Neu im Kino/Filmkritik: „Three Thousand Years of Longing“ oder Du hast drei Wünsche frei

Sein bislang letzter Film war vor sieben Jahren „Mad Max: Fury Road“. Davor drehte er zwei „Happy Feet“-Filme. Und damit sind die beiden populärsten Eckpfeiler in George Millers Schaffen genannt: harte Actionfilme und liebliche Kinderfilme. Dazwischen liegen einige Filme wie „Die Hexen von Eastwick“ und „Lorenzos Öl“. Sein neuester Film „Three Thousand Years of Longing“ ist einer dieser Dazwischen-Filme.

Im Mittelpunkt steht Alithea Binnie. Die Professorin ist Gelehrte der Erzähltheorie und sie entspricht dem Klischeebild einer weltfremden Wissenschaftlerin. Betont asexuell, leicht verpeilt und am liebsten erimitär in ihrem mit Büchern gefülltem Arbeitszimmer lebend. Warum soll sie vor die Tür gehen, wenn doch alle Geschichten schon in Jahrhunderte alten und noch älteren Büchern stehen?

Als sie in Istanbul eine Konferenz besucht, entdeckt sie auf dem Bazar eine alte Glasflasche. Sie kauft sie. In ihrem Hotelzimmer öffnet sie sie zufällig und plötzlich ist ein Dschinn in ihrem Zimmer. Alithea hält diesen Riesen in ihrem Badezimmer für eine Wahnvorstellung. Sie geht mit ihr um wie ein kleines Kind: sie schließt die Augen und fordert die Erscheinung auf, sofort zu verschwinden. Aber der Dschinn verschwindet nicht. Also akzeptiert Alithea, ohne weiter zu zögern, das Wesen als real.

Schnell passt der Flaschengeist seine Größe der Zimmergröße an. Er ist immer noch groß. Aber er kann jetzt problemlos aufrecht in dem Hotelzimmer stehen, trägt einen Bademantel und spricht fließend englisch. Und er bietet ihr den altbekannten Handel an: er wird ihr drei Wünsche erfüllen. Dann erhält er seine Freiheit.

Bevor Alithea ihren ersten Wunsch äußert – auch sie kennt die vielen Geschichten von den drei Wünschen, die fatal enden und von Menschen, die von Dschinns betrogen wurden – will die Mythen erforschende Wissenschaftlerin von dem Dschinn erfahren, wie er in die Flasche gekommen ist.

Und der Dschinn erzählt erst einmal seine sich über viele Jahrhunderte erstreckende Lebensgeschichte, die er vor allem in der Flasche verbrachte.

George Miller verfilmte, nach seinem mit seiner Tochter Augusta Gore geschriebenem Drehbuch, eine Geschichte von A. S. Byatt. Nämlich „The Djinn in the Nightingale’s Eye“. Es handelt sich um eine Neuinterpretation verschiedener Märchen-Motive, die erstmals 1994 in The Paris Review erschien. Noch im gleichen Jahr wurde das Märchen zusammen mit vier anderen, sich ebenfalls mit Mythen und Märchen-Motiven beschäftigenden Kurzgeschichten in einem Buch veröffentlicht.

Die Erinnerungen des Dschinn entführen in die Welt orientalischer Märchen, die hier immer etwas anders als gewohnt erzählt werden. Denn während wir die Geschichten nur aus Tausend-und-einer-Nacht-Märchenbüchern kennen, war er dabei. Die Bilder, die Miller dazu findet, sind, thematisch passend, weitgehend vertraute Orientfantasien. Die gewählte Struktur ist dann eine Rahmenerzählung zwischen Alithea und dem Dschinn und vier eigenständigen Erzählungen, die aus den Erinnerungen des Dschinn bestehen und in denen wir die Königin von Sheba, Suleiman, Sultan Murad und Zefir, eine der Frauen eines alten Kaufmanns, kennen lernen.

Three Thousand Years of Longing“ wirkt aufgrund der gewählten Struktur wie einer dieser Omnibusfilme, in denen mehrere thematisch meist nur sehr lose miteinander verknüpfte Kurzfilme aneinandergefügt werden und die, angesichts der darin involvierten bekannten Regisseure und Schauspieler maßlos enttäuschen. In diesem Fall langweilen die Erinnerungen des Dschinn zunehmend. Sie treiben die Handlung nicht voran. Sie sind eher wie sich wiederholende Erzählungen am Lagerfeuer, die auch in irgendeiner anderen Reihenfolge präsentiert werden könnten und an die man sich schon am nächsten Abend nicht mehr erinnert. Die Beziehung zwischen Alithea und dem Dschinn bleibt eine primär intellektuelle Beziehung. Sie betrachtet ihn als Zeitzeugen, der ihr wichtige Informationen für ihre wissenschaftliche Arbeit liefern kann. Er will sie zwar verführen, ihre drei Wünsche zu äußern, aber schnell entsteht der Eindruck dass er ganz gerne seine Zeit mit dieser schrulligen Gelehrten verbringt, der er sein Leben erzählen kann.

So ist „Three Thousand Years of Longing“ angesichts der vorab bekannten Bilder, des Plakats und der Besetzung – Tilda Swinton spielt die Wissenschaftlerin, Idris Elba den Flaschengeist – eine Enttäuschung. Zu lange plätschert der Film vor sich hin bis zu dem dann doch vorhersehbarem Ende. Denn Alithea ist, und das wissen wir schon von ihrer ersten Begegnung mit dem Flaschengeist, viel zu intelligent für drei profane und letztendlich für sie schon auf den ersten Blick verhängnisvolle Wünsche.

Three Thousand Years of Longing (Three Thousand Years of Longing, USA/Australien 2022)

Regie: George Miller

Drehbuch: George Miller, Augusta Gore

LV: A. S. Byatt: The Djinn in the Nightingale’s Eye, 1994 (Der verliebte Dschinn)

mit Tilda Swinton, Idris Elba, Aamito Lagum, Nicolas Mouawad, Ece Yüksel, Matteo Bocelli, Lachy Hulme

Länge: 109 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Die Vorlage (die Neuauflage zum Filmstart erscheint am 12. September)

Antonia S. Byatt: Der verliebte Dschinn

(übersetzt von Melanie Walz)

Insel Taschenbuch, 2022

160 Seiten

11 Euro

Hinweise

Moviepilot über „Three Thousand Years of Longing“

Metacritic über „Three Thousand Years of Longing“

Rotten Tomaotes über „Three Thousand Years of Longing“

Wikipedia über „Three Thousand Years of Longing“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von George Millers „Mad Max: Fury Road“ (Mad Max: Fury Road, Australien/USA 2015)

3 Responses to Neu im Kino/Filmkritik: „Three Thousand Years of Longing“ oder Du hast drei Wünsche frei

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