Die Bücher habe ich schon vor einigen Tagen gelesen, aber ich weiß immer noch nicht, wie ich meine Buchbesprechung beginnen soll. Denn ich hatte mir vorgenommen, „Philby – Porträt des Spions als junger Mann“ von Robert Littell und „Die Trinity-Verschwörung“ von Charles Cumming gemeinsam zu besprechen.
Immerhin sind beide Werke Spionageromane (was noch kein Grund wäre), beide spielen in England (schon eher ein Grund), sind von hochgelobten Spionageroman-Autoren (dito), beschäftigen sich mit den Cambridge Five – und das ist der Grund.
Die Cambridge Five, wie die Doppelspione genannt wurden, waren Kim Philby, Guy Burgess, Anthony Blunt, Donald Maclean und John Cairncross. Sie studierten am Trinity College der Universität Cambridge, arbeiteten bereits während des zweiten Weltkriegs für den sowjetischen Geheimdienst und teilweise für den englischen Geheimdienst. Nach dem zweiten Weltkrieg erlangten sie wichtige Positionen im Geheimdienst und Außenministerium und einer wurde Leiter der königlichen Gemäldegalerie.
Ihre Enttarnung war ein großer Geheimdienstskandal und auch heute noch sind die Namen der Cambridge Five einer breiten Öffentlichkeit als Doppelagenten (oder Trippelagenten?) bekannt.
Wenn fast zeitgleich zwei Spionageromane erscheinen, die sich mit diesem Fall beschäftigen, dann lädt das natürlich zum Vergleich ein. Auch wenn der eine Roman in der Vergangenheit, der andere in der Gegenwart spielt.
Robert Littell, hochgelobt, seit Jahren im Geschäft und immer noch viel zu unbekannt, schrieb über die Vergangenheit. In „Philby – Porträt des Spions als junger Mann“ erzählt er von Harold Adrian Russell ‚Kim‘ Philbys Jahren als junger Mann: wie er 1933 nach Wien fuhr um den dortigen Kommunisten gegen Kanzler Dollfuß zu helfen und er sich in Litzi Friedmann, eine ungarischstämmige, jüdische Kommunistin, verliebte und sie später, um sie vor der Judenverfolgung zu schützen, heiratete. Danach ging es zurück nach England, wo er zusammen mit Guy Burgess, einem homosexuellem Mitstudenten am Trinity College, die Idee hatte, als Spion für den sowjetischen Geheimdienst zu arbeiten. Aufgrund ihrer Herkunft und der damit verbundenen glänzenden Kontakte in die Oberschicht war der NKWD interessiert und Kim Philbys Rehabilitierungsprogramm begann, indem er als Times-Journalist betont deutschlandfreundlich über den spanischen Bürgerkrieg schrieb.
1940 wurde Philby, weil er ja seine jugendliche Phase als Kommunist hinter sich gelassen hatte, vom MI6 angeworben – und seine Karriere als Doppelagent begann. Wobei die Sowjets sich fragten, ob er nicht vielleicht sogar ein Trippelagent sei.
Robert Littell hielt sich, wie er im Nachwort sagt, eng an die historischen Fakten, die ja schon fantastisch genug sind, und er bietet am Ende eine Erklärung für Kim Philbys Verhalten an, die sowohl fantastisch, irrwitzig und logisch ist. Jedenfalls in der Welt der Geheimdienste, in denen jeder jeden als Falschspieler verdächtigt und Intrigen und Komplotte oft von so langer Hand vorbereitet werden, dass am Ende keiner mehr weiß, wem er noch vertrauen kann.
Anstatt diese wahre Geschichte jetzt aus einer Perspektive zu schildern oder als allwissender Erzähler die endgültige Wahrheit zu verkünden, wählte Littell einen anderen Zugang. Er lässt Kim Philbys Leben aus der Sicht von anderen Menschen, mit denen er mehr oder weniger gut vertraut war, schildern. Dabei hat nicht nur jeder Ich-Erzähler einen eigenen Blick auf Kim Philby, sondern auch auf die anderen Charaktere. Gleichzeitig führt Littell so auch auf erzählerische Ebene in die Spiegelwelt der Spione ein. Denn es ist unklar, ob eine Sicht die wahre Sicht auf Philby ist oder ob sich aus den verschiedenen Perspektiven das Bild des wahren Philby oder nur ein weiteres Trugbild entsteht.
„Philby – Porträt des Spions als junger Mann“ ist, wie auch die anderen Romane von Robert Littell, ein intellektuelles, gut zu lesendes Vergnügen.
Das kann von Charles Cummings „Die Trinity-Verschwörung“ nicht behauptet werden. In England hat er vor „Die Trinity-Verschwörung“ bereits vier und danach einen Spionage-Roman veröffentlicht. Mail on Sunday nannte ihn, den „Meister des modernen Spionageromans“. Library Journal meinte „Charles Cumming kann es jederzeit mit John le Carré aufnehmen“. Die Kirkus Reviews und die Washington Post hielten „Die Trinity-Verschwörung“ für einen der besten Thriller des Jahres. Und Hollywood hat die Filmrechte bereits gekauft; aber das macht Hollywood ja ständig. Für seinen neuesten Roman „A foreign Country“ erhielt er den CWA Ian Fleming Steel Dagger.
Und dennoch war, vor allem nach dem grandiosen „Philby – Porträt des Spions als junger Mann“, „Die Trinity-Verschwörung“ ein rechter Langweiler.
Dabei beginnt die Geschichte vielversprechend.
Der Anfang Vierzigjährige Sam Gaddis ist Uni-Professor und Russlandexperte mit einem Berg Schulden, die er mit einem Bestseller abbauen könnte. Zum Beispiel über ein bis heute unbekanntes sechstes Mitglied der legendären Cambridge Five, das sogar noch lebt.
Diese gut gepflegte Geheimdienstlegende und Verschwörungstheorie von einem sechsten Mann erhält neue Nahrung, als Gaddis von Holly Levette, einer jungen Frau, die er während einer Lesung kennen lernt, den Nachlass ihrer Mutter, die vor ihrem Tod an einer Geschichte des KGB arbeitete, erhält und seiner Freundin Charlotte Berg, die Journalistin ist und gerade an einer Reportage über den sechsten Mann der Cambridge Five arbeitet, anbietet, mit ihm ihre Rechercheergebnisse zu teilen. Am nächsten Tag hat sie, so steht es in ihrem Totenschein, einen tödlichen Herzanfall.
Gaddis beginnt mit ihren bisherigen Rechercheergebnissen nach dem sechsten Mann zu suchen. Dabei muss er, während seiner Hatz durch halb Europa, feststellen, dass jemand alle Mitwisser ausschaltet und der englische Geheimdienst eine junge Agentin, die ihm später hilft, auf ihn angesetzt hat.
Dummerweise versumpft Charles Cummings Roman nach einem verheißungsvollen Auftakt schnell in einer episodischen Reise durch halb Europa, die zwar die Seiten füllt, unseren Helden Sam Gaddis aber nicht wirklich näher an die Lösung, die dann doch erschreckend banal ist, bringt.
Außerdem, und das ist das größte Problem, von „Die Trinity-Verschwörung“, verhält Gaddis sich als Wissenschaftler absolut unvernünftig. Anstatt sich wenigstens einmal den Nachlass von Levettes Mutter anzusehen, hetzt er durch die Welt und, nachdem er einige Morde mitansehen durfte (der super effektive Killer weiß nichts von seiner Existenz) und der englische Geheimdienst (auch nicht gerade mit Geistesgrößen gesegnet) ihm mehrmals aus der Patsche geholfen hat, sieht er sich endlich, kurz vor dem Ende des Romans, den Nachlass an und – Oh, Wunder! – findet in diesen Dokumenten die Lösung.
„Die Trinity-Verschwörung“ hat einen fast schon klassischen Idiotenplot.
–
Robert Littell: Philby – Porträt des Spions als junger Mann
(übersetzt von Werner Löcher-Lawrence)
Arche, 2012
288 Seiten
19,95 Euro
–
Originalausgabe
Philby: Portrait de l’espion en jeune homme
Éditions Baker Street, Paris, 2011
–
Charles Cumming: Die Trinity-Verschwörung
(übersetzt von Walter Ahlers)
Goldmann, 2012
448 Seiten
9,99 Euro
–
Originalausgabe
The Trinity Six
Harper Collins, London, 2011
–
Hinweise
Meine Besprechung von Robert Littels „Die Söhne Abrahms“ (Vicious Circle, 2006)
Robert Littell in der Kriminalakte
Hallöchen!
Sehr schöne Webseite! Ein weiterer Tipp ist auch http://www.hilfeichbinmama.com/
[…] Meine Besprechung von Charles Cummings „Die Trinity-Verschwörung“ (The Trinity Six, 2011) […]