Nein, besonders produktiv war der am 12. Dezember 2024 verstorbene Wolfgang Becker nicht. Aber jeder seiner wenigen Filme ist sehenswert und war ein Erfolg. „Good bye Lenin“ war 2003 sein größter Publikumserfolg. „Das Leben ist eine Baustelle“ (1997) sein Durchbruch beim Publikum. Und der „Tatort“ „Blutwurstwalzer“ (1991) mit Günther Lamprecht als Hauptkommissar Franz Markowitz und Jürgen Vogel als ‚Verbrecher‘ ist einer der legendären „Tatorte“, der mal wieder gezeigt werden könnte.
Außerdem gehört Becker, neben Tom Tykwer, Dani Levy und Stefan Arndt, zu den Gründern von „X Filme“.
Als der am 22. Juni 1954 geborne Becker mit den Dreharbeiten für die Maxim-Leo-Verfilmung „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ begann, war er bereits an Krebs erkrankt. Der Film sollte sein geplantes Vermächtnis werden. Das erklärt ein wenig das große Aufgebot an Stars in kleinsten Rollen; – wobei sie vielleicht in jedem Fall mitgespielt hätten.
Wenige Tage nach dem Ende der Dreharbeiten starb Becker. Vor seinem Tod konnte er sich einen allerersten Rohschnitt ansehen. Ihm gefiel, was er sah.
Danach übernahm Achim von Borries im Geist von Wolfgang Becker den finalen Schnitt. Er war bereits in die Vorbereitung als Back-up-Regisseur involviert und stand für diese Aufgabe während des Drehs zur Verfügung.
Jüngst wurden bei „Amrum“, Hark Bohms letztem Film, der von Fatih Akin inszeniert wurde, und „Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes“ von Edgar Reitz und Co-Regisseur Anatol Schuster ähnliche Modelle erfolgreich praktiziert.
Doch zurück zu Beckers „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“.
Der titelgebende Held ist Micha Hartung (Charly Hübner). Er ist der angenehm berlinerisch verpeilte Besitzer der Videothek „The Last Tycoon“ (es gibt da einen Film) im Prenzlauer Berg. Fast dreißig Jahre nach dem Mauerfall ist das kein zukunftsträchtiges, sondern, nach dem allgemeinen Tod der Videotheken, ein fast schon hundertprozentiges Pleite-Unternehmen mit einer großen Schublade für noch zu zahlende Rechnungen und Mahnungen.
Als Alexander Landmann (Leon Ullrich) seine Videothek betritt, ändert sich sein Leben. Landmann will zum Mauerfall keine der sattsam bekannten Heldengeschichten mit den sattsam bekannten Protagonisten noch einmal erzählen. Der Journalist will für das „Fakt“-Magazin eine neue Geschichte erzählen und er hat von Michas bislang einem breiten Publikum unbekannter Heldentat gehört. Am 23. Juni 1984 stellte der stellvertretende Stellwerkmeister Micha Hartung eine Weiche um. In der morgendlichen Rush Hour verließ die S-Bahn die vorgesehene Strecke und fuhr 127 Passagiere aus der DDR nach West-Berlin.
Als Landmann die Geschichte, etwas in Richtung Hollywood-Heldengeschichte aus der ehemaligen Ostzone aufbereitet, als Titelgeschichte veröffentlicht, ändert sich Michas Leben. Denn jetzt ist er nicht mehr der erfolglos-zufriedene Schluffi aus dem Prenzlauer Berg, sondern der Held, der bislang über seine Heldentat schwieg. Ein moderner Oskar Schindler. Die Medien- und Vermarktungsmaschine springt an – und wir fragen uns, wie lange das gut gehen kann. Denn selbstverständlich ist Micha nicht der Held, den plötzlich alle in ihm sehen wollen.
„Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ ist ein weiterer wundervoller Berlin- und auch DDR-Film, fein gefilmt von Wolfgang Becker und bis in kleinste Nebenrollen glänzend besetzt mit einem äußerst spielfreudigem Ensemble. Die Komödie ist eine warmherzige Schnurre, eine milde Medienkritik und eine Geschichte, die so nur in Berlin passieren kann.
Beckers letzter Film ist einer der schönsten Filme des Jahres (ich bin noch beim Zusammenstellen meiner Jahresbestenliste) und in jedem Fall ein würdiger Abschluss eines überaus gelungenen Gesamtwerkes.

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße (Deutschland 2025)
Regie: Wolfgang Becker
Drehbuch: Constantin Lieb, Wolfgang Becker
LV: Maxim Leo: Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße, 2022
mit Charly Hübner, Christiane Paul, Leon Ullrich, Leonie Benesch, Thorsten Merten, Dirk Martens, Peter Kurth, Daniel Brühl, Eva Löbau, Jörn Hentschel, Lilli Fichtner, Claudia Eisinger, Leslie Malton, Bernhard Schütz, Katarina Witt, Annabelle Mandeng, Adisat Semenitzsch, Jürgen Vogel, Holger Handtke
Länge: 113 Minuten
FSK: ab 6 Jahre
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Hinweise
Filmportal über „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“
Moviepilot über „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“
Veröffentlicht von AxelB