Jetzt wird’s langsam etwas unübersichtlich. Denn die jetzt auf Deutsch veröffentlichte Graphic Novel „Parker“ von Darwyn Cooke hat, außer dem Helden, nichts mit der gerade im Kino gestarteten Richard-Stark-Verfilmung „Parker“ zu tun. Taylor Hackfords gelungener Film basiert nämlich auf dem Roman „Irgendwann gibt jeder auf“ (Flashfire, 2000) von Richard Stark. Darwyn Cookes Comic auf „Jetzt sind wir quitt“ (The Hunter, 1962) von Richard Stark.
In „The Hunter“ trat Parker vor über fünfzig Jahren zum ersten Mal auf und im Manuskript starb der Held auch, entsprechend den damaligen Konventionen, dass Verbrechen sich nicht lohne, am Ende. Der Verleger fragte Donald Westlake, der den Roman unter einem Pseudonym schrieb, ob am Ende Parker überleben könne. Westlake sagte „ja“ und niemand konnte damals ahnen, dass damit eine der langlebigen Serien, mit etlichen Verfilmungen, begann. „The Hunter“ wurde zweimal verfilmt: einmal grandios von John Boorman als „Point Blank“ mit Lee Marvin; einmal nicht so grandios von Brian Helgeland als „Payback – Zahltag“ mit Mel Gibson. Denn Parker ist wirklich kein liebenswerter Zeitgenosse. Er ist ein Profiverbrecher, der seine Jobs cool und effizient durchzieht. Für seine Ziele geht er skrupellos über Leichen und Darwyn Cooke zeigt auch das in seinem Comic, der dem Roman (aus der Erinnerung) sehr genau folgt.
Es beginnt mit einer doppelseitigen Ansicht von Manhattan 1962. Danach beobachten wir, wie Parker ziemlich stinkig über die George-Washington-Bridge nach Manhattan marschiert und sich einen Grundstock an Geld und Papieren zusammenklaut. Erst auf Seite 20 sehen wir zum ersten Mal sein Gesicht in einem Spiegel. Er ähnelt Jack Palance, einem heute fast vergessenem Tough-Guy-Schauspieler, der dreimal für den Oscar als bester Nebendarsteller nominiert war. Und bis er einige Seiten später Lynn ohrfeigt, erzählen die Schwarz-Weiß-Blauen, fast schon abstrakten Zeichnungen von Darwyn Cooke die Geschichte mit archaischer Wucht. Erst jetzt erfahren wir auch, was Parker nach Manhattan getrieben hat und warum er so stinkig ist: er wurde von Mal nach einem Überfall hereingelegt, um seinen Anteil an der Beute betrogen und Lynn sollte ihn, erpresst von Mal, erschießen. Fast hätte sie Erfolg gehabt.
Parker will jetzt seinen Anteil an der Beute wieder haben – und dafür legt er sich auch mit der Mafia an. Denn Mal bezahlte mit dem Geld seine Schulden bei der Mafia.
Als vor vier Jahren vertrauenswürdige Noir-Comicautoren wie Ed Brubaker „The Hunter“ in den höchsten Tönen lobten und die ersten Bilder aus dem Comic im Netz auftauchten, war ich gespannt. Immerhin schrieb und zeichnete Darwyn Cooke unmittelbar davor einige fantastische, poppig-bunte „The Spirit“-Geschichten, die absolut keine Ähnlichkeit mit dem komplett vergurkten Film haben, und die ersten Seiten sahen fantastisch aus.
Die gesamte, erst jetzt übersetzte Geschichte (sie war schon für 2011 angekündigt) hält dem Versprechen der ersten Seiten, mit ihrer vorantreibenden und sehr stimmigen Mischung aus Bild und Text, stand. „Parker“ ist ein grandioser, stilbewusster Noir-Comic, in dem Darwyn Cooke Parker so grimmig zeichnet, wie Richard Stark ihn geschrieben hat und der in dieser Geschichte skrupellos mehrere Menschen umbringt.
Darwyn Cooke schrieb bis jetzt insgesamt fünf Parker-Comics – und ich freue mich schon auf die weiteren Auftritte von dem „Mistkerl“ (Stark über Parker).
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Darwyn Cooke: Parker
(übersetzt von Stephanie Grimm)
Eichborn, 2013
144 Seiten
19,99 Euro
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Originalausgabe
Richard Stark’s Parker – The Hunter
IDW Publishing, 2009
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Vorlage
Richard Stark: The hunter, 1962 (später wurde das Buch wegen der Verfilmungen unter den Titeln „Point Blank“ und „Payback“, in Deutschland unter „Jetzt sind wir quitt“ und „Payback“, verlegt)
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Hinweise
Homepage von Donald E. Westlake
Kriminalakte: Nachruf auf Donald E. Westlake
Kriminalakte: Covergalerie Donald E. Westlake
Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Roman „Get Real“
Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Roman „What’s so funny?“
Meine Besprechung von Donald E. Westlakes Dortmunder-Roman „Watch your back!“
Meine Besprechung von Donald E. Westlakes „Mafiatod“ (361, 1962)
Meine Besprechung von Richard Starks Parker-Romans „Ask the Parrot“
Meine Besprechung von Richard Starks Parker-Roman “Irgendwann gibt jeder auf” (Flashfire, 2000)
Meine Besprechung von Taylor Hackfords Richard-Stark-Verfilmung „Parker“ (Parker, USA 2013)
Meine Besprechung des Films “The Stepfather”, nach einem Drehbuch von Donald E. Westlake
Meine Besprechung von Lax/Donald Westlakes „Hot Rock“ (Pierre qui roule, 2008, Comic)
Richard Stark in der Kriminalakte
Thrilling Detective über Parker
The Violent World of Parker (1-A-Fanseite!)
