Vor wenigen Wochen, am 14. Mai, feierte Coco Schumann seinen neunzigsten Geburtstag, was keine große Meldung wäre, wenn Schumann nicht Berliner (immerhin halten die Berliner sich dank Geburt für den Nabel des Universums), Musiker und Jude wäre. Genaugenommen Halbjude oder in der Nazi-Sprache „Geltungsjude“, weshalb er dann auch im KZ landete.
Davor, wie der schöne, aber auch etwas didaktische Comic „I got Rhythm – Das Leben der Jazzlegende Coco Schumann“ von Autorin Caroline Gille und Zeichner Niels Schröder zeigt, war er ein typischer Berliner Junge, dem vor allem die Musik in den Vergnügungslokalen gefiel und weil er schon früh seine Liebe zur Musik entdeckte, spielte er als Gitarrist in etlichen Bands mit. Beim Alter schwindelte er oft. Und nach 1933 auch bei seiner Herkunft.
1943 kam er nach Theresienstadt, dem Propaganda-KZ, in dem jüdische Künstler arbeiteten und für ausländische Besucher und den Film „Theresienstadt – Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“ (auch bekannt als „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“) immer wieder eine Charade aufgezogen wurde. Schumann war auch Mitglied der „Ghetto Swingers“, die für Gäste gute Laune verbreiten durften. 1944 kam er dann nach Auschwitz.
Diese Jahre, über die Coco Schumann lange nicht sprach, stehen auch im Zentrum von „I got Rhythm“. Sein Leben nach dem Krieg wird dann eher flott abgehandelt: er heiratete Gertraud Goldschmidt, die ebenfalls im KZ war, sie zogen 1950 nach Australien und 1954 wieder zurück nach Berlin. Während seines ganzen Lebens war Schumann Musiker, Jazzgitarrist mit einer Liebe zum Swing, der aber Unterhaltungsmusik spielte, unter anderem zusammen mit Helmut Zacharias. Also die Schlager der fünfziger und sechziger Jahre, die nichts mit den heutigen Schlagern zu tun haben. Er begleitete auch verschiedene US-Stars bei ihren Berlin-Konzerten, wie Dizzy Gillespie und Louis Armstrong, und in dem Heinz-Erhardt-Film „Witwer mit fünf Töchtern“ war er auch dabei.
Einem jüngeren Publikum wurde er 1997 bekannt, als er seine Biographie „Der Ghetto-Swinger“ und Trikont mehrere CDs unter seinem Namen veröffentlichte.
Caroline Gille und Niels Schröder erzählen dieses Leben in ihrem Comic chronologisch nach. Die Panels sind Aquarelle, die gelungen die Atmosphäre der Geschichte wiedergeben. Der Text liest sich weitgehend wie eine mit historischen Fakten angereichterter Lexikonartikel, weshalb der Comic auch gut in der Schule oder der Bildungsarbeit eingesetzt werden kann.
Das ist deutlich braver als Will Eisners biographischer Comic „Zum Herzen des Sturms“ (To the Heart of the Storm, 1992) oder Art Spiegelmans „Maus – Die Geschichte eines Überlebenden“ (Maus – A Survivor’s Tale, 1991), die sich ebenfalls mit Fragen jüdischer Identität und dem Nationalsozialismus befassen.
Aber „Ghetto-Swinger“ Coco Schumann war auch nie ein Konventionen umstürzender Musiker. Insofern ist die Beschreibung „Jazzlegende“ doch arg hoch gegriffen und „I got Rhythm“ reflektiert treffend Coco Schumanns musikalisches Ideal.
Caroline Gille/Niels Schröder: I got Rhythm – Das Leben der Jazzlegende Coco Schumann
be.bra Verlag, 2014
160 Seiten
19,95 Euro
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Hinweise
Homepage von Niels Schröder (Informatives zum Comic)
be.bra verlag über „I got Rhythm“
