Neu im Kino/Filmkritik: „Niemals allein, immer zusammen“ protestieren für eine bessere Zukunft

Sie sind jung. Sie sind radikal links. Sie engagieren sich in Berlin in verschiedenen Bewegungen für eine bessere, eine gerechtere Welt. Sie sind miteinander befreundet und Joana Georgi begleitet sie für ihren Dokumentarfilm „Niemals allein, immer zusammen“ ein Jahr lang.

Der Film beginnt im Januar 2022. Bei einem Abendessen treffen sich die fünf Protagonisten des Films. Es sind Feline, Quang Paasch, Patricia Machmutoff, Simin Jawabreh und Zaza. Teils kennen sie sich schon länger, teils wurden sie von Georgi für den Film zu ihrem idealen Cast zusammengestellt.

Die alleinerziehende Mutter Feline backt Kuchen für Menschen, die sich keine leisten können, und versucht ihre Tochter antirassistisch zu erziehen. Quang Paasch engagiert sich in Fridays for Future, gehört zum radikalen Teil der Bewegung und er bezeichnet sich als Sozialist. Patricia Machmutoff engagiert sich bei „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Simin Jawabreh ist Kommunistin und engagiert sich unter anderem für die Abschaffung der Polizei. Der neunzehnjährige Zaza engagiert sich in der Krankenhausbewegung. Er ist der Jüngste in der Gruppe. Die anderen sind etwas älter.

Neben ihrem Schwerpunktthema wollen sie auch die gesamte Gesellschaft verändern.

Nach dem gemeinsamen Abendessen widmet Georgi jedem ihrer fünf Protagonisten ein eigenes Kapitel, in dem sie über sich reden und Demonstrationen besuchen. So sollen wir sie besser kennen lernen.

Das funktioniert nur sehr begrenzt. Wenn sie zusammen sind und sich austauschen, wirken die Gespräche wie peinliche Kennenlern-Spiele, in denen sie sich anhand von vorgegebenen Stichworten an bestimmten Themen abarbeiten. Sie reden nicht miteinander, sondern für ein in dem Moment abwesendes Publikum. Es sind Pseudo-Gespräche. Wenn sie dann allein sind und über sich und ihr Engagement reden, hört sich das immer wie eine Ansammlung vorher aufgeschriebener Statements und Plattitüden an. Georgi zeigt sie immer nur in Bezug zu ihrer politischen Arbeit. Alles andere wird ausgeblendet. Sie haben keine Familie, keine anderen Freunde oder einen Partner. In einem Spielfilm wären sie eindimensionale Figuren. Auch die Bewegungen, in denen sie sich aus einer explitzit linken Position irgendwo zwischen der Partei Die Linke und noch weiter links engagieren, bleiben blass. Auf einer Demonstration halten sie eine flammende Rede oder sie posten ein TikTok-Video, aber sie diskutieren nicht über ihre Position. Weder mit anderen Aktivisten, noch mit Menschen, die ihre Positionen hinterfragen. Widersprüche zwischen Forderungen und Positionen bleiben unverbunden nebeneinander stehen. Die Frage, wie die auf Demonstrationen leidenschaftlich vorgetragenen Forderungen umgesetzt werden könnten, wird nicht gestellt.

Die fünf Protagonisten werden in einer sich selbst genügenden Blase gezeigt. Sie wird nur in zwei Momenten durchbrochen. Einmal wenn gesagt wird, dass bei den Demonstrationen auch die „Omas gegen Rechts“ seien. Die Omas sind für die im Film porträtierten Aktivisten ein Kuriosum. Das Gespräch zwischen Patricia Machmutoff und Ferat Koçak, Abgeordneter für Die Linken im Abgeordnetenhaus (dem Berliner Landtag), ist da ein Lichtblick und einer der interessantesten Momente des Films. Machmutoff unterhält sich mit Koçak über sein Leben, seine politischen Ansichten, seinen Aktivismus und wie er sich in den vergangenen Jahren veränderte.

Georgi verzichtet in ihrem Film auf jede Analyse warum frühere linksradikale Bewegungen scheiterten. Damit fehlt dem Film auch jedes Bewusstsein für die eigene Geschichte, aus der man für die Zukunft lernen könnte. Sie zeigt nur fünf junge radikallinke Aktivisten, die on- und offline um sich selbst kreisen.

Niemals allein, immer zusammen“ ist Erbauungskino für die eigene Blase.

Niemals allein, immer zusammen (Deutschland 2024)

Regie: Joana Georgi

Drehbuch: Joana Georgi

mit Quang Paasch, Patricia Machmutoff, Simin Jawabreh, Feline, Zaza, Ferat Koçak

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Niemals allein, immer zusammen“

Moviepilot über „Niemals allein, immer zusammen“

Wikipedia über „Niemals allein, immer zusammen“

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