Neu im Kino/Filmkritik: Bricht Georg Trakl das „Tabu“?

Inzest ist immer noch ein Tabu und auch in Deutschland verboten. Das macht die Geschwisterliebe in einem Film zu einem ungleich größerem dramatischem Treibmittel als eine normale Liebesgeschichte über eine zwischen zwei Männern stehende Frau.

Wenn dann der Inzest in der Vergangenheit spielt, als man sogar bis nach der Hochzeit auf den Geschlechtsverkehr verzichtete (jedenfalls mit der Künftigen), wird es noch dramatischer.

Und wenn dann die Liebesgeschichte an die Egos von Künstlern, die ja für ihren laxen Umgang mit bürgerlichen Konventionen bekannt sind, gekoppelt wird und diese auf dem Leben von verstorbenen Künstlern beruht, dann ist es noch interessanter. Immerhin verspricht ein solches Biopic auch einen Blick durch das Schlüsselloch.

In „Tabu“, dem neuesten Kinofilm des „Tatort“- und „Bloch“-Regisseur Christoph Stark, geht es um die Beziehung des expressionistischen Dichters Georg Trakl (1887 – 1914) zu seiner jüngeren Schwester Grete (1891 – 1917), die, am Filmanfang, am Beginn einer Karriere als Pianistin steht. Dass beide sich sehr nahe standen und Trakl sie in seinen Gedichten öfters erwähnte, ist historisch verbürgt. Aber ob sie auch Sex miteinander hatten, ist umstritten, aber eher unwahrscheinlich. In dem Film wird die Frage mit einem eindeutigen „Ja“ beantwortet, mit viel nackter Haut im Stil eines Softpornos auch gezeigt und am Ende mit einer Schwangerschaft belohnt.

Das Problem des Films ist allerdings nicht die nackte Haut oder der exzessive Drogenkonsum der Protagonisten. Georg Trakl nimmt nicht nur verschiedene Drogen, sondern besorgt auch für seine Mutter Laudanum. Es ist auch nicht der laxe Umgang mit der Historie. Schließlich nehmen Spielfilme sich oft mehr oder weniger große Freiheiten von der historischen Wahrheit, die den meisten Zuschauern nicht auffallen und sie, solange die Geschichte gut ist, auch nicht stören.

Tabu“ krankt an Christoph Starks Entscheidung, den Film absolut zeitgenössisch mit wackelnder Handkamera zu drehen. Da erinnert nichts an die formale Strenge von David Cronenbergs ebenfalls vor dem 1. Weltkrieg spielendem, ungleich gelungerem Drama „Eine dunkle Begierde“, das auch als veritable Geschichtsstunde genossen werden kann.

Auch das Spiel der Schauspieler in „Tabu“ deutet eher auf einen in der Gegenwart spielenden Film hin. Und das ist er unter den historischen Kostümen dann auch: ein typisch deutscher, teils unnötig elliptisch erzählter Problemfilm mit beziehungs- und bindungsunfähigen Charakteren, die nicht über ihre Gefühle reden können und die einen höchstens als Fallstudie einer vollkommen verkorksten Familie interessieren.

Tabu – Es ist die Seele…ein Fremdes auf Erden (Österreich/Deutschland 2011)

Regie: Christoph Stark

Drehbuch: Ursula Mauder

mit Lars Eidinger, Peri Baumeister, Rainer Bock, Rafael Stachowiak, Petra Morzé, Jules Werner

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Tabu“

Wikipedia über Georg Trakl

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