„Wolke unterm Dach“ ist jetzt nicht der schlechteste Film der Welt. Er ist kompetent gemacht. Die Schauspieler sind auch okay. Und auf einer grundlegenden Ebene stimmt auch die Dramaturgie. Am Anfang lernen Paul (kein Nachname) und Julia (kein Nachname) sich kennen. Schnell folgen in einer austauschbar-belanglosen, aber beschwingten Werbeclip-Montage glückliche Momente zu zweit, die Heirat, der Einzug in ein uriges, auch nach Jahren kaum renoviertes Haus, ein schnuckeliges Kind und der plötzliche Tod von Julia.
Danach, und darum geht es in dem Film, müssen Paul und seine Tochter Lilly mit dem Tod zurechtkommen. Das wird, locker angelehnt an die bekannten Phasen der Trauer (die damit auch den Plot liefern), erzählt. Mit etwas Humor, etwas Traurigkeit und Stimmungsschwankungen.
Das könnte ein guter Film über ein jeden irgendwann betreffendes Thema sein. Am Ende ist „Wolke unter Dach“ ein typischer deutscher Wohlfühlfilm, der schnell aus den Kinos verschwindet und noch schneller vergessen ist.
Der Grund dafür liebt, mal wieder, am Drehbuch. So wollen Regisseur Alain Gsponer und sein Drehbuchautor Dirk Ahner sich nicht entscheiden, ob sie Pauls oder Lillys Geschichte erzählen. Also erzählen sie einfach beide Trauerbewältigungen gleichberechtigt. Während Lilly Bewältigung mit der titelgebenden Wolke auf dem Dachboden und der Mutter als imaginären Freundin wenigstens in sich schlüssig ist, ist das bei Pauls Geschichte nicht so. Ihm werden ziemlich wahllos alle möglichen Probleme angedichtet. So hat er massive finanzielle Probleme. Gleichzeitig hat er in einer Klinik als Stationsleiter eine Stelle mit einem festen Gehalt, das für die Finanzierung eines Hauses ausreichen sollte. Nachdem er ein Foto entdeckt, wird er eifersüchtig auf einen mutmaßlichen Liebhaber seiner Frau. Einmal betrinkt er sich besinnungslos. Einmal demoliert er die Wohnung. Mehrmals räumt er um und hängt mit seinem Arbeitskollegen und Freund Malik ab. Er kümmert sich um Lilly. Und selbstverständlich ist er von den Hausarbeiten vollkommen überfordert und unwillig, um Hilfe zu bitten. Das ist alles wahllos zusammengeklaubt aus dem Story-Baukasten. Nichts davon wird vertieft oder konsequent zu Ende erzählt. Für die Geschichte bleiben alle diese Episoden, Probleme und Marotten ohne Folgen. Am Ende des Films wissen wir über Paul nicht mehr als am Anfang. Er wird nie zu einer glaubwürdigen dreidimensionalen Figur mit für die Filmgeschichte nachvollziehbaren und wichtigen Problemen, Sehnsüchten und Zielen. In dieser Hinsicht erfahren wir mehr über seine tote Frau Julia. Oder Julias Mutter, die mal wieder Trost in der Kirche sucht.
Wolke unterm Dach (Deutschland 2022)
Regie: Alain Gsponer
Drehbuch: Dirk Ahner
mit Frederick Lau, Hannah Herzsprung, Romy Schroeder, Barbara Auer, Kida Khodr Ramadan, Nicolette Krebitz, Reinout Scholten van Aschat
Länge: 112 Minuten
FSK: ab 12 Jahre (mit Eltern ab 6 erlaubt; – und so dürfte Lilly sich den Film ansehen)
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Hinweise
Filmportal über „Wolker unterm Dach“
Moviepilot über „Wolke unterm Dach“
Meine Besprechung von Alain Gsponers „Jugend ohne Gott“ (Deutschland 2017)