Nach seinem grandiosen Spielfim-Making-of über Bertolt Brechts von Brecht geplanten Dreigroschenfilm, inszeniert Joachim A. Lang jetzt des Making-of des Dritten Reichs, das sich auf die sieben letzten Jahre konzentriert. Von dem Anschluss Österreichs im März 1938 bis zum Kriegsende im Mai 1945 wirft Lang einen Blick hinter die Kulissen der Macht. Er beobachtet Propagandaminister Joseph Goebbels, Reichskanzler Adolf Hitler, deren Familien und Vertraute, wie sie leben und ihre Macht inszenieren.
Dabei verknüpft Lang, ähnlich wie bei seinem vorheigen Film „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“, nachgespielte Szenen, bei denen die Dialoge auf verbürgten Aussagen und Niederschriften basieren, mit selten gezeigten Archivaufnahmen und aktuellen Zeitzeugengesprächen. Strukturell und von seinem Aufbau ähnelt der so entstandene Spielfilm „Führer und Verführer“ einem Making-of, das Teil des Bonusmaterials einer DVD/Blu-ray ist. Durch diesen multiperspektivischen Zugang sind auch neue Erkenntnisse und überraschende Perspektiven möglich. Nach seinem „Dreigroschenfilm“ schien Lang der richtige Mann für die Aufgabe zu sein.
Das Ergebnis enttäuscht dann. Durchgehend wirkt „Führer und Verführer“ wie der kleine Bruder von Oliver Hirschbiegels „Der Untergang“, dem Kinohit über die letzten Tage des Dritten Reichs und Adolf Hitlers. Sicher, die Perspektive ist in Langs Film etwas anders, aber die handelnden Personen und die Ereignisse sind bekannt und dass sie im Privatleben vielleicht ganz nette, tier- und kinderliebende Menschen oder Zyniker, Karrieristen und Opportunisten oder tierliebende Opportunisten waren, ist jetzt kein großer Erkenntnisgewinn. Es ändert nichts am Bild, das wir von ihnen und ihren Taten haben. Es ist auch egal. Die Dialoge sind durchgehend papiernen und hölzern. Es sind Sätze, die jemand so in sein Tagebuch, einen Bericht oder eine Aussage schreibt, aber so niemals gesagt hätte. Die Figuren bleiben blass. Wir erfahren wenig über sie. Das liegt an der von Lang gewählten Methode, sie nur verbürgte Sätze sagen zu lassen. Aber einiges, vor allem bei Privatgesprächen, wird nie aufgeschrieben. Gleiches gilt für bestimmte Arbeitsgespräche; – also genau die Gespräche, die ein Drehbuchautor für einen Spielfilm erfindet und die etwas Wahres über die Figur enthüllen.
Langs Herangehensweise an den Stoff, die in „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ für einen angenehmen Verfremdungseffekt und viel Vergnügen sorgt (allein schon die Vorstellung, dass Brecht und seine Freunde sich nur in druckreifen Sentenzen unterhalten, ist ein Brüller), funktioniert in „Führer und Verführer“ nicht. Das Ergebnis ist dann nicht der von Lang angestrebte „ungeschminkte Blick ins Innere des Machtapparats“, sondern eine verunglücke Mischung aus einem Spielfilm mit schlechten Dialogen und unbeholfenem Reenactment.
Dazwischen scheitert die erhoffte Aufklärung über Propaganda. Lang zeigt, wie Goebbels sich und Hitler inszeniert. Er zeigt, wie Propaganda gemacht wird, auch wie sie funktioniert, um ein bestimmtes Bild der Ereignisse zu erzeugen, aber er zeigt nicht, warum sie beim Publikum funktioniert. Also warum Goebbels Propaganda bei den Deutschen so erfolgreich war.
Dazu kommt, dass die Bilder durchgehend eine billige, farbentsättigt-kränkliche Video-Ästhetik haben.

Führer und Verführer (Deutschland 2024)
Regie: Joachim A. Lang
Drehbuch: Joachim A. Lang
mit (den Schauspielern) Robert Stadlober, Fritz Karl, Franziska Weisz, Dominik Maringer, Moritz Führmann
(und den Zeitzeugen) Margot Friedländer, Elly Gotz, Ernst Grube, Charlotte Knobloch, Eva Szepesi, Eva Umlauf, Leon Weintraub
Länge: 136 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Filmportal über „Führer und Verführer“
Moviepilot über „Führer und Verführer“
Wikipedia über „Führer und Verführer“
Meine Besprechung von Joachim A. Langs „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ (Deutschland 2018)
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Ein am 24. Juni 2024 in Berlin mit wechselnden Podiumsgästen auf Deutsch (Teil 1) und Englisch (Teil 2 und 3) geführtes Gespräch zum Film in drei Teilen
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