Neu im Kino/Filmkritik: It’s the End of the World and – „Moonfall“ is happening

Die meisten Kritiken sind nicht sonderlich freundlich, aber ich fand „Moonfall“, den neuen Film von Roland Emmerich, überraschend gelungen. Natürlich ist es kein Meisterwerk, kein Filmkunstwerk und er wird zum Jahresende auch in keinen Jahresbestenlisten auftauchen. Die Dialoge und die Tricks sind oft schlecht. Die Story ist vollkommen gaga. Es geht darum, dass der Mond seine Umlaufbahn verlässt und auf die Erde stürzt.

Als erstes entdeckt das Dr. K. C. Houseman (John Bradley; natürlich nur ein selbsternannter Doktor und der typische dickliche Nerd). Die NASA ignoriert diese durchgeknallte, offensichtlich verrückte Witzfigur zunächst. Aber dann kann auch sie die nahende Kollision nicht mehr leugnen. Als der Chef der Weltraumbehörde das erkennt, übergibt er sofort seiner Stellvertreterin Jocinda ‚Jo‘ Fowler (Halle Berry) den Job und haut ab. Jetzt soll sie die unaufhaltsame Katastrophe verhindern oder sie gegenüber der Presse verteidigen.

Inzwischen konnte Houseman den Ex-Austronauten Brian Harper (Patrick Wilson) von seinen Berechnungen überzeugen. Ihnen gelingt es Harpers ehemalige Kollegin Fowler zu überzeugen und sie entwerfen einen Plan. Mit einem alten Space-Shuttle könnten sie zum Mond fliegen und ihn mit der Hilfe einer neuen und ultrageheimen EMP-Waffe in seine alte Umlaufbahn zurückbefördern. Damit das funktioniert, ist ein Low-Key-Technikansatz nötig.

Buchstäblich in letzter Sekunde machen sich Fowler, Harper und Houseman auf den Weg zum Mond – und in das Innere des Mondes.

Spätestens in diesem Moment lässt Emmerich alle Vernunft fahren. Und ich könnte problemlos einen Totalverriss schreiben. Und ihn mühelos mit all den Filmen garnieren, die Emmerich zitiert. Inclusive seiner eigenen Filme, aber dieses Mal ohne die Zerstörung des Weißen Hauses. Dafür befördert er ein New Yorker Wahrzeichen in die Horizontale.

Emmerich erzählt seine hanebüchene, aber auch wahnsinnig unterhaltsame Geschichte flott in zwei Stunden. Die kollektiven Plünderungen, die es nach der Nachricht von der nahenden Katastrophe gibt, werden in einem kurzen Newssegment abgehandelt; so nach der „Ihr wisst ja was passiert, daher muss ich es nicht länger ausführen“-Methode. Die Zerstörung der Welt erfolgt ebenfalls schnell, weil der Mond sich schnell der Erde nähert. Die Helden sind eine muntere Truppe. Und damit meine ich nicht nur unsere drei Mondreisenden, sondern auch deren Familien, die derweil auf der Erde um ihr Überleben kämpfen.

Moonfall“ ist Big-Budget-Blockbuster-Katastrophenkino, der auf ein möglichst großes globales Publikum zielt. Das erklärt dann auch einige Entscheidungen zur Geschichte, den Handlungsorten und der Besetzung. Deshalb setzt sich die Besetzung meist aus den größten Stars der Zielmärkte zusammen und, weil China inzwischen für Hollywood ein wichtiger Markt ist, ist inzwischen auch immer etwas für den chinesischen Markt dabei. Es sind auch immer einige Altstars dabei, die das ältere Publikum ansprechen sollen. Das ist eine von ökonomischen Gesichtspunkten diktierte Diversität, die es schon immer in Katastrophenfilmen gab.

Auch Emmerich folgt diesen Regeln. Trotzdem setzt er eigene Akzente und teilweise unterläuft er die Regeln und Sehgewohnheiten fast schon subversiv.

Es sind diese kleinen Details, die Emmerich von anderen Big-Budget-Regisseuren, wie Michael Bay, unterscheidet. So erhält Jocinda Fowler (Halle Berry) in dem Moment das Kommando, als ihr Chef (ein nicht ganz so alter weißer Mann) bemerkt, dass sich gerade eine Katastrophe anbahnt, für die er definitv nicht die Verantwortung übernehmen will. So ist Brian Harpers Ex-Frau inzwischen mit Tom Lopez (Michael Peña) verheiratet. Der Latino ist ein erfolgreicher mittelständischer Geschäftsmann und liebevoller Vater. Er ist auf den ersten und zweiten Blick ein Vorzeigebürger, der samstags sicher den Rasen vor dem Haus mäht. Die Chinesen, die bei der Mondmission mithelfen, werden nur erwähnt, aber nicht prominent ins Bild gebracht. Die Bösewichter, also die Plünderer und bewaffneten Räuber, sind durchgängig Weiße. Das Militär, das mit Atombomben den Mond gerne in seine Umlaufbahn zurückschicken würde und dafür etwaige Kollateralschäden auf der Erde in Kauf nimmt, wird an die Seitenlinie verbannt. Und das Ende, das hier nicht verraten werden soll, ist anders als erwartet.

Viele Besetzungsentscheidungen können natürlich mit dem seit Jahren erkennbaren Trend zu mehr Diversität im Blockbusterkino erklärt werden. Disney und Marvel tun es und veröffentlichen jedes Mal lange Statements darüber. Allerdings besetzte Emmerich, der als Einwanderer in die USA einen anderen Blick auf die US-amerikanische Gesellschaft als ein gebürtiger US-Amerikaner hat, schon immer so. Das bekannteste Beispiel für diese Art der Rollenbesetzung ist in „Indepence Day“ die Besetzung des Retters der Welt mit dem damaligen TV-Serienschauspieler Will Smith. Damals war das eine Rolle, die exclusiv für einen weißen Schauspieler reserviert war. Emmerich zeichnet in den Haupt- und Nebenrollen oft auch einige Klischeecharaktere anders, als man es aus anderen Blockbustern kennt. So ist der Protagonist in „The Day after Tomorrow“ ein Schüler, der in New York an einer Wissensolympiade teilnimmt und sich vor den Folgen des Klimawandels in der Bibliothek versteckt, mit einer Bibliothekarin, einem Obdachlosen und einem Büchernarr. Also den Nerds, die man so in jeder öffentlichen Bibliothek antrifft und die in einem normalen Katastrophenfilme als erste sterben.

Das sind, wie gesagt, alles Details, über die Emmerich in Interviews und im Pressematerial nicht weiter spricht und die nichts daran ändern, dass „Moonfall“ lautes Katastrophenkino ist, das Wahrscheinlichkeit, Logik, Mathematik und Physik achselzuckend ignoriert zugunsten des Versprechens, einfach zwei Stunden Spaß zu haben.

P. S.: Im Film gibt es kein „Bad Moon Rising“. Dafür wird über „Africa“ diskutiert.

Moonfall (Moonfall, USA/Kanada/China 2022)

Regie: Roland Emmerich

Drehbuch: Roland Emmerich, Harald Kloser, Spenser Cohen

mit Halle Berry, Patrick Wilson, John Bradley, Charlie Plummer, Kelly Yu, Carolian Bartczak, Eme Ikwuakor, Michale Peña, Donald Sutherland

Länge: 132 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche acebook-Seite zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Moonfall“

Metacritic über „Moonfall“

Rotten Tomatoes über „Moonfall“

Wikipedia über „Moonfall“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Roland Emmerichs „White House Down“ (White House Down, USA 2013)

Meine Besprechung von Roland Emmerichs „Stonewall“ (Stonewall, USA 2015)

Meine Besprechung von Roland Emmerichs „Independence Day: Wiederkehr (Independence Day: Resurgence, USA 2016)

Meine Besprechung von Roland Emmerichs „Midway – Für die Freiheit“ (Midway, USA 2019)

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