TV-Tipp für den 10. Dezember: Out of Time – Sein Gegner ist die Zeit

Dezember 9, 2011

Pro7, 20.15

Out of Time – Sein Gegner ist die Zeit (USA 2003, R.: Carl Franklin)

Drehbuch: David Collard

Matt Whitlock schiebt als Polizeichef von Banyan Key eine ruhige Kugel in dem Sunshine State Florida. Seine verheiratete Geliebte Ann verzuckert seinen Alltag. Als sie unheilbar an Krebs erkrankt und ihn als Begünstigten in ihre Lebensversicherung einsetzt, will er ihr helfen. Er gibt ihr die seinem Polizeisafe gebunkerte halbe Million Dollar Drogengeld. Wenige Stunden später sind sie und ihr Mann tot. Sie wurden ermordet und anschließend verbrannt. Whitlocks Ex Alex leitet die Ermittlungen. Alle Beweise deuten auf den unbekannten Geliebten als Mörder. Matt Whitlock muss daher das Komplott aufdecken, bevor er als Mörder verhaftet wird.

Für Genre-Junkies ist der wunderschön entspannte Florida-Noir-Thriller „Out of Time – Sein Gegner ist die Zeit“ ein Festschmaus.

Collard schrieb ein wendungsreiches, kunstvoll die Balance zwischen Tradition und Innovation haltendes, Drehbuch. Franklin setzte es punktgenau um. Das Ensemble, angeführt von dem immer guten Denzel Washington, spielte genussvoll auf. Gerade die vielen Nebendarsteller, wie der Pathologe (als Sidekick des Helden ist er natürlich sehr wichtig), die Untergebenen von Alex und Matt, die DEA-Agenten, der Hotelchef und die ältere Zeugin, hatten prächtige Auftritte. Die Stuntmen durften vor allem bei einem Kampf auf Leben und Tod an einem Balkongitter im siebten Stock eines Hotels ihr Können zeigen. Die Aufnahmen Florida, besonders der Sonnenuntergängen, sind traumhaft und die Musik von Graeme Revell gibt allem einen entspannt-südamerikanischen Touch.

Mit Denzel Washington, Eva Mendes, Salma Latham, Dean Cain, John Billingsley

Wiederholung: Montag, 12. Dezember, 00.55 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Out of Time“

Wikipedia über „Out of Time“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: In „The Help“ erzählt die Haushaltshilfe ihre Geschichte; jedenfalls irgendwie

Dezember 9, 2011

Eine Geschichte über schwarze Hausmädchen als Überraschungshit der Sommers? Damit hatte niemand gerechnet. Dann belegte „The Help“ in den USA drei Wochen lang den ersten Platz der Kinocharts und ich fragte mich, warum so viele Amerikaner in diesen Film gehen. Nachdem ich die Geschichte von Skeeter gesehen hatte, wusste ich warum.

Die aus einer begüterten Südstaatenfamilie stammende Eugenia ‚Skeeter‘ Phelan (Emma Stone) kommt, nachdem sie vier Jahre an der Universität studierte, zurück nach Jackson, Mississippi. Dort will sie, in den frühen sechziger Jahren, ihre Karriere als Journalistin beginnen. Gleichzeitig hat sie inzwischen einen Blick von außen auf ihre Heimat und das gelangweilte Leben ihrer Schulfreundinnen, einer Gruppe reicher Südstaatlerinnen. Daher fällt ihr auch der Umgang mit den Hausmädchen auf, die in den Häusern der Weißen die Kinder großziehen, keine Rechte haben und noch nicht einmal die Toilette benutzen dürfen.

Sie beschließt für eine New Yorker Zeitschrift, die Geschichte der Hausmädchen zu erzählen.

Gleichzeitig erlebt Skeeter, nach einem missglückten Start, ihre erste Liebe zu Stuart (Chris Lowell), sie sucht wieder ihren Platz im Kreis ihrer alten Freundinnen, die ihre Kinder großziehen lassen, sich reihum zu geselligen Nachmittagen treffen und plötzlich erscheint diese zutiefst bigotte und rassistische Gesellschaft als heimelige gute alte Zeit, irgendwo zwischen „Onkel Toms Hütte“ und „Vom Winde verweht“, mit einem Hauch John-F.-Kennedy-Glorie.

Da hilft es auch nicht, dass das ärmliche Leben der Afroamerikaner, wie sie von den Weißen benutzt und wegen Nichtigkeiten, manchmal auch einem falschen Verdacht, nach jahrelanger treuer Tätigkeit entlassen werden, ziemlich realistisch gezeichnet wird. Denn die Dienstmädchen bleiben nur passive Nebenfiguren, die von der weißen Heldin für ihre Karriere benutzt werden und ihr bei ihrer Emanzipation von ihren Eltern und ihren Freundinnen helfen.

So bleibt in diesem Hollywood-Film dann doch alles im gewohnten Rahmen: es gibt einen verklärenden Blick zurück in die Vergangenheit, eine milde Kritik am Rassismus, die heute niemandem mehr weh tut, schöne Bilder, gute Musik und die Liebesgeschichte einer jungen, emanzipierten Frau, die mit ihrem leicht burschikosen Katherine-Hepburn-Touch schnell zur Sympathieträgerin für das große Publikum wird.

Die afroamerikanischen Haushaltshilfen bleiben dagegen, obwohl der Film nach ihnen benannt wurde, wieder nur Staffage.

Und gerade weil „The Help“ keine Fragen und Verbindungen zur Gegenwart herstellt, sondern alles brav historisiert, kann der Film einfach als gut erzähltes, altmodisches Erzählkino genossen werden.

Genau deshalb sahen sich wohl so viele Menschen in den USA die Bestsellerverfilmung an und auch bei uns dürften die Zuschauerzahlen gut sein, denn für das Mainstream-Publikum stimmen die Zutaten und die Mischung. „The Help“ ist kein schlechter Film, es ist nur ein ziemlich verlogen-kitschiger Film.

The Help (The Help, USA 2010)

Regie: Tate Taylor

Drehbuch: Tate Taylor

LV: Kathryn Stockett: The Help, 2009 (Gute Geister)

mit Emma Stone, Viola Davis, Octavia Spencer, Cicely Tyson, Bryce Dallas Howard, Jessica Chastain, Sissy Spacek, Chris Lowell, Mike Vogel, Aunjanue Ellis, Mary Steenburgen

Länge: 146 Minuten

FSK: ohne Altersbeschränkung

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „The Help“

Rotten Tomatoes über „The Help“

Wikipedia über „The Help“ (deutsch, englisch)

Spiegel: Tobias Nagl über „The Help“

Homepage von Kathryn Stockett


TV-Tipp für den 9. Dezember: Ein Fall für zwei: Der Fall Matula

Dezember 9, 2011

ZDF, 20.15

Ein Fall für zwei: Der Fall Matula (D 2011, R.: Raoul Heimrich)

Drehbuch: Leis Bagdach, Konstanze Knoche

Seit dreißig Jahren beweist Privatdetektiv Matula mit wechselnden Anwälten die Unschuld von, nun, inzwischen wohl immer Mordverdächtigen, die’s dann doch nicht waren. Dieses Mal gerät er selbst ins Visier der Polizei. Denn Matula soll einen Polizisten ermordet haben.

Weil der heutige „Fall für zwei“ der Auftakt einer neuen, aus vier Folgen bestehenden Staffel ist und der fast siebzigjährige Claus Theo Gärtner Mitte 2012, nach 300 Folgen, in Rente gehen will, wird in „Der Fall Matula“ natürlich seine Unschuld bewiesen.

Als die Serie 1981 startete war die Perry-Mason-Kopie eine frische Krimiserie, in der es nicht immer um Mord ging (erfrischend) und die beiden Helden auch nicht immer gewannen (sehr erfrischend). Heute…nun, Martin Compart meinte in „Crime TV“ 2000 „Anfangs eine für deutsche Verhältnisse unkonventionelle und risikofreudige Serie (…) seit 1984 zeigt die Serie Verschleißerscheinungen.“

mit Claus Theo Gärtner, Paul Frielinghaus, André M. Hennicke

Wiederholung: Samstag, 10. Dezember, 03.10 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

ZDF über „Ein Fall für zwei“

Wikipedia über „Ein Fall für zwei“

„Ein Fall für zwei“-Fanseite

Fernsehserien über „Ein Fall für zwei“


DVD-Kritik: „Wer ist Hanna?“ fragen sich nur die Zuschauer

Dezember 8, 2011

Es gibt einiges, das für „Wer ist Hanna?“ spricht. Die Besetzung (Eric Bana, Cate Blanchett, Martin Wuttke), die stilisierten Bilder, die Musik der Chemical Brothers, die oft angenehm altmodisch inszenierten Action-Szenen.

Aber trotzdem funktioniert „Wer ist Hannah?“, der erste Action-Film von Regisseur Joe Wright („Stolz und Vorurteil“, „Abbitte“) nicht. Denn auch wenn der Film immer wieder und überdeutlich als Märchen inszeniert ist, spielt er doch allzu erkennbar in der Gegenwart und in einem, dank geschickter Location-Wahl und kunstvoll hergerichteter Drehorte, arg schmuddeligem Berlin, das wie die schicke Version von John Carpenters „Die Klapperschlange“-Manhattan aussieht.

Und wir sollen glauben, dass ein Mädchen, das fünfzehn Jahre mit ihrem Vater Erik Heller (Eric Bana) in der finnischen Einöde, fernab von allen technischen Errungenschaften der letzten hundert Jahre, aufwuchs und von ihm zu einer Super-Kämpferin ausgebildet wurde, sich irgendwann gegen die böse CIA behaupten kann. Als Bettlektüre gibt es – Vorsicht, Symbolik! – „Grimms Märchen“. Jetzt ist die Sechzehnjährige überzeugt, dass sie alt genug ist, um den Kampf gegen die Mörderin ihrer Mutter, die CIA-Agentin Marissa Wiegler (Cate Blanchett als die böse Hexe mit Betonfrisur und viel Schminke) aufzunehmen.

Mit einem alten Funkgerät sendet sie ein Signal aus und schon holt eine Hundertschaft schwer bewaffneter Männer sie ab und fliegt sie in die geheime, unterirdische US-Hochsicherheitsanlage Camp G in Nordafrika. Sie bringt die CIA-Agentin Wiegler um (dummerweise ist es die Falsche, aber das erfährt Hanna erst viel später) und kann flüchten. Sie macht sich auf den Weg nach Berlin. Dort will sie ihren Vater wieder treffen. Wiegler und ein von ihr beauftragter tuntiger Killer, samt seinen Helfern im Skinhead-Nazi-Look, sind ihr auf den Fersen.

Auf ihrer Reise lernt Hanna, das Mädchen aus der Wildnis, verdammt schnell sich in der Gegenwart und in der lauten Großstadt zu behaupten. Das ist allerdings arg unglaubwürdig und wenn dann irgendwann erklärt wird, warum Wiegler sie umbringen will, glaubt man, dass die Macher einfach die Prämisse der Science-Fiction-TV-Serie „Dark Angel“ geklaut und in die Vergangenheit verlegt haben. Immerhin wurde das supergeheime Projekt, zu dem Hanna gehörte, Mitte der Neunziger Jahre beendet. Aber letztendlich ist das nicht mehr als ein austauschbarer MacGuffin.

Die darum gebaute, bemühte Rachestory erfüllt ihre Funktion als handlungstreibendes Element leidlich, was auch daran liegt, dass sie im Mittelteil des Films weitgehend von einem soapigen Reiseabenteuer, verknüpft mit einigen Coming-of-Age-Episoden, verdrängt wird. Denn Hanna ist bei einer supernetten englischen Familie, samt pubertierender, altkluger Tochter untergekommen.

Dazu gibt es einen leichten Jason-Bourne-Touch, viele Berlin-Bilder (und einem exzessiven Dreh im Spreepark), etwas „Aeon Flux“-Optik (vor allem wenn Hanna aus Camp G ausbricht), eine satte Portion uralter Klischees über Deutschland, tuntige Killer und Skinhead-Nazis als Mordbuben, die von Regisseur Wright bierernst präsentiert werden, und fertig ist ein klischeetriefender Film, der mit seinen zahlreichen holzhammerartigen Anspielungen auf Märchen, der gelackten Optik und den hochkarätigen Schauspielern (Oscar-Preisträgerin Cate Blanchett in einem Action-Thriller mit Knarre und im Nahkampf. Wow!!) mehr sein will als ein unlogischer, zweitklassiger Action-Film.

Aber genau das ist „Wer ist Hanna?“ letztendlich: ein B-Picture.

 

Das Bonusmaterial

 

Das Bonusmaterial ist schlichtweg enttäuschend. Die „Anatomie einer Szene“ und die entfallenen Szenen hat man nach noch nicht einmal zehn Minuten (inclusive einer Pinkelpause) gesehen. Der Audiokommentar von Joe Wright ergeht sich hauptsächlich in einer Aufzählung der Drehorte. Viel mehr erfährt man eigentlich nicht.

Wer ist Hanna? (Hanna, USA/GB/D 2011)

Regie: Joe Wright

Drehbuch: Seth Lochhead, David Farr

Musik: The Chemical Brothers

mit Saoirse Ronan, Eric Bana, Vicky Kreips, Cate Blanchett, Tom Hollander, Olivia Williams, Jason Flemyng, Martin Wuttke

DVD

Sony Pictures

Bild: 2.40:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch (5.1)

Untertitel: Englisch, Deutsch, Türkisch

Bonusmaterial: Audiokommentar von Regisseur Joe Wright (deutsch untertitelt), Alternatives Ende (1,5 Minuten), 3 Entfallene Szenen (3,5 Minuten), Anatomie einer Szene: Die Flucht aus Camp G (3 Minuten)

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Wikipedia über „Wer ist Hanna?“ (deutsch, englisch)

Film-Zeit über „Wer ist Hanna?“

Rotten Tomatoes über „Wer ist Hanna?“

The Telegraph redet mit Joe Wright über „Wer ist Hanna?“

NYMag interviewt Joe Wright

Vanity Fair tut’s auch

Und Collider hat noch eine Frage

 

 


TV-Tipp für den 8. Dezember: Babel

Dezember 8, 2011

3sat, 22.00

Babel (USA 2006, R.: Alejandro González Iñárritu)

Drehbuch: Guillermo Arriaga (nach einer Idee von Guillermo Arriaga und Alejandro González Iñárritu)

In ihrem dritten gemeinsamen Spielfilm (nach „Amores Perros“ und „21 Gramm“) verschränken Iñárritu und Arriaga wieder mehrere Geschichten miteinander. Dieses Mal erzählen sie die Geschichte eines amerikanischen Touristenpärchens in Marokko, deren Haushälterin in San Diego und einer Teenagerin in Tokio. Auch wenn die Verbindung zwischen den Geschichten etwas gewollt ist (ich sage nur Gewehr) und der Film mit 135 Minuten Laufzeit ziemlich lang ist, hat er mir im Kino gut gefallen.

„Babel“ gewann, nach der IMDB, 28 Filmpreise und war für 75 weitere Preise nominiert. Er war, unter anderem, für den Oscar und BAFTA als bester Film des Jahres nominiert und erhielt in dieser Kategorie einen Golden Globe. In Cannes gewann er drei Preise (unter anderem für die Regie) und Arriagas Drehbuch hat es auf ungefähr jede wichtige Preisliste geschafft.

Mit Brad Pitt, Cate Blanchett, Rinko Kikuchi, Elle Fanning, Gael García Bernal, Adriana Barraza

Hinweise

Film-Zeit über „Babel“

Wikipedia über „Babel“ (deutsch, englisch)

Unionsverlag über Guillermo Arriaga

Meine Besprechung von Alejandro González Iñárritus „Biutiful“


DVD-Kritik: „The Walking Dead“ – die farbige und sich bewegende Version

Dezember 7, 2011

Zombies.

Seit George A. Romeros Klassiker „Die Nacht der lebenden Toten“ wissen wir, was Zombies sind und wie sie sich bewegen.

Irgendwann in den Achtzigern verschwanden sie von der Bildfläche und kehrten erst in den vergangenen Jahren zurück in die Popkultur. In Filmen. In Büchern. Und auch in Comics. Eine der erfolgreichsten Comicserien, die in einer von Zombies bevölkerten Welt spielen, ist Robert Kirkmans „The Walking Dead“. Seit 2003 erzählt er, wie ein Gruppe Überlebender, angeführt von dem Polizisten Rick Grimes, versucht, in dieser neuen Welt zu überleben. Im Gegensatz zu einem Zombiespielfilm, der nach zwei Stunden vorbei ist, geht die Geschichte von „The Walking Dead“ endlos weiter. Damit erinnert sie mehr an eine klassische Westerngeschichte, in der Siedler sich im Wilden Westen auf den Weg zu ihrem Paradies machen und dabei viele Gefahren überstehen müssen. Die Zombies sind das Äquivalent zu den Indianern, die regelmäßig abgeschlachtet werden. Aber die größten Gefahren für den Treck gehen von Konflikten innerhalb der Gruppe und von anderen Menschen aus. In dem Comic war es über viele Hefte der durchgeknallte Gouverneur von Woodbury.

In der Verfilmung ist es in der sechsten Episode, die auch gleichzeitig das furiose Ende der ersten Staffel ist, der Wissenschaftler Dr. Edwin Jenner (Noah Emmerich) im Zentrum für Seuchenkontrolle.

Bis dahin haben die Macher der ersten Zombie-TV-Serie Rick Grimes (Andrew Lincoln) und die anderen Überlebenden bereits durch viele Abenteuer geschickt, die sich, nachdem der Anfang sich kaum von der Vorlage unterscheidet, immer weiter von ihr wegbewegt. Autor Robert Kirkman ermunterte die Macher dazu und schrieb auch das Drehbuch für die vierte Episode. Er wollte, dass die „The Walking Dead“-Fans nicht nur die verfilmte Version der Comics, sondern neue Geschichten mit den vertrauten Charakteren sehen können und sie, wie in den Comics, nicht wissen, was geschieht und wer überlebt.

Trotz der neuen Geschichten bleibt die TV-Serie der Vorlage treu. Sowohl von der Stimmung, den Themen, den moralischen Fragen, als auch von der Härte. Denn wenn in der Serie Zombies getötet werden, wird das für eine TV-Serie überraschend kompromisslos gezeigt. Auch die Zombie-Masken erfreuen das Herz des Genre-Junkies. Das macht die FSK-18-Freigabe plausibel. Obwohl „The Walking Dead“ viel mehr als hirnloses Zombie-Töten ist.

 

Das Bonusmaterial

 

Das Herzstück des umfangreichen Bonusmaterials sind das jeweils halbstündige „Making of“ und „Inside ‚The Walking Dead’“, die beide einen guten Einblick in die Produktion der Serie und, besonders in „Inside ‚The Walking Dead’“, vertiefende Informationen zu den einzelnen Episoden geben. Die restlichen vierzig Minuten Bonusmaterial bestehen aus verschieden informativen Clips. Der Zusammenschnitt des Auftrittes der „Walking Dead“-Macher bei der Comic Con ist okay, aber auch ungeschnitten im Netz zu finden. Die „Zombie Make-Up-Tipps“ geben einen kleinen Einblick in die Arbeit der Maskenbildner. Das „Extra Footage“ wurde wohl weitgehend produziert, um vor dem Serienstart den Fans kleine Appetithappen, die auf die Serie neugierig machen, aber nicht zu viel verraten sollen, zu liefern.

In den USA wurde nach der ersten Staffel überraschend Frank Darabont, der kreative Kopf hinter der ersten Staffel gefeuert. Entsprechend skeptisch waren die Fans, als die ersten Folgen der zweiten Staffel gezeigt wurde. Aber Glen Mazzara („The Shield“) scheint die Qualität zu halten.

The Walking Dead – Die komplette erste Staffel (The Walking Dead – Season 1, USA 2010)

Erfinder: Frank Darabont

LV: Comicserie von Robert Kirkman

mit Andrew Lincoln (Rick Grimes), Jon Bernthal (Shane Walsh), Sarah Wayne Callies (Lori Grimes), Laurie Holden (Andrea), Jeffrey DeMunn (Dale Horvath), Steven Yeun (Glenn), Chandler Riggs (Carl Grimes), IronE Singleton (T-Dog), Norman Reedus (Daryl Dixon), Melissa Suzanne McBride (Carol Peletier), Michael Rooker (Merle Dixon)

DVD

EntertainmentOne

Bild: 1.78:1 (16:)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial (circa 100 Minuten): The Making of „The Walking Dead“, Inside „The Walking Dead“: Episoden 1 – 6, Sneak Preview mit Robert Kirkman, Behind the Scenes: Zombie Make-Up-Tipps, Diskussionsrunde der Produzenten

Extra Footage: Zombie School, Becycle Girl, Am Set mit Robert Kirkman, Am Set mit Steven Yeun, Einblicke in Dales Campingmobil, Am Set mit Andrew Lincoln

Länge: 282 Minuten (2 DVD)

FSK: ab 18 Jahre

Die erste „The Walking Dead“-Staffel

Gute alte Zeit (Days Gone Bye)

Regie: Frank Darabont

Drehbuch: Frank Darabont

Gefangene der Toten (Guts)

Regie: Michelle MacLaren

Drehbuch: Frank Darabont

Tag der Frösche (Tell it to the Frogs)

Regie: Gwyneth Horder-Payton

Drehbuch: Charles H. Eglee, Jack LoGiudice, Frank Darabont (nach einer Geschichte von

Charles H. Eglee und Jack LoGiudice)

Vatos (Vatos)

Regie: Johan Renck

Drehbuch: Robert Kirkman

Wildfire (Wildfire)

Regie: Ernest R. Dickerson

Drehbuch: Glen Mazzara

TS-19 (TS-19)

Regie: Guy Ferland

Drehbuch: Adam Fierro, Frank Darabont

Hinweise

Offizielle „The Walking Dead“-Seite

Wikipedia über „The Walking Dead“ (deutsch, englisch)

AMC-Blog zu „The Walking Dead“

„The Walking Dead“-Fanseite

„The Walking Dead“-Wiki

Spiegel Online: Interview mit Charlie Adlard (21. Oktober 2011)

Kriminalakte: Meine Gesamtbesprechung der ersten zehn „The Walking Dead“-Bände

 Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead 11: Jäger und Gejagte“ (The Walking Dead Vol. 11: Fear the hunters)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead 12: Schöne neue Welt“ (The Walking Dead Vol. 12: Life among them)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead 13: Kein Zurück“ (The Walking Dead Vol. 13: Too far gone, 2011)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead 14: In der Falle“ (The Walking Dead Vol. 14: No way out, 2011)

Meine Besprechung von Robert Kirkman/Tony Moore/Charlie Adlard/Cliff Rathburns „The Walking Dead – Die Cover, Volume 1“ (The Walking Dead: The Covers, Vol. 1, 2010)

Kriminalakte: das Comic-Con-Panel zur TV-Serie

„The Walking Dead“ in der Kriminalakte

 

 

 


TV-Tipp für den 7. Dezember: Das Schweigen der Lämmer

Dezember 7, 2011

Kabel 1, 22.25

Das Schweigen der Lämmer (USA 1991, R.: Jonathan Demme)

Drehbuch: Ted Tally

LV: Thomas Harris: The silence of the lambs, 1988 (Das Schweigen der Lämmer)

FBI-Agentin Starling verfolgt einen Serienkiller und verliebt sich in den inhaftierten Hannibal Lecter.

Inzwischen schon ein Klassiker, der – zu Recht – etliche Oscars erhielt (Bester Film, Regie, Drehbuch, Hauptrolle). Beim wiederholten Sehen fällt auf, wie wenig von den schockierenden Ereignissen wirklich zu sehen ist – und wie konservativ die Kameraführung ist. Achten sie auf die erste Begegnung von Jodie Foster und Anthony Hopkins. Da ist keine Bewegung überflüssig, kein Schnitt zu viel und es wird sich in jeder Sekunde auf das Drehbuch und die Schauspieler verlassen.

Hitchcock hätte der Film gefallen.

Mit Jodie Foster, Anthony Hopkins, Scott Glenn, Ted Levine

Wiederholung: Freitag, 9. Dezember, 00.45 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Drehbuch „The Silence of the lambs“ von Ted Tally (2nd draft script, 28. Juli 1989)

Drehbuch „The Silence of the lambs“ von Ted Tally und Thomas Harris (final draft script)

Drehbuch „The Silence of the lambs“ von Ted Tally und Thomas Harris (undated, unspecified draft script)

Homepage von Thomas Harris

Krimi-Couch über Thomas Harris

Wikipedia über Thomas Harris (deutsch, englisch)


DVD-Kritik: Nichts ist koscher in „Alles koscher!“

Dezember 6, 2011

Mahmud Nasir (Omid Djalili) ist Moslem. Kein besonders tiefgläubiger Moslem, sondern eher der in die englische Gesellschaft voll integrierte Feiertagsmoslem, der Fundamentalisten für ziemliche Idioten hält, das auch öffentlich sagt und seine Kontakte mit der Religion auf ein Minimum beschränkt.

Aber sein Sohn Rashid will Uzma heiraten. Sie ist die Tochter des pakistanischen Hasspredigers Arshad Al-Masri. Nasir muss daher wenigstens bei dem Besuch von Al-Masri ein vorbildlicher Moslem sein. Sonst wird Al-Masri niemals die Erlaubnis für die Heirat geben.

Nasir will alles tun, um den Heiratswunsch seines Sohnes zu erfüllen. Aber beim Ausräumen der Wohnung seiner kürzlich verstorbenen Mutter erfährt Nasir, dass er adoptiert wurde. Und es kommt noch schlimmer. Denn auf dem Amt findet er heraus, dass er ein Jude ist. Nasir ist schockiert. Er schlittert gleich in eine veritable Identitätskrise und will seinen im Sterben liegenden Vater kennen lernen. Dummerweise verlangt der Rabbi, glaubhafte Nachweise für Nasirs absolut nicht vorhandenes Judentum.

Nasir bittet seinen Nachbarn, den permanent schlecht gelaunten jüdischen Taxifahrer Lenny Goldberg (Richard Schiff), mit dem er gerade einen Kleinkrieg ausfechtet, um Hilfe. Goldberg führt ihn in das Judentum ein – und Nasir bringt sich, weil er jetzt zwischen zwei Religionen hin und her springt, in immer neue Schwierigkeiten, die den Machern der warmherzigen, zu sehr auf Versöhnung bedachten Culture-Clash-Komödie die Möglichkeit für ein Feuerwerk von Pointen geben. Dabei gibt es in jeder Szene oft mehrere verbale und visuelle Pointen, wenn sich zum Beispiel die Verwaltungsangestellte als querschnittgelähmt entpuppt oder immer wieder Frauen in Burkas durch das Bild laufen.

Das hat Tempo und Witz. Und der auf der Insel als Komiker bekannte Hauptdarsteller Omid Djalili gibt dem Affen ordentlich Zucker: wenn er sich durch sein Viertel flucht, vor dem Spiegel jüdische und muslimische Mimik ausprobiert, er auf einer Pro-Palästina-Demonstration vor den anderen Demonstranten zufällig seine Kippa enthüllt oder er sich mit seinem höchst rudimentärem Wissen über das Judentum auf einer Bar Mizwa integrieren und er auf der Bühne eine Geschichte improvisieren muss. Da wird „Alles koscher!“ immer wieder zu einer Einmannshow, bei der die anderen Schauspieler zu Statisten verblassen.

Und trotzdem wünschte ich mir am Ende mehr satirische Schärfe, eine Optik, die weniger an eine TV-Sitcom (die inzwischen ja auch sehr gut aussehen) erinnert und eine weniger episodische Erzählweise. So bleibt „Alles koscher!“ eine witzige Komödie mit einem konsensfähigem Aufruf zur Toleranz am Ende des Films.

Alles koscher! (The Infidel, GB 2010)

Regie: Josh Appignanesi

Drehbuch: David Baddiel

mit Omid Djalili, Richard Schiff, Archie Panjabi, Mina Anwar, Igal Naor, Amit Shah, Soraya Radford, Matt Lucas

DVD

Senator Home Entertainment

Bild: 1:1,78 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Interviews mit David Baddiel, Josh Appagnanesi und Omid Djalili (21 Minuten), Videotagebuch mit David Baddiel (22 Minuten), Original Fake Trailer, Trailer

Länge: 101 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

(Blu-ray identisch)

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Alles koscher!“

Wikipedia über „Alles koscher!“ (deutsch, englisch)

The Jewish Chronicle: Interview mit David Baddiel

Simon O’Hare interviewt David Baddiel

The Guardian: Interview mit David Baddiel und Omid Djalili

Bonusmaterial


Cover der Woche

Dezember 6, 2011


TV-Tipp für den 6. Dezember: GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia

Dezember 6, 2011

ZDFneo, 22.00

GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia (USA 1990, R.: Martin Scorsese)

Drehbuch: Martin Scorsese, Nicholas Pileggi

LV: Nicholas Pileggi: Wiseguy, 1985 (Der Mob von innen)

Preisgekrönter und mitreisender Gangsterfilm über das Leben des Mafia-Aussteigers Henry Hill zwischen 1955 und 1980 in New York.

Bei Scorsese sind Gangster die Kehrseite des amerikanischen Traums und die Mafia keine ehrenwerte Gesellschaft, sondern eine Ansammlung von Killern, Schlägern und Betrügern.

mit Robert De Niro, Joe Pesci (Oscar als bester Nebendarsteller), Ray Liotta, Lorraine Bracco, Paul Sorvino

Wiederholung: Mittwoch, 7. Dezember, 03.40 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Wikipedia über „GoodFellas“ (deutsch, englisch)

Martin Scorsese in der Kriminalakte


DVD-Kritik: Jetzt schlägt’s 13 für Inspector Barnaby

Dezember 5, 2011

Wenn in einem deutschen Krimi eine Leiche entdeckt wird, endet die Szene meistens mit einem hysterischen Schrei. Nicht so in Midsomer, einer kleinen englischen Bilderbuchgrafschaft mit einer Mordrate, die sogar den Polizeichef einer amerikanischen Großstadt vor Neid erblassen lassen würde. Wahrscheinlich regt sich deshalb in „Nass und Tod“ niemand sonderlich über die während der Regatta sprichwörtlich auftauchende Leiche des Ehrenvorsitzenden des Ruderclubs auf. Auch Joyce Barnaby und ihre Tochter Cully nehmen den Mordfall, der ihr gemeinsames Picknick, aber nicht den Wettbewerb, unterbricht gelassen hin. Denn, so Joyce, wenn sie mit ihrem Mann einen Ausflug macht, dann ist auch der nächste Mordfall nicht weit.

Ihr Mann ist DCI Tom Barnaby, bei uns bekannt als „Inspector Barnaby“, und John Nettles spielte ihn von 1997 bis Januar 2011 in 81 TV-Filmen, die seit einigen Jahren auch bei uns im TV laufen und anschließend auf DVD erscheinen. Weil das ZDF sich bei der Ausstrahlung absolut nicht um die Chronologie kümmert, sind auch in der dreizehnten „Inspector Barnaby“-DVD-Box vier, zwischen 2001 und 2008 entstandene, Fälle enthalten. Und auch weil die Fälle alle unabhängig voneinander sind, es keine folgenübergreifenden Plots gibt und die Charaktere sich nicht verändern, ist das nicht weiter schlimm. Außerdem unterscheiden sich die altmodisch erzählten, in einer Parallelwelt spielenden Fälle qualitativ kaum.

Nur „Wenn der Morgen graut“ ist ein ziemlich lahmer Fall über den seit dem Ersten Weltkrieg hingebungsvoll gepflegten Streit zwischen zwei Soldaten-Familien, ergänzt um eine Romeo-und-Julia-Liebesgeschichte. Weil aber die Feindschaft zwischen den beiden Familien zu übertrieben dargestellt ist und alle viel zu extrovertiert ihre Abneigung ausspielen, wird „Wenn der Morgen graut“ zu einer Screwball-Comedy ohne Witz. Außerdem ist die Mordrate für einen „Inspector Barnaby“-Krimi erstaunlich niedrig ausgefallen.

Deutlich besser sind die drei anderen in der DVD-Box enthaltenen Barnaby-Fälle.

In „Die Frucht des Bösen“ mordet ein Mörder mit einer Giftspritze scheinbar wahllos seine Opfer. Denn während es für die erste Tote, eine junge Frau, die als Miethai gehasst war und vor ihrem Tod anonyme Drohungen erhielt, genug Verdächtige gibt, fragt sich Inspector Barnaby bei den nächsten Toten, was das Motiv für die Taten ist.

In „Denn du bist Staub“ glaubt DCI Barnaby, dass Dr. James Kirkwood ermordet werden soll. Für den Mord an seinem Praxiskollegen, der in Kirkwoods Auto getötet wurde, gibt es kein Motiv. Für einen Mordanschlag gegen Kirkwood dagegen schon. Denn die erwachsenen Kinder von Kirkwoods Geliebter sind mit dem neuen Freund ihrer Mutter absolut nicht einverstanden. Und dass ihre Mutter sie enterben will, setzt der ganzen Affäre die Krone auf.

Die dreizehnte „Inspector Barnaby“-Box liefert das, was der „Midsomer Murders“-Fan verlangt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Und bei meiner Besprechung von „Volume 14“ mache ich mir Gedanken darüber, was für ein Gesellschaftsbild hinter der Serie steckt. Denn wohl nirgendwo sonst wird so beiläufig mit Mord umgegangen.

Inspector Barnaby – Volume 13 (Midsomer Murders)

LV: Charaktere von Caroline Graham

mit John Nettles (DCI Tom Barnaby), Jason Hughes (DS Ben Jones, Episode 1 und 4), Daniel Casey (Sergeant Gavin Troy, Episode 2), John Hopkins (Sergeant Dan Scott, Episode 3), Jane Wymark (Joyce Barnaby), Barry Jackson (Dr Bullard), Laura Howard (Cully Barnaby)

DVD

Edel

Bild: 16:9

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0 Stereo)

Untertitel: –

Bonusmaterial: Interview mit Jane Wymark (7 Minuten)

Länge: 385 Minuten (4 spielfilmlange Fälle auf 4 DVDs)

FSK: ab 16 Jahre (wegen der Folge „Wenn der Morgen graut“; keine Ahnung was an der so schlimm ist)

Inspector Barnaby löst diese Mordfälle

Wenn der Morgen graut (Shot at Dawn, GB 2008; Staffel 11, Folge 1)

Regie: Richard Holthouse

Drehbuch: Michael Aitkens

mit Samantha Bond (die mal Miss Moneypenny in den Pierce-Brosnan-Bond-Filmen spielte), George Cole

Die Frucht des Bösen (Tainted Fruit, GB 2001, Staffel 4, Episode 6)

Regie: Peter Smith

Drehbuch: David Hoskins

Nass und tot (Dead in the Water, GB 2004, Staffel 8, Episode 2)

Regie: Renny Rye

Drehbuch: Douglas Watkinson

Denn du bist Staub (Death and Dust, GB 2007, Staffel 10, Episode 5)

Regie: Sarah Hellings

Drehbuch: Douglas Watkinson

Hinweise

ITV über Inspector Barnaby

ZDF über „Inspector Barnaby“

Wikipedia über „Inspector Barnaby“ (deutsch, englisch)

FAZ: Nina Belz trifft John Nettles (6. März 2011)

Krimi-Couch über Caroline Graham

Kaliber.38 über Caroline Graham

 Meine Besprechung von „Inspector Barnaby – Volume 12“


TV-Tipp für den 5. Dezember: Public Enemies

Dezember 5, 2011

ZDF, 22.15

Public Enemies (USA 2009: R.: Michael Mann)

Drehbuch: Ronan Bennett, Ann Biderman, Michael Mann

LV: Bryan Burrough: Public Enemies, 2004

Melvin Purvis (Christian Bale) jagt John Dillinger (Johnny Depp).

Die Version von Michael Mann.

Da waren meine Erwartungen entsprechend hoch – und sie wurden enttäuscht. Denn im Vergleich zu „Dillinger“ von John Milius mit Warren Oates als John Dillinger und Ben Johnson als Melvin Purvis ist Manns Version doch ein eher laues Lüftchen mit Starpower und einer die Atmosphäre zerstörenden Digitalkamera (wobei das allerdings auch am Kino gelegen haben kann. Denn ein Kumpel meinte, er hätte eine Vorführung gesehen, bei der Mann die Technik überwachte und die Bilder seien grandios gewesen).

spannende Genre-Bricolage“ (Lexikon des internationalen Films)

Mit Johnny Depp, Christian Bale, Marion Cotillard, Giovanni Ribisi, Billy Crudup, Stephen Dorff, James Russo, Rory Cochrane, Channing Tatum, Diana Krall

Wiederholung: Mittwoch, 7. Dezember, 00.35 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Public Enemies“

Vanity Fair: Bryan Burrough beim Dreh von „Public Enemies“ (9. Juni 2008)

Vanity Fair: Bryan Burrough sieht Johnny Depp sterben (4. Juni 2008)

Vanity Fair: Bryan Burrough über die geplante Verfilmung von „Public Enemies“ (7. März 2008)

Vanity Fair: Bryan Burrough über den Drehstart von „Public Enemies“ (6. März 2008)

„Public Enemies“ in der Kriminalakte

Und das ist der Trailer für „Dillinger“:


TV-Tipp für den 4. Dezember: Power – Weg zur Macht

Dezember 4, 2011

Tele 5, 23.55

Power – Weg zur Macht (USA 1986, R.: Sidney Lumet)

Drehbuch: David Himmelstein

Wahlkampfmanager Pete St. John übernimmt den Auftrag, einen Politneuling zum Senator von Ohio zu machen. Da erfährt er, dass sein Kunde auf der Gehaltsliste von ausländischen Konzernen steht. St. John fragt sich, ob er seinen Auftrag erfüllen soll.

Hervorragend gespielte Satire über politische Verführbarkeit sowie die suggestive Kraft, die von den Rollenbildern der Politiker ausgehen kann“, schreibt das Lexikon des internationalen Films über diesen sträflich unterschätzten und fast unbekannten Film von Sidney Lumet, der bei uns seine Premiere auf Video erlebte und alle Jubeljahre, meist zu extrem schlechten Zeiten, im Fernsehen läuft. Denn, wie immer bei Lumet, sind die Schauspieler exzellent, man erfährt etwas über unsere Gesellschaft und man wird auch noch gut unterhalten.

mit Richard Gere, Julie Christie, Gene Hackman, Kate Capshaw, Denzel Washington, E. G. Marshall, Fritz Weaver, J. T. Walsh, Michael Learned

Hinweise

Wikipedia über „Power – Weg zur Macht“

Chicago Sun Times: Roger Ebert über „Power“

New York Times: Vincent Canby über „Power“

Mein Nachruf auf Sidney Lumet

Sidney Lumet in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 3. Dezember: The Grifters

Dezember 3, 2011

Eins Festival, 22.00

The Grifters (USA 1990, Regie: Stephen Frears)

Drehbuch: Donald Westlake

LV: Jim Thompson: The Grifters, 1963 (Muttersöhnchen, Die Abzocker)

Roy Dillon schlägt sich als kleiner Trickbetrüger mehr schlecht als Recht durch. Als er an eine größere Menge Geld kommt, haben seine Freundin Mary und seine Mutter Lilly plötzlich Interesse an ihm; besonders an dem Geld.

Der potentielle Klassiker basiert auf einem der besten und düstersten Bücher von Thompson. Westlake schrieb ein grandioses Drehbuch, und das gesamte Team (es wäre wirklich unfair, eine einzelne Person herauszuheben) gab ihr bestes. „The Grifters ist ein starkes Stück Kino, ein Krimi, der seinen Alptraum formvollendet präsentiert.“ (Fischer Film Almanach)

Mit Anjelica Huston, John Cusack, Annette Bening, Pat Hingle, Charles Napier, J. T. Walsh, Xander Berkeley

Hinweise

Homepage von Donald E. Westlake

Drehbuch „The Grifters“ von Donald E. Westlake (Second Draft, März 1989)

Kriminalakte: Nachruf auf Donald E. Westlake

Kriminalakte: Covergalerie Donald E. Westlake

Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Roman „Get Real“

Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Roman „What’s so funny?“

Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Roman „Watch your back!“

Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Kurzroman „Die Geldmacher“ (Walking around money; erschienen in „Die hohe Kunst des Mordens“ [Transgressions])

Meine Besprechung von Donald E. Westlakes „Mafiatod“ (361, 1962)

Meine Vorstellung von Westlakes als Richard Stark geschriebener Parker-Serie (mit „Nobody runs forever“)

Meine Besprechung von Richard Starks Parker-Romans „Ask the Parrot“

Meine Doppelbesprechung von Richard Starks Parker-Romanen „Fragen Sie den Papagei“ (Ask the Parrot) und „Dirty Money“

Meine Besprechung des Films “The Stepfather”, nach einem Drehbuch von Donald E. Westlake

Mordlust über Jim Thompson

Crimetime über Jim Thompson

Wikipedia über Jim Thompson (Englisch)

Kirjasto über Jim Thompson

Popsubculture über Jim Thompson

Meine Besprechung der Jim-Thompson-Verfilmung „The Killer inside me“

Meine Besprechung von Jim Thompsons „Jetzt und auf Erden“ (Now and on Earth, 1942)

Jim Thompson in der Kriminalakte


Neu im Kino/FIlmkritik: Eran Riklis nimmt uns mit auf „Die Reise des Personalmanagers“

Dezember 2, 2011

Es geht auch darum, wie man durch die Toten zu leben lernt oder, besser noch – das Leben durch den Tod erst zu begreifen und zu entdecken. Ein Konzept, das ich faszinierend und außerordentlich fesselnd finde. Hier hat der Tod das Gesicht einer eindrucksvollen Frau mit dem geheimnisvollen Lächeln einer Mona Lisa – wer könnte dem widerstehen? Jedenfalls nicht der Personalmanager, genau so wenig wie ich. Also bin ich mit ihm und den anderen Komplizen auf die Reise gegangen, in der Hoffnung, dass am Ende eine bescheidene und doch bedeutende Aussage über die Conditio Humana von gestern, heute und morgen steht.

Eran Riklis über „Die Reise des Personalmanagers“

 

Das Arthaus-Publikum kennt Eran Riklis als Regisseur von „Die syrische Braut“ und „Lemon Tree“, der auf der Berlinale den Panorama-Publikumspreis erhielt. In beiden Filmen beschäftigte Riklis sich mit den Auswirkungen des Nahost-Konflikts auf gewöhnliche Menschen. In seinem neuesten Film „Die Reise des Personalmanagers“ verlässt er seine Heimat und damit auch die Probleme und Absurditäten des israelischen Alltags.

Obwohl gerade eine solche Absurdität am Anfang der „Reise des Personalmanagers“ steht.

Bei einem Selbstmordattentat starb Yulia Petracke. Erst nach einer Woche konnte ihre Leiche identifiziert werden und ein Journalist klagt Jerusalems größte Bäckerei, bei der sie angestellt war, wegen ihres menschenverachtenden Umgangs mit ihrem Personal an. Dass die Rumänin zum Zeitpunkt ihres Todes bereits lange entlassen war und nur weil der verheiratete Abteilungsleiter in sie verliebt war, weiterhin in den Büchern geführt und bezahlt wurde, kümmert den Journalisten auf der Suche nach seiner nächsten Schlagzeile wenig.

Deshalb entschließt sich die Firmenchefin, um den Ruf der Bäckerei zu retten, für eine angemessene Beerdigung zu sorgen. Dies kann allerdings nur in der Heimat von Yulia geschehen. Sie schickt ihren von dieser Aufgabe absolut nicht begeisterten Personalmanager, zusammen mit dem Journalisten und der Toten, nach Rumänien.

Auf der Reise lernt der namenlose, letztendlich grundgütige Personalmanager die Familie der Toten kennen und er erlebt einige seltsame Abenteuer. Denn bei Riklis ist der Ostblock ein wahrer Operettenostblock mit trinkfesten Einheimischen, funktionstüchtigen Panzern aus alten Militärbeständen, die mal schnell ausgeborgt werden können, einer nicht funktionierenden Technik (mit Funklöchern von der Größe der Taiga) und einer auch ohne Planwirtschaft überbordenden und nicht funktionierenden Bürokratie.

Die Reise des Personalmanagers“ wird schnell zu einem Feelgood-Film für das Arthaus-Publikum, bei dem nichts so geleckt wie in einer Hollywood-Produktion ist, es auch nicht weniger Klischees gibt, es herrlich menschelt und der etwas unbeeindruckt zurücklässt, weil „Die Reise des Personalmanagers“ einfach jedem gefallen will und damit als Konsensfilm bei Festivals natürlich für die verschiedenen Publikumspreise prädestiniert ist. Beim Filmfestival in Locarno erhielt der Film dann auch den Publikumspreis.

Immerhin gibt es im Film nichts, was wirklich verärgert, aber es gibt auch nichts was wirklich begeistert – und damit letztendlich auch keinen Grund, sich den Film anzusehen. Jedenfalls im Kino. Im Fernsehen…

Die Reise des Personalmanagers (שליחותו של הממונה על משאבי אנוש‎/Shliḥuto shel Ha’Memuneh al Mash’abey Enosh, Israel/Deutschland/Frankreich/Rumänien 2010)

Regie: Eran Riklis

Drehbuch: Noah Stollman

LV: Abraham B. Jehoshua: Die Passion des Personalbeauftragten (2006)

mit Mark Ivanier, Guri Alfi, Noah Silver, Rozina Cambos, Julian Negulesco, Bogdan Stanoevitch

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Die Reise des Personalmanagers“

Bonusmaterial

ein ausführliches Gespräch mit Eran Riklis über „Die Reise des Personalmanagers“ und den ganzen Rest


TV-Tipp für den 2. Dezember: Ein Fall für Harper

Dezember 2, 2011

ARD, 01.20

Ein Fall für Harper (USA 1966, R.: Jack Smight)

Drehbuch: William Goldman

LV: Ross MacDonald: The moving target, 1949 (Reiche sterben auch nicht anders, Das wandernde Ziel)

Privatdetektiv Lew Harper soll den verschwundenen Mann der reichen Mrs. Sampson finden.

Wenn wir von einflussreichen Privatdetektivromanautoren sprechen, darf ein Name nicht fehlen: Ross MacDonald.

Hier die kommerziell erfolgreiche Verfilmung des ersten Archer-Romans. Lew Archer heißt im Film Lew Harper. Der Grund dafür war, so Goldman im Audiokommentar zur DVD, dass MacDonald die Rechte am Namen nicht abgeben wollte. „Ein Werk nur mittlerer Qualität“ (Meinolf Zurhorst: Lexikon des Kriminalfilms)

Drehbuchautor William Goldman schreibt im lesenswerten „Das Hollywood-Geschäft“ (Adventures in the Sreen Trade, 1984) über „Ein Fall für Harper“ und die Qualität seines Drehbuchs: „Der daraus entstandene Film war übrigens aus einer Vielzahl von Gründen sehr erfolgreich, von denen ich keinen für mich verbuchen kann.“

Mit Paul Newman, Lauren Bacall, Julie Harris, Janet Leigh, Arthur Hill, Robert Wagner, Robert Webber, Shelley Winters, Strother Martin

Hinweise:

Krimi-Couch über Ross MacDonald

Thrilling Detective über Ross MacDonald

Thrilling Detective über Lew Archer

January Magazine über Ross MacDonald und Lew Archer


Neu im Kino/Filmkritik: William Monahans Ken-Bruen-Verfilmung „London Boulevard“ mit Colin Farell und Keira Knightley

Dezember 1, 2011

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass „London Boulevard“ einen deutschen Kinostart erlebt. Immerhin ist William Monahans Regiedebüt, als Verfilmung eines Krimis von Ken Bruen, ein düsterer Gangsterfilm, die Ken-Bruen-Verfilmung „Blitz“ mit Jason Statham als rücksichtslosem Sergeant Tom Brant erlebte bei uns vor wenigen Wochen nur eine DVD-Premiere und die Ken-Bruen-Verfilmung „The Guards“ mit Iain Glen als Privatdetektiv Jack Taylor (Bruens bekannterem Serienhelden) ist ein TV-Film, der bisher bei uns noch nicht gezeigt wurde und der erste von mehreren Taylor-Filmen ist.

Aber mit Colin Farrell und Keira Knightley hat Monahan zwei kassenträchtige Hauptdarsteller. In den Nebenrollen sind die auch bei uns bekannten Briten David Thewlis, Ray Winstone und Eddie Marsan dabei und Oscar-Preisträger Chris Menges übernahm die Kamera.

Das ist ein hochkarätiges Paket für die Geschichte von Mitchel (Colin Farrell), der gerade drei Jahre im Knast verbrachte und von seinem Kumpel Billy (Ben Chaplin) schon am Gefängnistor aufgefordert wird, sein altes Leben wieder aufzunehmen. Denn in der Szene hat Mitchel immer noch einen guten Namen. Sogar der Gangsterboss Gant (Ray Winstone) erblickt in ihm einen potentiellen Nachfolger.

Aber Mitchel will nicht mehr. Er will aussteigen. Seine Arbeit als Mädchen für alles bei dem öffentlichkeitsscheuen Filmstar Charlotte (Keira Knightley) sieht er als die Chance auf ein ehrliches Leben. Charlotte, die in den Filmen nicht mehr nur ein Stück Fleisch und Stichwortgeberin für die männlichen Helden sein möchte, flüchtet vor dem Ruhm und den allgegenwärtigen Paparazzi, die auch ihr Haus Tag und Nacht belagern. Bei ihr wohnt Jordan (David Thewlis), ein sich von der Welt entrückt gebendes Unikum, mit einem beträchtlichen Drogenkonsum und einigen ungeahnten Talenten.

Mitchel will die Möglichkeit, für ein ehrliches Leben wahrnehmen. Aber da sind noch seine alten Freunde und in Charlottes Haus sind einige wertvolle Gegenstände.

Schon Bruens knapper Noir „London Boulevard“ war eine Anspielung auf Billy Wilders Filmklassiker „Sunset Boulevard“ über die Beziehung eines jungen, aufstrebenden Drehbuchautors zu einer zurückgezogen lebenden, alternden Hollywood-Schönheit mit tragischem Ausgang. Auch „London Boulevard“ hat nicht unbedingt ein Happy End. Jedenfalls kein Happy End im Walt-Disney-Sinn.

Bis dahin gibt es einen fein stilisierten, coolen Retro-Gangsterfilm, der eher in den sechziger oder siebziger Jahren in London zu spielen scheint. Die Musik, die zeitlose Kleidung, die alten Häuser und die weitgehende Abwesenheit von Handys und Computern tragen zu diesem Eindruck bei. Auch stilistisch orientiert William Monahan (der Drehbuchautor von „The Departed“ und „Der Mann, der niemals lebte“) eher an „Get Carter“ und „The Long Good Friday“, zwei Klassikern des britischen Kinos, als an „Bube, Dame, König, Gras“ oder „Layer Cake“.

Die plötzlichen Gewaltausbrüche werden von Monahan mit der nötigen, altmodischen Härte gezeigt, wenn ein Kneipengespräch in einem Wutausbruch endet und niemand eingreift. Oft bedient Monahan sich auch einer elliptischen Erzählweise (die damit Bruens knappen, sarkastischen Stil ins Kino überträgt), in der er die letzten Sekunden vor dem Gewaltausbruch und die Auswirkungen zeigt.

London Boulevard“ ist definitiv einer meiner Lieblingsfilme des Kinojahres 2011.

London Boulevard (London Boulevard, USA/GB 2010)

Regie: William Monahan

Drehbuch: William Monahan

LV: Ken Bruen: London Boulevard, 2001 (London Boulevard)

mit Colin Farrell, Keira Knightley, David Thewlis, Anna Friel, Ben Chaplin, Ray Winstone, Eddie Marsan, Sanjeev Bhaskar, Stephen Graham, Ophelia Lovibond

Länge: 104 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Die Vorlage

Ken Bruen: London Boulevard

(übersetzt von Conny Lösch)

Suhrkamp, 2010

272 Seiten

8,95 Euro

Orignalausgabe

London Boulevard

The Do-Not Press, 2001

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „London Boulevard“

Wikipedia über „London Boulevard“ (deutsch, englisch)

Collider: Interview mit William Monahan (das Erste, das Zweite) und mit William Monahan und Colin Farrell zu „London Boulevard“

Homepage von Ken Bruen

Meine Besprechung von Ken Bruens Jack-Taylor-Privatdetektivromanen

Meine Besprechung von Ken Bruens „Jack Taylor fliegt raus“ (The Guards, 2001)

Meine Besprechung von Ken Bruens „Sanctuary“ (2008)

Meine Besprechung von Ken Bruen/Jason Starrs „Flop“ (Bust, 2006)

Meine Besprechung von Ken Bruen/Jason Starrs „Crack“ (Slide, 2007)

Meine Besprechung von Ken Bruen/Jason Starrs „Attica“ (The MAX, 2008)

Mein Porträt von Ken Bruen und Jason Starr in „Alligatorpapiere [Print] – Magazin für Kriminalliteratur – No. 2/2010“

Ken Bruen in der Kriminalakte

 


Neu im Kino/Filmkritik: „Brand“ verliebt sich in die falsche Frau

Dezember 1, 2011

Bereits in den ersten Minuten seines Noirs „Brand“ zeichnet Autor und Regisseur Thomas Roth („Falco – Verdammt wir leben noch!“, die „Trautmann“-Filme und mehrere „Tatorte“) ein bürgerliches Milieu, das wir aus Claude Chabrols Filmen kennen.

Brand (Josef Bierbichler) ist ein erfolgreicher Schriftsteller, der schon lange nichts mehr veröffentlicht hat, und der jetzt täglich im Krankenhaus seine im Sterben liegende Frau (Erika Deutinger) besucht. Die gefeierte Schauspielerin hat Krebs im Endstadium und Brand kann mit ihrem Sterben nur umgehen, indem er ihren Verfall fotografiert. Sie ist damit nicht einverstanden, aber sie weiß auch, dass ihr Mann nur so mit ihrem Tod umgehen kann.

Als er in einem Krankenhauszimmer eine Tote fotografiert, hört er jemand kommen. Er versteckt sich in der Dusche und beobachtet eine junge Krankenschwester, beim Verrichten ihrer Notdurft. Während dieser für ihn unglaublich peinlich-demütigenden Szene (denn Brand will sie nicht beobachten, aber er kann sich auch nicht bemerkbar machen) verliebt er sich in Angela (Angela Gregorivic). Sie erwidert seine Avancen. Immerhin ist er eine bekannte Persönlichkeit des kulturellen Lebens und sie ist zwar verheiratet, aber auch sie möchte aus ihrer Ehe flüchten. Denn ihr türkischstämmiger Mann Celik (Denis Moschitto) ist krankhaft eifersüchtig. Außerdem ist er Polizist – und das ist auch schon die größte Überraschung in dem arg minimalistischem Film, der dem altbekannten Noir-Plot, in dem ganz normaler Mann sich in die falsche Frau verliebt, einen neuen Dreh gibt. Denn in „Brand“ kann das Liebespaar von der Polizei keine Hilfe erwarten. Im Gegenteil.

Davon abgesehen bewegt sich Roth in seinem neuen Spielfilm zu sehr in den von Claude Chabrol in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder beschrittenen Pfaden. Aber während bei Chabrol die Kritik an der Bourgeoisie immer wieder von ätzendem Humor und der Lust am Demaskieren einer Gesellschaftsschicht garniert wurde, hält Roth sich zurück. Die Stimmung ist melancholisch, es wird wenig geredet, alles erscheint grau in grau und sogar der Sex ist nicht lebensbejahend. Dafür muss Brand auf dem Balkon stehend erleiden, wie seine Geliebte von ihrem Mann in ihrer Wohnung förmlich vergewaltigt wird, während Celiks Kollege, in der Einfahrt stehend, mit gutem Blick auf den Balkon, auf ihn wartet.

Wenn es mehr solcher Szenen, das Erzähltempo etwas schneller gewesen und es doch noch die eine oder andere überraschende Wendung gegeben hätte, hätte mir dieser Noir besser gefallen. So aber ist „Brand“ nur die optisch fein herausgeputzte Ösi-Variante eines durchschnittlichen Claude-Chabrol-Films.

Brand (Österreich/Deutschland 2011)

Regie: Thomas Roth

Drehbuch: Thomas Roth

mit Josef Bierbichler, Angela Gregovic, Erika Deutinger, Denis Moschitto, Karlheinz Hackl, Heribert Sasse, Manuel Ruby

Länge: 105 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Brand“


Die KrimiZeit-Bestenliste Dezember 2011

Dezember 1, 2011

Die letzte KrimiZeit-Bestenliste dieses Jahres sieht so aus:

1 (3) Deon Meyer: Rote Spur

2 (1) Kate Atkinson: Das vergessene Kind

3 (-) Don Winslow: Zeit des Zorns

4 (2) Joe R. Lansdale: Gauklersommer

5 (-) Matthias Wittekindt: Schneeschwestern

6 (-) Ulrich Ritzel: Schlangenkopf

7 (4) Heinrich Steinfest: Die Haischwimmerin

8 (9) Christian Mähr: Das unsagbar Gute

9 (-) Jo Nesbø: Die Larve

10 (6) Rainer Gross: Kettenacker

In ( ) ist die Platzierung vom Vormonat.

Na, das sieht doch wie eine kleine Einkaufsliste für den Weihnachtsmann aus. Außer Winslow und Lansdale (blindes Fantum) empfehle ich auch Horst Eckerts „Schwarzer Schwan“, Jörg Juretzkas „Freakshow“ und Lee Childs „Outlaw“ (obwohl ich diesen Reacher-Roman noch nicht zu Ende gelesen habe).

 


TV-Tipp für den 1. Dezember: Die Zärtlichkeit der Wölfe

Dezember 1, 2011

Arte, 00.05

Die Zärtlichkeit der Wölfe (D 1973, R.: Ulli Lommel)

Drehbuch: Kurt Raab

Ulli Lommels Frühwerk ist vom wahren Fall des Serienkillers Fritz Haarmann inspiriert (wobei die Geschichte, um Geld zu sparen, von den Zwanzigern in die Vierziger verlegt wurde) und mindestens der halbe Fassbinder-Clan spielte bei diesem Klassiker des Horrorfilms mit.

ein Geniestreich“ (Robert Fischer/Joe Hembus: Der Neue Deutsche Film, 1981)

in Raabs grinsendem, glatzköpfigem Unhold, gerissen, unterwürfig, mitleiderregend und doch erschreckend und voller Gier, wenn er das Blut seiner Opfer saugt, haben wir eines der überzeugendsten, menschlichen Ungeheuer des Kinos vor uns.“ (James Marriott/Kim Newman: Horror, 2006)

Dass dieser Film-Haarman sein Unwesen im Nachkriegsdeutschland treibt, alle sich misstrauen und etwas zu verbergen haben, verleiht dem Film eine zutiefst verunsichernde, düstere Stimmung. Cineasten dürfen sich an den Anspielungen auf andere Filme erfreuen.

mit Kurt Raab, Jeff Roden, Margit Carstensen, Hannelore Tiefenbrunner, Wolfgang Schenck, Rainer Werner Fassbinder, F. K. Praetorius, Rosel Zech, Ingrid Caven, Peer Raben, Irm Hermann, Jürgen Prochnow, Prigitte Mira, Peter Chatel

Wiederholung: Sonntag, 4. Dezember, 02.00 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Wikipedia über „Die Zärtlichkeit der Wölfe“ (deutsch, englisch)

Arte über „Die Zärtlichkeit der Wölfe“