Massimo Carlotto hat wieder zugeschlagen und nicht nur die angenehme Länge von 160 Seiten erinnert an die guten alten Tage, als man einen Kriminalroman locker an einem Abend lesen konnte. Es ist auch, erzählt im wunderbar lakonischen Hardboiled-Stil, die Verbindung aus gerechter Empörung über die schmutzigen Geschäfte der Mächtigen und den honorigen, aber von Anfang an zum Scheitern verurteilten Versuchen der Machtlosen, etwas dagegen zu tun, das an Jean-Patrick Manchette und die bei uns unbekannteren Vertreter des Neo-Polar erinnert. Aber auch, schließlich ist Carlotto Italiener, an die knappen Romane von Leonardo Sciascia, die gut recherchierte Gesellschaftsporträts und Anklagen gegen die Verbindung von Mafia und Staat sind. Und natürlich erinnert „Tödlicher Staub“ an die grandiosen italienischen und französischen Polit-Thriller und Gangsterfilme aus den sechziger und siebziger Jahren.
Auch Carlotto recherchierte für seinen neuen Roman „Tödlicher Staub“ ausführlich über Uranmunition, die beim Verschießen entstehenden Nanopartikel und das militärische Sperrgebiet Salto di Quirra – Capo San Lorenzo. Dabei half ihm das neunköpfige sardische Journalistenkollektiv Mama Sabot.
In der Nähe des Sperrgebiets Salto di Quirra sammelt die junge Tierärztin Nina Tola die Kadaver von verunstalteten Schafen und Ziegen ein. Sie will herausfinden, wie die im Sperrgebiet verschossene Uranmunition wirkt.
Zur gleichen Zeit wird der untergetauchte Deserteur Pierre Nazzari von zwei Polizisten erpresst. Er soll bei ihr einbrechen und sich, als Barkeeper, mit ihr befreunden. Er tut beides – und beginnt ihr, nachdem sie gemeinsam ermordet werden sollten, zu helfen.
„Tödlicher Staub“ ist ein herrlich verschachtelter, noirischer Polit-Thriller, in dem jeder nur versucht, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. Dummerweise hat niemand von ihnen mit den Faktoren Dummheit, Gier und Zufall gerechnet. Und wenn dann, in der zweiten Hälfte des Krimis, die verschiedenen Parteien sich gegenseitig erpressen, belügen und betrügen, wird es teilweise etwas unübersichtlich. Aber so ist das Leben.
„Tödlicher Staub“ ist ein feiner Krimi.
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Massimo Carlotto/Mama Sabot: Tödlicher Staub
(übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel)
Tropen, 2012
160 Seiten
14,95 Euro
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Originalausgabe
Perdas de fogu
Edizioni E/O, 2008
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Hinweise
Krimi-Couch über Massimo Carlotto
Wikipedia über Massimo Carlotto
Meine Besprechung von Massimo Carlottos „Der Flüchtling“ (Il Fuggiasco, 1994)
