Neu im Kino/Filmkritik: Über den Horrorfilm „Late Night with the Devil“

Wenn in Archiven gestöbert wird, tauchen manchmal unbekannte, aber ausgezeichnete Aufnahmen auf (ich sage nur John Coltrane) oder gern von allen Beteiligten vergessenes (wie dieses „Star Wars Holiday Special“ von 1978), oder der Mitschnitt einer katastrophal aus dem Ruder gelaufenen Talkshow. Jedenfalls wird das am Anfang von „Late Night with the Devil“ gesagt.

Es geht um die 1977er Halloween-Show von „Night Owls with Jack Delroy“. Jack Delroy war damals ein Late-Night-Host, dessen Show mit Quotenproblemen zu kämpfen hat; was eine freundliche Umschreibung für „der Sender überlegt, ob er die Show aus dem Programm streicht“ ist. Außerdem ist Delroy immer noch in Trauer über den erst einen Monat zurückliegenden qualvollen Tod seiner Frau. Die Halloween-Show soll die Wende bringen. Dafür sind, passend zum Sendeabend, dem allgemeinen Interesse an Okkultem, Übernatürlichem und, nach den Kinohits „Der Exorzist“ und „Das Omen“, vom Teufel besessenen Kindern, Gäste eingeladen, die etwas zu dem Thema des Abends sagen können. Es sind ein Hellseher, ein junges, von einem Dämon besessenes Mädchen, ihre Vertrauensperson, die einen Bestseller über diesen Fall schrieb, und ein den gesamten Hokuspokus ablehnender Experte für Paranormales.

Ziemlich schnell wird der geplante Ablauf von unvorhergesehenen Ereignissen gestört. Möglicherweise ist der Teufel als nicht eingeladener Gast dabei. Oder es handelt sich nur um einen weiteren Fall von kollektivem Wahn, der dieses mal allerdings von Kameras aufgezeichnet wird.

Mit „Late Night with the Devil“ haben die australischen Brüder Cameron und Colin Cairnes einen Found-Footage-Horrorfilm gedreht, der am Ende seine Prämisse verrät. Das führt zu einem ziemlich durchgedrehtem Finale und ermöglicht es ihnen, einige der vorher im Film geschehenen Ereignisse und Motive des Gastgebers und der Talkshow-Gäste zu erklären. Ob man diese Entscheidung jetzt gut oder schlecht findet, ist Geschmacksache. Mich störte sie nicht. Im Gegentei: sie gefiel mir und befriedigte mich mehr als das alles offen lassende Ende von „The Blair Witch Project“, der Mutter aller Found-Footage-Horrorfilme.

Bis zum Finale erfreut der Horrorfilm der Cairnes-Brüder mit seiner gelungenen Rekonstruktion einer Late-Night-Show aus den siebziger Jahren und dem ebenso gelungenem Spiel mit, vor allem, 70er-Jahre-Horrorklischees und dem damaligen kollektiven Wahn vor teuflischen Besessenheiten. Das liegt an dem guten Drehbuch, der souveränen Regie, den unbekannten, aber guten Schauspielern (David Dastmalchian, der den Gastgeber Jack Delroy spielt, ist der bekannteste Name im Ensemble und auch ihn dürften nur die Menschen kennen, die sich in Blockbustern für jeden Nebendarsteller interessieren), der die 70er Jahre heraufbeschwörenden Ausstattung und der benutzten Technik. Die Cairnes-Brüder entschlossen sich, einfach die in damaligen Talkshows übliche Technik zu verwenden und die Schauspieler spielen zu lassen. In einer Live-Talkshow gibt es ja auch keine Schnitte, sondern nur Werbepausen, in denen hektisch das Make-Up des Moderators erneuert wird, Absprachen getroffen werden und, nach Bedarf, auf- und umgeräumt wird.

Schon jetzt ist „Late Night with the Devil“ einer der besten Horrorfilme des Jahres. Das Regieduo beschreibt ihn zutreffend als „unsere alptraumhafte Ode an die Talkshows und Horrorfilme der 70er Jahre“.

Late Night with the Devil (Late Night with the Devil, Australien/USA/Vereinigte Arabische Emirate 2023)

Regie: Cameron Cairnes, Colin Cairnes

Drehbuch: Cameron Cairnes, Colin Cairnes

mit David Dastmalchian, Laura Gordon, Ian Bliss, Fayssal Bazzi, Ingrid Torelli, Rhys Auteri, Georgina Haig, Josh Quong Tart, Michael Ironside (Erzähler)

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Late Night with the Devil“

Metacritic über „Late Night with the Devil“

Rotten Tomatoes über „Late Night with the Devil“

Wikipedia über „Late Night with the Devil“ (deutsch, englisch)

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