Neu im Kino/Filmkritik: „Total Thrash – The Teutonic Story“, erzählt von sympathischen älteren Männern

Für Heavy-Metal-, Thrash-Metal- und auch Rockmusikfans ist „Total Thrash – The Teutonic Story“ selbstverständlich ein Pflichtfilm, der einige Lücken im Musikwissen füllen oder wohlige Erinnerungen wecken kann.

Trotzdem hat Daniel Hofmanns Musikdoku unübersehbare Schwächen. Er zeichnet die Geschichte des deutschen Thrash Metals von seinen Anfängen, die vor allem im Ruhrgebiet in Essen lagen, bis in die Gegenwart nach. Und das ist schon ein Problem des Films. Er presst vierzig Jahre in zwei Stunden. Mit einem kurzen Ausflug in die DDR (das wäre ein Thema für eine eigene Doku), einigen Statements zu den Neunzigern (als die Fans unzufrieden mit den musikalischen Weiterentwicklungen der Bands waren und sowieso mit Grunge und Alternative nichts anfangen konnten), einigen Splittern zum aktuellen Thrash Metal und wenig erkenntnisreichen Frage-Spielen (so in Richtung „Welche Kleider hat ein Thrash-Metal-Fan an?“, „Was tut er?“ und „Was ist Thrash Metal?“). Hier wäre eine Konzentration auf einen Aspekt besser gewesen.

Gerade die bislang filmisch nicht erkundeten Anfänge des deutschen Thrash Metals mit Bands wie Tyrant (später Kreator), Sodom, Vortex, Knight of Demon, Kreator, Tankard und Destruction sind hochinteressant. Unter anderem Jürgen „Ventor“ Reil (Kreator), Thomas „Angelripper“ Such (Sodom), Peppi Dominik (Sodom), Andreas „Gerre“ Geremia (Tankard), Schmier (Destruction), Sabina Classen (Holy Moses, eine der wenigen für den Film interviewten Frauen), Andreas „Stoney“ Stein (Manager, u. a. von Kreator), Bogdan Kopec (Drakkar Entertainment), Holger Stratmann (Journalist und Mitgründer des Rock Hard Magazin) und Tamara Frankenberger und Willy Overbeck, die zu den Initiatoren der für die Bands wichtigen Zeche Carl in Essen gehören, – um nur einige wenige der vielen für den Film Interviewten zu nennen -, geben einen Einblick in die damalige Zeit, als Bands noch Musikkassetten verschickten, Plakate in Handarbeit hergestellt wurden und Auftritte am Telefon der Eltern verabredet wurden. Sowieso waren die Musiker noch sehr jung, teilweise noch nicht einmal volljährig.

Dieses erste Jahrzehnt des deutschen Thrash Metals wird in der ersten Hälfte der Dokumentation behandelt. Trotzdem hätte Hofmann noch mehr in die Tiefe gehen können. Seine Interviewpartner, teils Musiker, teils anderweitig in der Metal-Szene aktive Macher, teils Fans, wären dazu sicher bereit gewesen.

Historisch bedingt ist die weitgehende Abwesenheit von Fotos, Film- und Tonaufnahmen. Trotzdem hat Hofmann einige Bilder gefunden. Das änderte sich langsam in den Neunzigern und inzwischen dürfte es auch von der letzten Amateurband unzählige Aufnahmen geben. Auch in „Total Thrash“ sind die längeren Konzertaufnahmen neueren Datums.

Gut wäre eine stärkere Gewichtung gewesen. So wird in knapp zwei Stunden über zu viele Bands gesprochen, die teilweise nur in den Fankreisen bekannt sind. Es ist daher auch weitgehend unklar, wie wichtig sie waren und welchen Einfluss sie hatten.

Es wird auch zu vieles angesprochen, aber nie besteht die Zeit, es zu vertiefen. So geht es, immer nur wenige Minuten, auch um die Herkunft der Musiker, die politische Meinung der Bands und das Musikgeschäft. Wobei verschiedene Aspekte des Musikbusiness‘ im ersten Teil gut und auch differenziert dargestellt werden. Erst in der zweiten Hälfte kommt es zu verzichtbaren Allgemeinplätzen. Der kurze Abschnitt zu den politischen Ansichten der Bands fühlt sich wie ein Fremdkörper an. Immerhin wird hier auch auf die Plattencover verwiesen, die zuverlässig in ihrer Mischung aus hoffnungslos übertriebener Gewalt, Sex und Mittelaltermystik Eltern und Sittenwächter schockierten, und gesagt, dass es mehr um Provokation als um politische Statements ging.

Daniel Hofmann hätte sich bei den Ausschnitten aus den Interviews, die fast nur mit inzwischen schon älteren Männern geführt wurden, mehr Zeit lassen können. Gerade am Anfang gibt es eine Abfolge von Kürzeststatements, die vorbei sind, ehe man den Namen des Sprechenden und seine ‚Funktion‘ lesen kann. Das wird später besser, aber es bleibt durchgehend, wie man es aus zahlreichen US-Dokus kennt, bei kurzen Zitatschnipseln.

Trotzdem ist „Total Thrash“ ein spannender Blick in die bundesdeutsche Vergangenheit (vor allem wenn man ein gewisses Alter hat und bestimmte Orte besucht hat) und ein Stück Oral-Music-History.

Total Thrash – The Teutonic Story (Deutschland 2022)

Regie: Daniel Hofmann

Drehbuch: Daniel Hofmann

mit Jürgen „Ventor“ Reil, Thomas „Angelripper“ Such, Andreas „Gerre“ Geremia, Schmier, Andreas „Stoney“ Stein, Bogdan Kopec, Holger Stratmann, Sabina Classen, Tamara Frankenberger, Willy Overbeck

Länge: 112 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Total Thrash“

Moviepilot über „Total Thrash“

Die Kinotour läuft weiter:

Fr. 10.06.22 | Schleswig | Capitol | 19 Uhr inklusive Thrash Metal Night in der Rockpalette mit Filmemacher Daniel Hofmann & Rezet

Sa. 11.06.22 | Schwerin | Filmpalast Capitol inklusive Thrash Metal Night bei The Scotsman Pub mit Filmemacher Daniel Hofmann

So. 12.06.22 | Greifswald | CineStar | 19 Uhr inklusive Thrash Metal Night im Klex mit Filmemacher Daniel Hofmann

Mo. 13.06.22 | Berlin | Intimes | 19 Uhr inklusive Thrash Metal Night im Brutz & Brakel mit Filmemacher Daniel Hofmann, Reactory, Exa, Spacechaser, Postmortem u.v.m.

Di. 14.06.22 | Cottbus | Obenkino | 18:30 Uhr inklusive Thrash Metal Night im Muggefug mit Filmemacher Daniel Hofmann & Tormentor

Mi. 15.06.22 | Dresden | Programmkino Ost | 19 Uhr inklusive Thrash Metal Night im Skullcrusher Vereinsheim mit Filmemacher Daniel Hofmann

Do. 16.06.22 | Leipzig | Passage Kinos | 19 Uhr inklusive Thrash Metal Night im Hellraiser mit Filmemacher Daniel Hofmann & M.A.D.

Fr. 17.06.22 | Kassel | Filmladen | 18:30 Uhr inklusive Thrash Metal Night in der Goldgrube mit Filmemacher Daniel Hofmann & Mortal Terror

Sa. 18.06.22 | Ludwigsburg | Scala inklusive Thrash Metal Night im Sounds Rock Café mit DJ

So. 19.06.22 | Erfurt | Cinestar | 19 Uhr inklusive Thrash Party im From Hell mit Filmemacher Daniel Hofmann und Macbeth

Mo. 20.06.22 | Schweinfurt | KuK-Filmtheater | 19 Uhr inklusive Thrash Metal Party im Stattbahnhof mit Filmemacher Daniel Hofmann, Vendetta & Spellbound

Di. 21.06.22 | Bamberg | Lichtspiel | 18:30 Uhr inklusive Thrash Metal Night in Fässla Stub’n mit Filmemacher Daniel Hofmann & Band Wulfpäck

Mi. 22.06.22 | Nürnberg | Cinecitta | 19 Uhr inklusive Thrash Metal Party im Brown Sugar mit Filmemacher Daniel Hofmann & Mechanix

Do. 23.06.22 | München | Arena | 18 Uhr inklusive Thrash Metal Night im Flex mit Filmemacher Daniel Hofmann, Antipeewee, Hateful Agony u.v.m.

Fr. 24.06.22 | Neu-Ulm | Dietrich-Theater | 19 Uhr inklusive Thrash Metal Night im Hexenhaus Ulm mit Filmemacher Daniel Hofmann

Sa. 25.06.22 | Freiburg | Friedrichsbau Lichtspiele | 18 Uhr inklusive Thrash Metal Night mit Filmemacher Daniel Hofmann im Crash

So. 26.06.22 | Saarbrücken | Filmhaus | 18:30 Uhr mit Filmemacher Daniel Hofmann & Thrash Metal Night im kleiner Club Garage

Mo. 27.06.22 | Frankfurt am Main | Mal Sehn Kino | 18 Uhr inklusive Thrash Metal Night im Speak Easy mit Filmemacher Daniel Hofmann, Tankard & Odium

Di. 28.06.22 | Mannheim | Atlantis | 18 Uhr inklusive Thrash Metal Night im 7er Club mit Filmemacher Daniel Hofmann

Mi. 29.06.22 | Koblenz | Apollo | 18 Uhr Apollo/Odeon inklusive Thrash Metal Night im Florinsmarkt mit Filmemacher Daniel Hofmann & Fabulous Desaster

Do. 30.06.22 | Aachen | Apollo Kino | 18 Uhr inklusive Thrash Metal Night im Schlüsselloch mit Filmemacher Daniel Hofmann & Holy Moses

Fr. 01.07.22 | Köln | Filmpalast | 19 Uhr inklusive Thrash Metal Night im Redrum mit dem Filmteam & Pripjat im Rahmen der 14. Kölner Kino Nächte

Sa. 02.07.22 | Siegen | Cinestar | 18 Uhr inklusive Thrash Metal Night im Vortex mit dem Filmteam & Accuser

So. 03.07.22 | Brilon | Cineplex | 19 Uhr inklusive Thrash Metal Night im Kump mit dem Filmteam & Eradicator

Mo. 04.07.22 | Marburg | Cineplex | 19:30 Uhr Sondervorstellung in Anwesenheit von Regisseur Daniel Hofmann

Di. 19.07.22 | Bochum | Metropolis | 20:30 Uhr Sondervorstellung in Anwesenheit von Regisseur Daniel Hofmann

Mi. 20.07.22 | Gelsenkirchen | Schauburg | 20:30 Uhr Sondervorstellung in Anwesenheit von Regisseur Daniel Hofmann

Fr. 29.07.22 | Luzern (CH) | Bourbaki Kino inklusive Sonderveranstaltung im Rahmen 25 Jahre Thrasher Production/ Thrash Metal Night mit Filmemacher Daniel Hofmann, Gartenplausch und mehr

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