Schon die ersten Minuten von „Borgman“ zeigen, das dieser Film vielleicht in den Niederlanden gedreht wurde, er aber mit Sicherheit in keinem Land spielt, das wir kennen. Denn drei Männer, angeführt von einem Priester, jagen Borgman und seine Freunde, die im Wald in unterirdischen Verstecken und Wohnungen, die sie einfach so in den Boden gegraben haben, leben. Im Gegensatz zu normalen Obdachlosen haben sie alle einen erstaunlich saubere Anzüge an (Hey, sie leben in der Erde!) und sie besitzen Handys. Eigentlich sind sie, abgesehen vom Ort ihrer Wohnung, ganz normal.
Auf ihrer Flucht trennen sie sich. Borgman sieht in einer anonymen Vorortsiedlung ein Haus, das seinen Bedürfnissen entspricht. Er klingelt, begehrt Einlass, behauptet ein alter Bekannter von Marina zu sein. Ihr Ehemann Richard verprügelt ihn. Als Richard weg ist, klingelt er wieder. Marina lässt ihn herein – und ab diesem Moment ist Borgman wie ein Hausgeist überall und nirgends in dem Haus. Später stoßen noch einige seiner Freunde, die keinen Respekt vor dem Leben ihrer Mitmenschen haben, dazu und auf eine seltsam verquere Weise wird das Leben der Hausbesitzer zu einer Hölle, aus der sie zwar jederzeit ausbrechen könnten, aber es nicht tun. Sie lassen die Eindringlinge gewähren. Bis es zu spät ist.
Regisseur und Drehbuchautor Alex van Warmerdam („Die letzten Tate der Emma Blank“) benutzt in seinem neuesten Film die Genrekonventionen, die er immer wieder unterläuft und mit absurden Momenten anreichert (wie einer umfassenden Verschönerung des Geländes, das dieses zuerst einmal vollkommen zerstört), um auf der visuellen Ebene über verdrängte Gefühle zu reden. Dabei gelingt es ihm, die Spannung zu halten und gleichzeitig viele Interpretationsmöglichkeiten für seine Geschichte anzubieten. „Borgman“ ist eine Metapher. Aber für was?
Eben diese Offenheit für viele verschiedene Interpretationen ist die große Stärke des Films über das Eindringen des Bösen und/oder des Unheimlichen und/oder des Verdrängten in eine normale Mittelstandsfamilie. Der schwarzhumorige Film erinnert daher mehr an die Werke von Luis Bunuel als an einen US-amerikanischen Home-Invasion-Thriller.
In Cannes lief „Borgman“ im Wettbewerb und, neben zahlreichen anderen Preisen, gewann er in Sitges die Maria.
Borgman (Borgman, Niederlande/Belgien 2013)
Reige: Alex van Warmerdam
Drehbuch: Alex van Warmerdam
mit Jan Bijvoet, Hadewych Minis, Jeroen Perceval, Alex van Warmerdam, Tom Dewispelaere
–
DVD
Pandastorm
Bild: 2,40:1 (16:9)
Ton: Deutsch (DTS 5.1, DD 5.1), Niederländisch, Englisch (DD 5.1)
Untertitel: Deutsch, Englisch
Bonusmaterial: Trailer, Deleted Scenes, Wendecover
Länge: 109 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
–
Hinweise
Homepage zum Film
Film-Zeit über „Borgman“
Moviepilot über „Borgman“
Metacritic über „Borgman“
Rotten Tomatoes über „Borgman“
Wikipedia über „Borgman“ (deutsch, englisch)

Fantastischer Film! Ich habe Borgman als Metapher für das unvermeidliche Zerbrechen jeder Idylle gesehen (der Garten!). Das Unbekannte, das Fremde, das in seiner Gestalt in das Leben der handelnden Personen Einzug hält, ist in Wirklichkeit tief in ihnen selbst verwurzelt (die unterirdischen Wohnungen zu Beginn deuten beispielsweise darauf hin) und äußert sich in dem, was sie tun. Aber man kann sich gar nicht sicher sein, diesen Film wirklich verstanden zu haben. Zu viele Ebenen, zu viele offenen Fragen. Ich werde ihn bestimmt noch öfters anschauen.
Ich bevorzuge ja eher die sexuelle Interpretation. Also unterdrückte Bedürfnisse, verlorene Unschuld undsoweiter.
Aber diese Offenheit ist gerade das Schöne an „Borgman“, der auch als spannender Thriller funktioniert.