Die letzte Nacht in Mailand (L’ultima notte di Amore, Italien 2023)
Regie: Andrea Di Stefano
Drehbuch: Andrea Di Stefano
Seit Jahre ist Franco Amore in Mailand Polizist. Nicht einmal musste er seine Schusswaffe benutzen. Das ändert sich in der titelgebenden letzten Nacht vor seinem Ruhestand.
TV-Premiere. Grandioser Cop-Thriller, der sich selbstbewusst in die Tradition des italienischen Kriminalfilms aus den siebziger Jahren stellt und ein zeitgemäßes Update liefert.
Während einer kleinen Abschiedsfeier im Kreis von Familie und Freunden wird Franco Amore (Pierfrancesco Favino) von seinem Chef angerufen. Aber der Chef gratuliert ihm nicht zu seinem in wenigen Stunden beginnenden Ruhestand. Er schickt ihn zu einem Einsatz. In einer Unterführung gab es einen Schusswechsel und einen Autobrand bei dem mehrere Menschen starben. Auch Amores langjähriger Partner Dino gehört zu den Opfern. Er wurde erschossen.
In dem Moment springt die Geschichte zehn Tage zurück und Andrea Di Stefano erzählt über eine große Strecke des Films, wie es zu dem Massaker gekommen ist. Dabei erfahren wir auch mehr über Franco Amore. Er ist seit 35 Jahre Polizist. Keiner dieser großen filmreifen Kämpfer gegen das Verbrechen, sondern ein kleiner, braver, unauffälliger Staatsdiener. Während seiner Dienstzeit hat er keinen Menschen erschossen und das möchte er nicht ändern. Er ist ein guter Mann mit einigen durchaus dunklen Flecken in seiner Biographie. Denn, soviel kann verraten werden, Amore hat etwas mit dem Massaker zu tun. Jetzt, während seiner letzten Nacht als Polizist, versucht er mit heiler Haut aus dem Schlamassel zu kommen.
Mehr sollte hier nicht über die sich langsam, aus verschiedenen Perspektiven entfaltende Geschichte von „Die letzte Nacht in Mailand“ erzählt werden.
Di Stefanos überaus atmosphärischer Cop-Thriller suhlt sich nämlich in moralischen Grau-Schattierungen. In seinem Thriller ist niemand vollkommen unschuldig und niemand ist vollkommen böse. Er bezieht sich durchgehend und sehr gelungen auf das 70er-Jahre-Thrillerkino mit korrupten Cops, Verbrechersyndikaten und einer allumfassenden Atmosphäre von Misstrauen, Angst und Verrat. Entsprechend paranoid ist die Stimmung. Das Ergebnis ist ein zeitgemäßes Update dieses Kinos. Inszeniert mit Bildern für die große Kinoleinwand. Deshalb ist es schade, dass uns der in Italien an der Kinokasse sehr erfolgreiche Film nicht im Kino präsentiert wird.
Als Bonusmaterial gibt es knapp sechs Minuten Behind-the-Scenes-Material, garniert mit einigen Statements der Schauspieler.
Die letzte Nacht in Mailand (L’ultima notte di Amore, Italien 2023)
Regie: Andrea Di Stefano
Drehbuch: Andrea Di Stefano
mit Pierfrancesco Favino, Linda Caridi, Antonio Gerardi, Francesco Di Leva, Martin Francisco Montero Baez, Katia Mironova, Carlo Gallo, Mauro Negri
–
DVD
Square One Entertainment
Bild: 2,35:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Italienisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Bonusmaterial: Behind the Scenes, Deutscher Trailer
Länge: 126 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
–
Digital ab 26. Oktober, auf DVD und Blu-ray ab dem 3. November erhältlich.
„Escobar – Paradise Lost“.
Das klingt nach einem Titel. Aber Andrea di Stefanos Film hat in Wirklichkeit zwei Titel.
Als „Escobar“ ist er ziemlich gescheitert.
Als „Paradise Lost“ ist er gar nicht so schlecht, weil hier, auch wenn sich auf ein Mitglied der Gruppe konzentriert wird, die Geschichte einer Gruppe Jugendlicher erzählt wird, die glaubt, das Paradies gefunden zu haben und dann alles verliert. Auch den Einheimischen geht es nicht viel besser. Aber der Film hadert halt mit seinem im Titel und der Werbung gegebenem Versprechen, ein Biopic über Pablo Escobar (1949 – 1993) zu sein. Das ist er nicht. Auch wenn Benicio Del Toro als Pablo Escobar dem echten Drogenbaron sehr ähnelt und viele Elemente seiner Biographie verwandt wurden.
Escobar ist nur ein Nebendarsteller in einer erfundenen, mit Zeitsprüngen unnötig komplex erzählten Geschichte. Es ist eine Liebesgeschichte zwischen einem naiven kanadischen Jungen, der sich in Kolumbien in den Achtzigern in ein Mädchen verliebt und von ihrem Onkel, den er als vermögenden Politiker, Wohltäter und Gastgeber einer lockeren Familienfeier kennenlernt, und in dessen Familienunternehmen er aufgenommen wird.
Weil der Onkel ein Verbrecher ist, gibt es dann auch noch einen halben Gangsterthriller. Nachdem Escobar 1991 im Dschungel untertaucht und einen Deal mit der Regierung aushandelt, beauftragt er mehrere Vertraute, in verschiedenen LKWs Teile seines Vermögens zu verschiedenen Verstecken zu befördern. Einer der Fahrer ist Nick Brady, der sich fragt, ob er den Auftrag ausführen kann und der danach von Escobars Helfern und der Polizei verfolgt wird.
In seinem Spielfilmdebüt pendelt Andrea di Stefano zwischen diesen drei Plots, die sich, auch wegen der zahlreichen Zeitsprünge, letztendlich gegenseitig behindern. Vor allem das erwartete Escobar-Biopic besteht aus so wenigen Szenen, dass di Stefano Escobars Namen besser durch einen erfundenen Drogenbaron ersetzt hätte. Dann hätte man eine Liebesgeschichte, die – etwas plötzlich – zu einem Gangsterthriller wird, gesehen. Denn nachdem Nick sich in Maria verliebt hat und sie ihn ihrem Onkel vorstellt, ist er plötzlich Teil von Escobars Gangsterfamilie. Warum der sympathische Surfer Nick, der uns als gesetzestreuer, etwas naiver junger Mann vorgestellt wurde, ein Teil von Escobars Familie werden will, erfahren wir allerdings nicht.
Gerade der Gangsterthriller leidet an seinen langen Szenen und dem mangelndem Tempo. Hier entwickelt sich die Geschichte zu langsam und die Fakten stehen ihr immer wieder im Weg. Denn egal was Nick unternehmen wird, es wird nichts an den wahren Ereignissen und dem Tod Escobars ändern.
So ist „Escobar – Paradise Lost“ ein Film, der sich, trotz etlicher gelungener Szenen und einem grandiosen Benicio Del Toro, selbst immer wieder sabotiert.