Neu im Kino/Filmkritik: Moritz Bleibtreu ist „Caveman“?

Januar 27, 2023

Hinter der Bühne hat seine langjährige Freundin gerade mit ihm Schluss gemacht und der erste Witz bei seinem Stand-up-Programm – es ist sein erster Auftritt bei einem Open-Mic-Abend – wird mit peinlichem Schweigen quittiert. Also beginnt Bobby Müller (Moritz Bleibtreu) aus seinem Leben und über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu philosophieren. Diese Beichte kommt besser an.

Und zwar so gut, dass das Ein-Personen-Stück „Caveman“, auf dem Laura Lackmanns gleichnamige Verfilmung basiert, in Deutschland seit über zwanzig Jahren ständig aufgeführt wird. Seit seiner Premiere im Jahr 2000 wurden gut fünf Millionen Tickets verkauft. Es handelt sich um die deutsche Adaption von Rob Beckers Stück „Defending the Caveman“. Esther Schweins, die im Film einen Cameo-Auftritt hat, inszenierte die deutsche Fassung.

Becker schrieb das Stück. Zwischen 1988 und 1991 probierte er bei seinen Auftritten Teile aus. Seine Premiere hatte es 1991 in San Francisco. Anschließend trat Becker jahrelang mit dem Stück auf. Am Broadway wird es seit 1995 aufgeführt. Inzwischen wird seine Rolle von zahlreichen anderen Schauspielern gespielt. Es wurde in 25 Sprachen übersetzt, in über 55 Ländern aufgeführt und von über vierzehn Millionen Menschen gesehen. Irgendetwas hat Becker also richtig gemacht.

Was genau erschließt sich nicht wirklich aus der Verfilmung.

Sie ist nie besonders witzig, aber auch nie besonders peinlich, vulgär oder ärgerlich. Bobby erzählt sich durch sein Leben. Er erklärt den Unterschied zwischen Jägern und Sammlern und so, wie sich Männer von Frauen unterscheiden. Bobby glaubt, dass Männer Jäger und Frauen Sammler sind. Das war schon in der Steinzeit so – und ist heute immer noch so. Deshalb sammeln Frauen Tonnen von Kleidern und anderem Zeug, während Männer für den Kauf von einem neuen Hemd nur einige Sekunden benötigen und es dann ewig tragen. Die gewonnene Zeit verbringen sie mit ihrem besten Freund auf der Couch: schweigend, biertrinkend und irgendein Computerspiel spielend oder einen Film ansehend. Welcher echte Mann braucht da noch ein Hobby?

Einzelne Szenen kommentiert Bobby bereits im Bild. Andere sind, eher witzig gemeint als wirklich witzig, etwas übertrieben inszeniert. Und wieder andere, das gilt vor allem für Bobbys Begegnungen mit seinem imaginärem Steinzeit-Freund Caveman, könnten direkt aus einer längst vergessenen Sketch-Show stammen. Besonders witzig ist das nicht. Dafür sind die Witze insgesamt zu altbacken und zu harmlos. Alle hätten gut in eine dieser unzähligen Sketch-Shows wie „RTL Samstag Nacht“ gepasst. Die füllten bei den Privatsendern, beginnend in den neunziger Jahren, einige Jahre lang ganze Fernsehabende und ich fragte mich immer, wer so etwas witzig findet.

Für die Verfilmung wurde das Ein-Personen-Stück zum Ensemblestück ausgebaut, ohne an der Grundidee etwas zu ändern. Das ist, über dreißig Jahre nach seiner Premiere, immer noch die heile Welt, in der es Liebesärger nur zwischen Männer und Frauen gibt und gendern eine Option ist, auf die ein gestandener, in einem anonymen Reihenhaus lebender Jäger wie Bobby locker verzichten kann. Wahrscheinlich wüsste er noch nicht einmal, was das ist.

Dieser „Caveman“ ist eine dem gesellschaftlichem Diskurs mindestens zwanzig Jahre hinterherhinkende Comedy für den idealtypischen CDU-Wähler.

Im Theater – und das ist der entscheidende Unterschied zum Film – werden alle Rollen von einem Mann gespielt. Er kann spontan auf das Publikum reagieren, improvisieren und die einzelnen Beobachtungen müssen keine kohärente Filmhandlung ergeben. Sie funktionieren auch gut als reine Sammlung von zugespitzten Beobachtungen über das Verhalten von Männern und Frauen.

Caveman (Deutschland 2023)

Regie: Laura Lackmann

Drehbuch: Laura Lackmann (nach dem Solo-Theaterstück von Rob Becker)

mit Moritz Bleibtreu, Laura Tonke, Wotan Wilke Möhring, Martina Hill, Leni Riedel, Liane Forestieri, Jürgen Vogel, Thomas Hermanns, Esther Schweins, Alexandra Neldel

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Caveman“

Moviepilot über „Caveman“

Wikipedia über „Caveman“


Neu im Kino/Filmkritik: „Lommbock“ ist „Lammbock II“

März 23, 2017

2001 war Christian Züberts Debütfilm „Lammbock“ mit über 900.000 Zuschauern ein Überraschungserfolg. Moritz Bleibtreu und Lucas Gregorowicz kifften sich durch den Tag, redeten, redeten und verkauften etwas Gras. Als Tarnung hatten sie einem Pizza-Lieferservice, den es so nur in Filmen gibt.

Jetzt kehrt Zübert mit „Lommbock“ in diese Welt zurück. Die Jungs und Mädels aus dem ersten Film sind wieder dabei. Die Pizza mit Drogen-Spezialbelag ebenso. Auch wenn Kai (Moritz Bleibtreu) aus dem damaligen Pizza-Lieferservice „Lammbock“ den Asia-Lieferservice „Lommbock“ machte, indem er das Schild austauschte. Er hat eine feste Freundin und versucht ihren pubertierenden Sohn zu erziehen.

Stefan (Lucas Gregorowicz) steht in Dubai kurz vor seiner Hochzeit mit der Tochter eines schwerreichen Scheichs und der Eröffnung einer von der Familie der Braut finanzierten urigen Karibik-Strandbar; – auf dem Dach eines Hochhauses und in Übereinstimmung mit den dortigen Gepflogenheiten und Gesetzen. Vor der Hochzeit muss er, nach fünfzehn Jahren, schnell zurück in die alte Heimat, um sich dort auf dem Amt seine amtlich beglaubigte Geburtsurkunde ausstellen zu lassen.

Nach der Ankunft in Würzburg geht dann alles schief und „Lommbock“ wird endgültig zu einer Wiederholung von „Lammbock“ mit kleinsten Variationen, die „Lommbock“ zu einem etwas besseren Film machen. Denn jetzt hängen die Charaktere nicht mehr vollkommen im luftleeren Raum. Sie haben wenigstens einen Hauch von Biographie und sozialer Erdung. Sie haben sich in den vergangenen Jahren auch etwas verändert. Die einzelnen Szenen und Witze sind etwas pointierter; wobei Moritz Bleibtreus endlose pseudotiefsinnigen, absurd-abstrusen Weltbetrachtungen immer noch grandios sind. Im Rahmen des Kifferhumors, der mal wieder Programm ist und der immer noch deutlich von Kevin Smiths „Clerks“ und seinen entsprechenden Folgefilmen inspiriert ist.

Auf eine tragfähige Geschichte wurde, wie schon bei „Lammbock“, zugunsten einer vor sich hinplätschernden Nummernrevue verzichtet. Auch der Humor bewegt sich durchgehend auf dem unwitzigen, peinlich bemühten „Lammbock“-Niveau. Nur dass es dieses Mal auch um Salafisten, YouPorn, Kindererziehung und drogenfreie Urinproben geht.

Insofern funktioniert „Lommbock“ vor allem als rundherum ambitionsloser Fan-Service.

Lommbock (Deutschland 2017

Regie: Christian Zübert

Drehbuch: Christian Zübert

mit Lucas Gregorowicz, Moritz Bleibtreu, Louis Hofmann, Mavie Hörbiger, Alexandra Neldel, Wotan Wilke Möhring, Antoine Monot Jr., Melanie Winiger, Dar Salim

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Facebook-Seite zum Film

Filmportal über „Lommbock“

Moviepilot über „Lommbock“

Wikipedia über „Lommbock“

Meine Besprechung von Christian Züberts „Ein Atem“ (Deutschland 2015)