Auf dieses Buch habe ich lange gewartet.
Naja, fast. Denn „Im Angesicht des Fernsehens“, herausgegeben von Chris Wahl, Jesko Jockenhövel, Marco Abel und Michael Wedel beschäftigt sich zwar mit dem Regisseur Dominik Graf und analysiert auch, wie ein Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt, seine Filme:
„Ich bedauere viele Dinge“ – Interview mit Dominik Graf
Chris Wahl: Dominik Grafs Karriere als Filmemacher zwischen Kino und Fernsehen – Eine Einführung
Judith Früh: „Lächerlicher kleiner Sensibilist“ – Dominik Graf an der HFF München
Marco Abel: Sehnsucht nach dem Genre – „Die Sieger“ von Dominik Graf
Sarah Kordecki: „Das unsichtbare Mädchen“ als „ultimativer Heimatfilm“? – Von Landschaftsthrillern, Heimatkomödien und Provinzdramen
Jesko Jockenhövel: Von Morlocks und Kakadus – Deutsch-deutsche Gesellschaftspolitik in den Filmen von Dominik Graf
Michaela Krützen: „Der Fahnder“, 2011 gesehen
Felix Lenz: Urelemente und Milieu – Die Coming-of-Age-Filme von Dominik Graf
Julian Hanich: Des Knaben wunder Zorn – Über das Motiv des Vater-Sohn-Konflikts in Dominik Grafs „Der Skorpion“
Daniel Eschköter: Außer Fassung – Drei Firmen-Familien-Melodramen: „Bittere Unschuld“, „Deine besten Jahre“, „Kalter Frühling“
Brad Prager: Gegenspieler und innere Dämonen – Dominik Grafs „Im Angesicht des Verbrechens“
Chris Wahl: Stilistische Muster in den Filmen von Dominik Graf – Off-Kommentar, Zwischenbild, Freeze Frame und transparente Reflexion
Tobias Ebbrecht: Geschichte im Transit – „Bei Thea“ oder: Orte, die in die Vergangenheit hineinziehen
Laura Frahm: Urbane Archäologie – Kartografie und Geschichte in „Das Wispern im Berg der Dinge“ und „München – Geheimnisse einer Stadt“
Jaimey Fisher: „Die Ehrlichkeit der Stadt“ – Skalierungen in Dominik Grafs und Martin Gressmans „Der Weg, den wir nicht zusammen gehen“
Chris Wahl: Kommentierte Filmografie
Das sieht doch ganz gut aus. Aber die Aufsätze sind von Wissenschaftlern geschrieben, die sich um eine entsprechend dröge wissenschaftliche, aber lesbare Sprache bemühen, die Bezüge und Vergleiche in einigen Aufsätzen sind weit hergeholt und der wissenschaftlichen Praxis des Vergleichens geschuldet. Die „Kommentierte Filmographie“ ist nur eine ziemlich knapp gehaltene Filmographie. Dafür ist die Bibliographie der von Dominik Graf geschriebenen Texte angenehm umfangreich geraten. Es werden nicht nur die im Buch zitierten Texte genannt und sie dürfte alle seine publizierten Texte umfassen.
„Im Angesicht des Fernsehens“ ist insgesamt ein informatives und auch sehr lesenswertes Buch, aber mein Traumbuch über Dominik Graf würde sich an den bewährten Filmbüchern, die wir aus dem Carl Hanser Verlag, Bertz + Fischer und Heyne (vor allem die Bücher, die sich an der Hanser Reihe Film orientierten) kennen, orientieren: ein Interview mit Dominik Graf, eine Zusammenstellung von Zitaten von Dominik Graf, einige Einzelanalysen zu ausgewählten Filmen und Aspekten seines Werkes (gut, das ist „Im Angesicht des Fernsehens“ enthalten) und, das fehlt, eine kritische Vorstellung von jedem seiner Filme.
Denn im „Im Angesicht des Fernsehens“ ist ein akademisches Fanbuch, bei dem die Autoren gar nicht ernsthaft auf den Gedanken kommen, dass Graf auch einen schlechten Film inszenieren könnte. Hier reiht sich quasi ein Meisterwerk an das nächste.
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Chris Wahl/Jesko Jockenhövel/Marco Abel/Michael Wedel (Hrsg.): Im Angesicht des Fernsehens – Der Filmemacher Dominik Graf
edition text + kritik, 2012
356 Seiten
26 Euro
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Hinweise
Meine Besprechung von Dominik Grafs „Schläft ein Lied in allen Dingen“
Meine Besprechung der von Dominik Graf inszenierten TV-Serie „Im Angesicht des Verbrechens“
Dominik Graf in der Kriminalakte