Neu im Kino/Filmkritik: „Morbius“, der nächste Held aus dem Marvel-Universum

Wie viele Origin-Storys sollen wir noch sehen? Dabei ist es ziemlich einerlei, ob wir zum zweiten, dritten, vierten Mal die Origin-Story von Spider-Man, Batman oder Superman sehen oder es um einen dieser vielen unbekannten, aber bei den Fans wahnsinnig beliebten DC- und Marvel-Figuren geht. Jedes Mal bekommen wir erzählt, wie der Superheld zum Superhelden wird indem er ein traumatisches Erlebnis hat, mit seinen Kräften hadert und letztendlich seine neue Verantwortung annimmt, indem er einen Bösewicht besiegt.

Das sehen wir auch in „Morbius“. Und am Ende, in den beiden Abspannszenen, wird das Schicksal von Morbius mit anderen Comicfiguren aus dem Marvel-Universum verknüpft. Für mich war das, auch wenn es aus den Comics bekannt ist, einer dieser ‚Bitte nicht!‘-Momente. Bis dahin ist „Morbius“ eine Dr.-Jekyll-und-Mr.-Hyde-Variante. Jared Leto, der zuletzt in „House of Gucci“ eine wahrlich bizarre Performance abliefert, spielt hier weitgehend zurückhaltend. Der von ihm gespielte Michael Morbius leidet an einer seltenen Blutkrankheit. Er kann sich nur mit der Hilfe von Krücken schleichend fortbewegen. Als Erwachsener wurde er zum Arzt und zwar nicht zu irgendeinem Arzt, sondern zu einem genialen Forscher, der eine Heilung für seine Krankheit sucht. Für eine seiner Entdeckungen erhält er sogar den Nobelpreis.

Als er die DNA von Fledermäusen, die er in Costa Rica in einer abgelegenen Höhle gefunden hat, mit der DNA von anderen Lebewesen kreuzt, hat er ein Heilmittel gefunden. Er probiert es flugs an sich aus. Das Experiment gelingt. Allerdings hat das Medikament zwei sehr hässliche Nebenwirkungen. Die Wirkung nimmt beständig und schnell ab. Und Morbius braucht jetzt als Nahrung Menschenblut. Er wird zu einem Vampir.

Milo, sein Freund aus Kindertagen mit der gleichen Krankheit, nimmt ebenfalls das Serum. Aber während Morbius mit seinen neuen Kräften und seiner Gier nach Blut hadert, freut Milo sich über seine neuen Kräften. Der Millionärssohn kann sich endlich ohne Krücken fortbewegen. Er kann sich alle seine Wünsche erfüllen und er ist unbesiegbar.

Letztendlich erzählt Daniel Espinosa in „Morbius“ eine klassische Dr.-Jekyll/Mr.-Hyde-Geschichte. Es geht, ganz traditionell, um einen mad scientist, der mit seinen Experimenten großes Unheil heraufbeschwört. Und, weil es um Fledermausblut geht, hat die Geschichte auch etwas von einer Dracula-Geschichte. Schließlich sind Morbius und Milo Vampire. Die aus diesen wohlvertrauten Elementen zusammengesetzte Geschichte ist eine klassische und auch sehr typische B-Picture/Pulp-Geschichte. Nur die Tricks sind aus diesem Jahrhundert. Und das wird in dem Horrorfilm zunehmend zu einem Problem. Die an Comic-Panels erinnernden CGI-Kämpfe sind nur noch im Dunkeln stattfindende Pixelbewegungen, denen jede emotionale Wucht fehlt. Das Kampfgeschehen ist einfach zu chaotisch und zu unrealistisch. Auch wenn der Gegner ein Vampir ist.

Dr. Michael Morbius ist eine Roy Thomas und Gil Kane erfundene Marvel-Figur. Sein erster Auftritt war als Bösewicht im Oktober 1971 in dem Comic „Amazing Spider-Man # 101“. Seitdem kämpfte er mal mit, mal gegen Spider-Man. In dem Film „Morbius“ wird diese Verbindung erst im Abspann deutlich. Da ist dann auch der Kurzauftritt von Michael Keaton (der aktuell in der IMDB an zweiter Stelle genannt wird), der „Morbius“ mit den Spider-Man-Filmen, dem Multiverse und dem ganzen Rest verknüpft. In dem Moment sollen wir auch, aus heiterem Himmel und im Widerspruch zum gesamten vorherigen Film, akzeptieren, dass Morbius nicht der an seinem Blutdurst leidende tragische Held ist, der Schlimmeres verhindern will, sondern eigentlich ein Bösewicht ist. Das funktioniert nicht, macht aber das Superhelden-New-York noch unübersichtlicher.

Morbius (Morbius, USA 2022)

Regie: Daniel Espinosa

Drehbuch: Matt Sazama, Burk Sharpless (nach einer von Roy Thomas und Gil Kane erfundenen Marvel-Figur)

mit Jared Leto, Matt Smith, Adria Arjona, Jared Harris, Al Madrigal, Tyrese Gibson, Michael Keaton (Cameo)

Länge: 105 Minuten

FSK: ab 12 Jahre (außer Sie haben Angst vor der Dunkelheit)

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Morbius“

Metacritic über „Morbius“

Rotten Tomatoes über „Morbius“

Wikipedia über „Morbius“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Daniel Espinosas „Sebastian Bergman – Spuren des Todes 1“

Meine Besprechung von Daniel Espinosas „Safe House“ (Safe House, USA 2012)

Meine Besprechung von Daniel Espinosas „Kind 44“ (Child 44, CZ/GB/RO/USA 2015)

Meine Besprechung von Daniel Espinosas „Life“ (Life, USA 2017)

2 Responses to Neu im Kino/Filmkritik: „Morbius“, der nächste Held aus dem Marvel-Universum

  1. […] der neuen Marvel-Origin-Story „Morbius“(ein Arzt experimentiert sich zum Vampir) starten diese Woche auch einige Filme für den […]

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