Neu im Kino/Filmkritik: Klassiker, erstmals im Kino: Shinji Somais „Typhoon Club“

Als „Typhoon Club“ 1985 seine Premiere beim Tokyo International Film Festival hatte, wurde er mit dem Hauptpreis, dem Tokyo Grand Prix, ausgezeichnet. Nach einer Umfrage von „Kinema Junpo“, Japans ältestem Filmmagazin, ist „Typhoon Club“ der zehntbeste japanische Film aller Zeiten. „Drive my Car“-Regisseur Ryusuke Hamaguchi wählte diesen Film 2023 für die Berlinale-Retrospektive „Coming of Age“ aus.

Und trotzdem sind Regisseur Shinji Somai und sein Film „Typhoon Club“ in Deutschland fast unbekannt. Der eine Grund könnte sein, dass Somai 2001 im Alter von 53 Jahren starb. Ein anderer, dass seine 13 vollendeten Filme, abseits von einigen wenigen Festivalvorführungen, nicht in unseren Kinos liefen. „Typhoon Club“ erlebte seine deutsche Premiere im Mai 1987 in der ARD als „Taifun Club“. Dabei sind die präzise kombinierten Bilder und die langsame Erzählweise des Films für das Kino gemacht.

Dorthin bringt Rapid Eye Movies den Film jetzt in seiner ersten regulären Kinoauswertung.

Somai erzählt fünf Tage aus dem Leben einiger pubertierender Jugendlicher, die die Oberstufe besuchen und für Prüfungen lernen müssen, und eines jungen Lehrers. Sie leben in Japan in der Provinz. Regelmäßige Abläufe, wie der tägliche Gang zur Schule, und das schwüle Sommerwetter bestimmen ihre Tage.

Am vierten Tag entlädt sich ein Taifun über dem Ort. Durch eine nicht weiter erwähnswerte Verkettung von Umständen bleiben einige Schüler, während der Taifun draußen tobt, in der Schule. Sie nutzen die Zeit für Körpererkundungen und zum Feiern und Tanzen.

Regisseur Somai zeigt das in meist starren und langen, ungeschnittenen Szenen. Oft nimmt er seine Schauspieler, wie Yasujirō Ozu, von leicht unten auf. Es gibt einige wenige, sehr durchdachte Kamerafahrten, die auch nur selten durch einen Schnitt unterbrochen werden. Das macht die enthemmten Tanzszenen, bevorzugt zu Reggae, mitreisend. Die Verfolgung und Vergewaltigung einer Schülerin durch einen Klassenkameraden verstörend. Noch verstörender ist, dass die Vergewaltigung danach nicht wieder angesprochen wird. Die Kamera beobachtet, wie die überwiegend jungen Schauspieler ihre Figuren mit Leben erfüllen. Die Interpretationen überlässt er dem Zuschauer.

Viel Story entwickelt sich aus diesem Ansatz nicht, aber viel Atmosphäre und ein neugierig-vorurteilsfreier Blick auf die für eine Nacht ohne Erwachsene eingesperrten Schüler.

Rapid Eye Movies bringt „Typhoon Club“ in der fantastisch aussehenden restaurierten 4K-Fassung in der Originalfassung mit deutschen Untertitel in die Kinos. 

Typhoon Club (Taifū kurabu, Japan 1985)

Regie: Shinji Somai

Drehbuch: Yuji Kato

mit Yuichi Mikami, Yuki Kudo, Shigeru Benibayashi, Yuka Onishi, Tomoko Aizawa, Ryuko Tendo, Toshiyuki Matsunaga, Yuriko Fuchizaki, Tomokazu Miura

Länge: 115 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

auch bekannt als „Taifun Club“ (TV-Titel)

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Typhoon Club“

Metacritic über „Typhoon Club“

Rotten Tomatoes über „Typhoon Club“

Wikipedia über „Typhoon Club“ und Shinji Somai (deutsch, englisch)

BFI über Shinji Somai

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