comic-Tag kommt aus den USA und soll die Bandbreite der Comics von Micky Maus über Superman hin zu Comics, die sich explizit an Erwachsene richten und auch intellektuell herausfordernd sind, zeigen und neue Leser gewinnen.

Weitere Infos zum Gratis-Comic-Tag gibt es auf der Homepage und hier findet ihr den Händler in eurer Nähe.


Tokio-Trilogie, die Zweite: David Peace und „Tokio, besetzte Stadt“

Mai 13, 2011

Tokio, besetzte Stadt“, der zweite Band von David Peaces Tokio-Trilogie, spielt 1948 und wieder basiert der Roman auf einem wahren Verbrechen; nämlich dem Fall Hirasawa Sadamichi, der 1950 trotzt dünner Beweislage zum Tode verurteilt wurde, 1987 in der Todeszelle starb und dessen Fall immer wieder, auch noch nach seinem Tod, in zahlreichen Berufungsverfahren immer wieder neu verhandelt wurde.

Hirasawa Sadamichi war des mehrfachen Giftmordes und Diebstahls (man will ja nichts unterschlagen) angeklagt. Er sollte sich in einer Bank als Seuchenexperte ausgegeben und die anwesenden Angestellten und Kunden vergiftet haben, indem er ihnen sagte, sie müssten ein Gegengift trinken und es ihnen verabreichte. Zwölf Menschen starben, vier weitere kamen schwer vergiftet ins Krankenhaus.

Dieser Massengiftmord ist für David Peace nur der Auftakt, um ein eindrucksvolles Bild der von der Kriegsniederlage zutiefst zerrütteten japanischen Gesellschaft zu zeichnen. Dabei interessiert ihn, wie bei „Tokio im Jahr Null“, dem ersten Band der Tokio-Trilogie, nicht die Aufklärung des Verbrechens oder eine rein faktengetreue Nacherzählung der Ermittlungen. In „Tokio im Jahr Null“ war der Mörder ziemlich schnell bekannt und wir begleiteten Inspektor Minami auf der Suche nach weiteren Beweisen und in seine Psyche; naja, die Suche nach den Beweisen war für Peace der Vorwand, ganz tief in Minamis Psyche und seinen zunehmenden Wirklichkeitsverlust einzudringen.

In „Tokio, besetzte Stadt“ ist, dank zielstrebiger und wenig aufregender Ermittlungsarbeit, die vor allem nach dem Ausschlussprinzip vonstatten geht, ziemlich schnell klar, wer für die Tat in Frage kommt und, auch wenn die Beweise dünn sind, für die Morde büßen soll. Aber die Giftmorde in der Bank sind für David Peace, der selbst einige Jahre in Tokio lebte, nur die Camouflage um sich den japanischen Experimenten mit B- und C-Waffen, den Versuchen der Amerikaner nach Kriegsende in den Besitz dieser Forschungen zu kommen und wie die Japaner versuchten, dies zu verhindern, zu widmen. Hier versucht er eine Erklärung dafür zu finden, wie jemand einen solchen Massenmord begehen kann und was diese Morde für die damalige Gesellschaft bedeuteten. Gleichzeitig deutet er einen Zusammenhang zwischen dem Massengiftmord an japanischen Zivilisten in einer Bank mit entsprechenden militärischen Forschungen während des zweiten Weltkriegs an.

Das erzählt Peace, indem er die Ereignisse von zwölf verschiedenen Personen (die als „Kerzen“ einem Schriftsteller ihre Geschichte erzählen) erzählen lässt. Langsam vervollständigt sich ein Bild, das nichts mit der offiziellen Erklärung gemeinsam hat, aber trotzdem skizzenhaft und so für verschiedene Interpretationen offen bleibt.

Die Wiederholungen in den verschiedenen Geschichten sind eine Folge der gewählten Struktur, die Peace zwingt, einige Ereignisse mehrmals, aber aus verschiedenen Perspektiven, zu erzählen und weil jede Person eine andere Stimme hat, sind die einzelnen Monologe auch verschieden gut lesbar. Einige, vor allem die späteren Kerzen, sind in ihrem halluzinatorischem Ton, sogar fast unlesbar.

Aber insgesamt ist „Tokio, besetzte Stadt“ ein verstörender Einblick in die Seele eines zerrissenen Landes und, wie immer bei David Peace, ziemlich weit weg von allen Krimikonventionen.

Peter Torberg übersetzte den Roman, wie auch die anderen Romane von David Peace, kongenial. Ihm gelingt das scheinbar Unmögliche, die rhythmische Prosa von David Peace, die, was vor allem beim Vorlesen des Originals auffällt, näher am Rap als an geschriebener Prosa ist, in ein ebenso rhythmisches Deutsch zu übersetzten.


David Peace: Tokio, besetzte Stadt

(übersetzt von Peter Torberg)

Liebeskind, 2010

352 Seiten

22 Euro

Originalausgabe

Occupied City

Faber & Faber, London, 2009

Hinweise

Meine Besprechung von David Peaces „1974“ (Nineteen Seventy-Four, 1999)

Meine Besprechung von David Peaces „1977“ (Nineteen Seventy-Seven, 2000)

Meine Besprechung von David Peaces „1980“ (Nineteen Eighty, 2001)

Meine Besprechung von David Peaces „1983“ (Nineteen Eighty-Three, 2002)

Meine Besprechung von David Peaces „Tokio im Jahr Null“ (Tokyo Year Zero, 2007)

Meine Besprechung der „Red Riding Trilogy“ (der Verfilmung der entsprechenden Bücher)

David Peace in der Kriminalakte

Spiegel über Hirasawa Sadamachi (Heft 21/1985)

Wikipedia über Hirasawa Sadamachi


TV-Tipp für den 13. Mai: Thomas Crown ist nicht zu fassen

Mai 13, 2011

WDR, 23.15

Thomas Crown ist nicht zu fassen (USA 1968, R.: Norman Jewison)

Drehbuch: Alan R. Trustman

Versicherungsagentin Vicky Anderson glaubt, dass der vermögende und seriöse Geschäftsmann Thomas Crown ein Bankräuber ist. Zwischen beiden entspinnt sich ein erotisch aufgeladenes Katz-und-Maus-Spiel.

Ein Kassenhit und mindestens ein Semi-Klassiker.

„Just the movie to see if you want to see an ordinary, not wonderful, but highly enjoyable movie—of which there have been so few this year.“ (New York Times, 27. Juni 1968)

„‘The Thomas Crown Affair’ ist vornehmlich eine private Fingerübung von Jewison, Michel Legrand (zu dessen Musik der Film geschnitten wurde) und seinem Cutter, bei der die Schauspieler nicht so sehr als wahre Persönlichkeiten mit ihren eigenen Spannungsfeldern auftreten, sondern hauptsächlich als sprechende Köpfe.“ (Derek Elley, Focus on Film, März 1981)

„Beim Publikum der späten sechziger Jahre kam diese etwas klebrige Mischung, deren Unterhaltungswert sich zugestandenermaßen auch aus heutiger Sicht kaum wegnörgeln lässt, außerordentlich gut an, und Jewisons Kunstgewerbe wurde von manchen Kritikern gar als große Filmkunst bezeichnet.“ (Robert J. Kirberg: Steve McQueen, 1985)

mit Steve McQueen, Faye Dunaway, Paul Burke, Jack Weston, Yaphet Kotto

Hinweise

Wikipedia über „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ (deutsch, englisch)

DVD Verdict über „The Thomas Crown Affair“

Reel Views über „The Thomas Crown Affair“