Früher waren Lexika überlebensnotwendig. Der Duden und der Brockhaus standen als verlässliche Ratgeber für brenzlige Situationen, wie Hausaufgaben, in jeder Wohnung des Bildungsbürgertums. Die Encyclopaedia Britannica gab es in der gutsortierten Universitätsbibliothek. Neben den verschiedenen Jahrbüchern.
Heute gibt es das alles im Internet – und trotzdem sind die gedruckten Bücher immer noch sinnvoll. Sie halten inne, sammeln einmal im Jahr die wichtigen Dinge, zeigen Entwicklungen auf, man kann wunderschön in ihnen herumblättern und Dinge auf eine Art entdecken, die so im Netz nicht funktioniert.
Das gilt auch für die neueste Ausgabe des „Lexikon des internationalen Films“. Vom Aufbau unterscheidet es sich nicht von den vorherigen Ausgaben: im Mittelpunkt stehen Kurzkritiken aller in Deutschland 2016 erstmals im Kino, auf DVD/Blu-ray und im Fernsehen gezeigten Spielfilme und längere Dokumentarfilme. Es werden auch TV-Filme und immer mehr Serien erwähnt. Seit letztem Jahr ist auch der „Tatort“ dabei. Weil britische Serien wie „Inspector Barnaby“ und Rosamunde-Pilcher/Inga-Lindström-Verfilmungen seit Ewigkeiten besprochen werden, war diese Erweiterung überfällig. Insgesamt gibt es auf über 360 Seiten gut zweitausend Kurzkritiken. Ergänzt um zwanzig Seiten mit Kurzkritiken von DVDs und Blu-rays, die eine besonders überzeugende Ausstattung haben. Hier werden dann ältere Filme, wie „Blues Brothers“ und „Der Mann, der vom Himmel fiel“, besprochen.
Es gibt den Rückblick auf das vergangene Kinojahr, die Preisträger ausgewählter Festivals und Filmpreise, den Kinotipp der Katholischen Filmkritik (weil das „Lexikon des internationalen Films“ von der katholischen Kirche herausgeben wird), die „Sehenswert“-Empfehlungen des Filmdienst, aufgelistet auf zwei Seiten (für den schnellen Überblick), und die von der „Filmdienst“-Redaktion intern unter ihren Kritikern abgestimmte Liste der besten Filme des Kinojahres 2016. Das waren
Alles was kommt
American Honey (ein bei Preisen und Jahresbestenlisten sträflich unterschätzter Film)
Wild
Vor der Morgenröte – Stefan Zweig in Amerika
Eine gute Auswahl, aber wo bleiben „Raum“ und „Spotlight“?
Das „Special“ befasst sich dieses Jahr mit TV-Serien. Es gibt fünf vertiefende Texte und Kurzkritiken zu vierzig Serien; natürlich mit den üblichen Verdächtigen: „Boardwalk Empire“ (da muss ich mal einige Folgen am Stück sehen. Denn bis jetzt halte ich die Gangsterserie für ziemlich zäh), „Die Brücke – Transit in den Tod“, verschiedene Marvel-Serien, „The Night Manager“, „True Detective“ und „The Walking Dead“.
Für Filmfans ist die aktuelle Ausgabe des „Lexikon des internationalen Films“ selbstverständlich ein Pflichtkauf.
Die Zukunft des Lexikons ist, wie Peter Hasenberg von der Katholischen Filmkommission für Deutschland im Vorwort schreibt, allerdings ungewiss, weil die Deutsche Bischofskonferenz beschlossen hat, die Zeitschrift „Filmdienst“ ab 2018 nur noch als Online-Angebot fortzuführen. Die in ihr erscheinenden Kritiken bilden das Fundament des Lexikons. Die Zeitschrift feiert dieses Jahr ihr 70-jähriges Bestehen.
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Filmdienst/Katholische Filmkommission für Deutschland (Redaktion: Horst Peter Koll): Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2016
Schüren, 2017
544 Seiten
24,90 Euro
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Hinweise
Homepage der Zeitschrift „Filmdienst“
Meine Besprechung von „Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2008“
Meine Besprechung von „Lexikon des internationalen Films – Filmjahr 2009“
Meine Besprechung von “Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2010″
Meine Besprechung von „Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2011“
Meine Besprechung von „Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2012“
Meine Besprechung von „Lexikon des internationalen Films – Filmjahr 2013“
Meine Besprechung von „Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2014“
Meine Besprechung von „Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2015“