Neu im Kino/Filmkritik: „Downsizing“ löst nicht alle Probleme

Die Prämisse ist fantastisch und Alexander Payne, der feinfühlige Humanist des Kinos, malt die aus dieser Prämisse entstehende Welt auch äußerst detailliert aus, ohne sich dann um die wissenschaftlichen Hintergründe und Folgen zu kümmern. Eigentlich ist die Prämisse sogar vollkommen Gaga.

Denn in naher Zukunft gelingt es dem norwegischen Wissenschaftler Dr. Jorgen Asbjørnsen (Rolf Lassgård) und seinem Team Menschen auf eine Größe von zwölf Zentimetern zu schrumpfen. Mit dieser Schrumpfung verkleinert sich der Ressourcenverbrauch jedes Menschen entsprechend. Wenn, so Asbjørnsens durchaus sympathische Weltrettungsidee, genug Menschen sich schrumpfen lassen, könnten mit einem Schlag alle Probleme der Menschheit gelöst werden. Also die in puncto Umweltbelastung.

In den Jahren nachdem er seine Idee der staunenden Öffentlichkeit vorstellte, entschließen sich immer mehr Menschen, den Weg der Zellularen Miniaturisierung zu gehen. Für sie ist es ein Aufbruch in eine neue Welt. Sie lassen ihr altes Leben, die Probleme mit den Vorgesetzten und die mangelnden Aufstiegsperspektiven in ihrem Job hinter sich. Durch ihren mit einer Schrumpfung verbundenen Umzug in eine der neue geschaffenen Städte für kleine Menschen, so eine Art immersonnige Disney-Kleinstadtutopie in der Architekten ihre Utopie einer menschenwürdigen Stadt verwirklicht haben, tun sie etwas gutes für die Umwelt und ihr bisheriges Vermögen ist viel mehr wert. Während sie sich früher nur mit einer hohen Verschuldung ein kleines Reihenhaus leisten konnten, können sie jetzt in einen Palast einziehen. Weil der Palast deutlich kleiner als ihr altes Haus ist, sind auch die Baukosten deutlich niedriger. Das gleiche gilt für die Lebenshaltungskosten. Schließlich isst man weniger, trinkt weniger und auch die Heizkosten, – naja, an dem Ort, an dem „Downsizing“ größtenteils spielt, ist es die Air Conditioning – sind niedriger. Sie betragen ungefähr ein Vierzehntel des früheren Wertes.

Für Paul Safranek (Matt Damon), der schlechtbezahlte und von seiner Arbeit gelangweilte Unternehmestherapeut bei Omaha Steaks, und seine Frau Audrey (Kristen Wiig) ist daher der Umzug nach Leisureland eine Möglichkeit, aus ihrem trüben Leben auszubrechen. Vor allem, nachdem Dave Johnson (Jason Sudeikis), ein alter Freund von ihnen, der ein Downsizing hinter sich hat, ihnen in den schönsten Farben von seinem paradiesischem Leben in Leisureland erzählt.

Dummerweise entschließt sich Audrey in letzter Sekunde, als sie schon im Operationssaal ist, dagegen. Paul erfährt das erst, nachdem er geschrumpft wurde. Und die Schrumpfung kann nicht rückgängig gemacht werden.

In seinem neuen Leben lernt er neue Menschen kennen, unter anderem den immer feierwütigen serbischen Playboy-Unternehmer Dusan Mirkovic (Christoph Waltz im entspannt-menschenfreundlichen Waltz-Modus), der mit mehr oder weniger halblegalen Geschäften (Alkoholschmuggel!) prächtig verdient, sein Freund Konrad (Udo Kier) und Ngoc Lan Tran (Hong Chau), die burschikose und sehr bestimmende Anführerin der bei Dusan arbeitenden Putzkolonne, die – nun, gewisse Dinge ändern sich nie. Lan ist eine gegen ihren Willen zwangsgeschrumpfte und aus ihrem Land ausgewiesene Dissidentin, die jetzt klein und arm ist. Sie zeigt dem etwas naiven Paul ihre Welt. Er will ihr und ihren Freunden helfen.

Wer spätestens jetzt eine ätzende Sozialsatire, eine Abrechnung mit dem Kapitalismus oder eine Hinwendung zu einer Dystopie erwartet, wird enttäuscht. Nichts läge Payne und seinem Co-Drehbuchautor Jim Tayler, mit dem er, unter anderem, auch die Bücher für „About Schmidt“ und „Sideways“ schrieb, ferner. Sie malen die Welt der kleinen Menschen liebevoll und sehr detailfreudig aus. Auf die Schattenseiten oder die Gefahren gehen sie nicht ein. So musste in Jack Arnolds SF-Klassiker „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C“ (The incredible shrinking man, USA 1957) der Held, der Aufgrund einer atomaren Verstrahlung immer weiter schrumpfte, gegen die Hauskatze, Mäuse und Ungeziefer kämpfen, die ihn als Mahlzeit ansahen, und Wassertropfen wurden zu einer lebensbedrohenden Gefahr.

All diese Probleme interessieren Payne nicht. Jedenfalls nicht als lang anhaltende, das Leben bestimmende Bedrohung. Er interessiert sich für die alltäglichen Probleme seiner Charakter und ihr Leben, das nicht durch ihre Größe, sondern ihre Gefühle, ihre Wünsche und Ziele bestimmt wird. Im Mittelpunkt steht mit Paul ein typischer Payne-Charakter. Er ist ein ganz normaler Mann ohne besondere Eigenschaften oder große Ambitionen, der von seiner Frau verlassen wurde. Er will nur das Richtige tun. Deshalb hilft er Lan, in die er sich auch verliebt. Mit ihr, Dusan und Konrad begibt er sich auf die Reise nach Norwegen zur ersten Kolonie der kleinen Menschen und dem Erfinder des Schrumpfungsprozesses. In dieser Hippie-Kommune muss er eine Entscheidung über sein weiteres Leben treffen.

Am Ende ist „Downsizing“ eine liebevoll erzählte Liebesgeschichte voller liebenswerter Menschen.

Downsizing (Downsizing, USA 2017)

Regie: Alexander Payne

Drehbuch: Alexander Payne, Jim Taylor

mit Matt Damon, Kristen Wiig, Christoph Waltz, Hong Chau, Udo Kier, Jason Sudeikis, Neil Patrick Harris, Rolf Lassgård, Ingjerd Egeberg, Laura Dern

Länge: 136 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

 

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Downsizing“

Metacritic über „Downsizing“

Rotten Tomatoes über „Downsizing“

Wikipedia über „Downsizing“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Alexander Paynes „The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten“ (The Descendants, USA 2011, mit George Clooney)

Meine Besprechung von Alexander Paynes „Nebraska (Nebraska, USA 2013)

Alexander Payne in der Kriminalakte

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