Es könnte inzwischen der gar nicht so falsche Eindruck entstehen, dass Steven Soderbergh den Herren Allen und Eastwood in punkto Produktivität nacheifert. Denn kaum hat man den einen Film gesehen, wird schon der nächste angekündigt. Dabei sieht Soderbergs neuester Film oft wie die Negation des vorherigen aus. Er wagt dabei immer wieder stilistische Experimente und er probiert der Reihe nach die Filmgenres aus.
Während „Haywire“ ein actionreicher Agententhriller war, dessen Handlung sich über den halben Globus erstreckte und seine Heldin sich von den Männern nichts vormachen ließ, wenn sie sie nicht gerade als Punchingball oder Zielscheibe benutzte, spielt „Magic Mike“ in Tampa, Florida, und dort die halbe Zeit in einer Bar, in der Männer vor Frauen strippen.
Das heißeste Pferd im Stall von Dallas (Matthew McConaughey, der sich schamlos zum Affen macht) ist der Dreißigjährige Mike (Channing Tatum, der selbst als 18/19-jähriger acht Monate Stripper war), der noch den Traum von einer eigenen Möbelschreinerei hat. Aber das Nachtleben mit Drogen und Frauen ist reizvoller. Während seiner Tagesarbeit lernt er den 19-jährigen, bei seiner älteren Schwester lebenden Slacker Adam (Alex Pettyfer) kennen, den er auch gleich in die Welt der Stripper einführt.
Adams bodenständige Schwester Brooke (Cody Horn) ist davon absolut nicht begeistert. Dennoch, oder gerade weil Brooke nicht sofort mit ihm ins Bett steigen will, verliebt Mike sich in sie und er verspricht ihr, auf ihren Bruder aufzupassen.
Steven Soderbergh inszenierte seine Variante der Geschichte vom amerikanischen Traum im semidokumentarischen New-Hollywood-Stil, bei dem die Charaktere und ihr Leben im Mittelpunkt stehen. Dabei driften die Stripper alle mehr oder weniger ziellos durch ihr Leben und ihre Komfortzonen mit den kleinen Träumen von einem eigenen kleinen Geschäft, einem Stripclub in Miami oder einfach nur etwas mühelos erworbenem Geld durch Kleindealerei und einer heißen Tanznummer. Diese zahlreichen, knallig-glamourös inszenierten Tänze zu pointiert ausgewählten Hits wie „Like a Virgin“, beim ersten Auftritt von Adam, oder „It’s raining Men“ gehören zu den optischen Höhepunkten des Films. Allerdings fällt bei dem Blick hinter die Kulissen des Striplokals auf, wie wenig glamourös, oft sogar bieder, das Leben der Stripper ist. In diesen Szenen werden die männlichen Sexsymbole dann zu Menschen mit Sorgen, Gefühlen und Ängsten.
Diesen Widerspruch zwischen Schein und Sein unterstreicht Soderbergh auch indem er die Auftritte der Stripper und deren Leben abseits des Rampenlichts verschieden inszeniert: ersteres fast schon in edler Werbefilmästhetik, letzteres schmuddelig dokumentarisch mit warmen, ausgewaschenen Farben.
Und es fällt immer wieder auf, wie prüde Hollywood inzwischen ist. Denn obwohl die ganze Geschichte im Stripper-Milieu spielt, sehen wir – was die deutsche „ab 12 Jahre“-Freigabe erklärt – nie mehr als bei einem gewöhnlichen Schwimmbadbesuch. In den USA reichte es trotzdem für ein R-Rating und die IMDB listete die schockierenden „Nacktszenen“ akribisch auf:
Magic Mike does include a lot of nudity, both male and female, however, it does not include any direct shots of genitalia, male or female. There are two shots where penis shown, but in both scenes, the penis is difficult to make out. There is quite a bit of female nudity, but only breasts and buttocks. The film also contains it’s fair share of male buttocks. (This is the main portion of the nudity section.)
Well, well, einmal habe ich sogar eine unverhüllte weibliche Brust gesehen…
Allerdings kann diese eklatante Kluft zwischen dem Versprechen auf hemmungslosen Sex und dem konsequenten Vorenthalten von entsprechenden Bildern auch ein subtiler Kommentar von Steven Soderbergh zur US-amerikanischen Bigotterie sein. Dann hätte diese züchtig erzählte Geschichte sogar einen sehr gemeinen Subtext.
Magic Mike – Die ganze Nacht (Magic Mike, USA 2012)
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Reid Carolin
mit Channing Tatum, Alex Pettyfer, Matthew McConaughey, Cody Horn, Olivia Munn, Matt Bomer, Riley Keough, Joe Manganiello, Kevin Nash, Adam Rodriguez, Gabriel Iglesias
Länge: 110 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Rotten Tomatoes über „Magic Mike“
Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Contagion“ (Contagion, USA 2011)
Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Haywire” (Haywire, USA 2011)
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