Immer noch lesenswert? Maurice Leblanc: „Arsène Lupin, der Gentleman-Gauner“

September 3, 2025

Auch wer kein einziges Abenteuer von Arsène Lupin gelesen hat oder keinen der Filme mit ihm als Helden, wie aktuell die Netflix-Serie “Lupin” mit Omar Sy als Lupin, gesehen hat, kennt Arsène Lupin und weiß, was er tut. Er ist ein Einbrecher, ein Dieb, der mit seinen Helfern spektakuläre Coups durchführt. Oft kündigt er seine Raubzüge vorher an – und führt sie, trotz Überwachung, zum angekündigten Zeitpunkt durch. Er genießt das Leben. Er taucht unter verschiedenen Namen, Masken und Verkleidungen auf. Das war zu seinen Lebzeiten – die erste Lupin-Geschichte „L’Arrestation d’Arsène Lupin“ erschien am 15. Juli 1905 im Magazin „Je sais tout“ – deutlich einfacher als heute. Damals konnte mit einfachen Verkleidungen, wie einem falschen Bart, einer anderen Frisur oder anderer Kleidung, die eigene Identität gut verschleiert werden. Schließlich gab es vor hundertzwanzig Jahren vor allem höchst unzuverlässige Beschreibungen und Zeichnungen von Personen. Die Fotografie steckte noch in ihren Kinderschuhen.

Die ersten neun Lupin-Geschichten erschienen ursprünglich zwischen Juli 1905 und Mai 1907 in „Je sais tout“. Schon im Juni 1907 wurden sie in dem Sammelband „Arsène Lupin, der Gentleman-Gauner“ veröffentlicht. Die erste deutsche Übersetzung des Buches erschien 1913. Weil die Lupin-Geschichten beim Lesepublikum gut ankommen, schreibt Maurice Leblanc bis zu seinem Tod 1941 vor allem Lupin-Geschichten. Diese sind – erstaunlicherweise – immer noch nicht vollständig ins Deutsche übersetzt.

Neben den etwas früher erschienenen, bei uns unbekannteren Geschichten von E. W. Hornung über den Einbrecher A. J. Raffles ist Arsène Lupin der erste Profieinbrecher als Held mehrerer Geschichten. Er war nicht der letzte beim Publikum beliegte Gentleman-Gauner.

Die in „Arsène Lupin, der Gentleman-Gauner“ versammelten Kurzgeschichten hängen sehr locker miteinander zusammen und können als eigenständige Episoden einer TV-Serie gesehen werden. In der ersten Geschichte wird Lupin, nach einer aufregenden Überfahrt in einem Transatlantikdampfer, im Hafen von New York durch Oberinspektor Ganimard verhaftet.

In den folgenden Geschichten erzählt Leblanc, wie Lupin aus dem Gefängnis ausbricht (wobe er schon während seiner Haft der Öffentlichkeit und den Wärtern den Eindruck vermittelt, dass er das Gefängnis jederzeit verlassen kann), wie er verschiedene, gerne auch vorher angekündigten Einbrüche in die Häuser vermögender Menschen durchführt und Herlock Sholmes begegnet. Leblanc wählte diesen Namen, weil Sir Arthur Conan Doyle nicht einverstanden mit einer Verwendung von Sherlock Holmes war. Weil in den Lupin-Geschichten der Meisterdetektiv von der Insel unmöglich gegen den charmanten Gentleman-Gauner gewinnen, ist das durchaus verständlich.

Wie Lupin seine Coups durchführt, ist aus heutiger Sicht und weil es sich immer um Kurzgeschichten handelt. meistens sehr offensichtlich. Aber der Franzose macht es mit Stil, Charme, gewaltfrei, einem Bewusstsein für die schönen Dinge des Lebens und immer mit dem Blick auf das Publikum, das unterhalten werden möchte, wenn er die Reichen ausraubt.

„Arsène Lupin, der Gentleman-Gauner“ besteht aus neun flott und vergnüglich zu lesenden Kurzgeschichten, die Erinnerungen an eine vergangene Zeit wecken.

Maurice Leblanc: Arsène Lupin, der Gentleman-Gauner

(übersetzt von Felix Meyer)

Anaconda, 2025

256 Seiten

7,95 Euro

Originalausgabe

Arsène Lupin – gentleman-cambrioleur

Verlag Pierre Lafitte et Cie, Paris 1907

Bereits erschienen in anderen Übersetzungen bei anderen Verlagen.

Hinweise

Wikipedia über Maurice Leblanc (deutsch, englisch, französisch) und Arsène Lupin (deutsch, englisch, französisch)

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Eine Möglichkeit, diese Kritik zu beginnen, ist mit dem Hinweis, dass der 83-jährige Hayao Miyazaki vor wenigen Wochen für seinen bislang letzten Film „Der Junge und der Reiher“ den Oscar für den besten Animationsfilm erhielt.

Eine andere Möglichkeit ist, darauf hinzuweisen, dass der Werbespruch „kehrt zu seinem 45-jährigen Jubiläum zurück auf die große Leinwand“ etwas irreführend ist. Sicher, in Japan lief Miyazakis Film am 15. Dezember 1979 an. Seine deutsche Premiere hatte der Zeichentrickfilm erst 1984 als „Die Jäger des Cagliostro“ in einer rabiat um ungefähr sechzehn Minuten gekürzten Fassung. Seitdem wurde der Animationsfilm in Deutschland, weil aus wahrscheinlich nie zu klärenden Gründen aus Lupin III Hardyman wurde, auch als „Hardyman schafft alle“ und „Hardyman räumt auf“ präsentiert. Er erschien ungekürzt und neu synchronisiert. Aber im Kino lief er bislang offiziell noch nicht ungekürzt. Insofern kann auch gesagt werden „erstmals ungekürzt auf der deutschen Leinwand“.

Und jetzt, nachdem japanische Animationsfilme und die Filme des von Hayao Miyazaki gegründeten Studio Ghibli weltweit beliebt sind, sollte Miyazakis Spielfilmdebüt auch das für den Film angemessene Publikum finden. Denn „Lupin III: Das Schloss des Cagliostro“, so der aktuelle Titel, ist ein überaus gelungener und zeitloser Trickfilm für Kinder jeden Alters.

Arsène Lupin III ist eine von Monkey Punch (aka Kazuhiko Katō) erfundene Figur, die ihren ersten Auftritt 1967 in der nach ihm benannten Manga-Serie „Lupin III“ hatte. Der titelgebende Held ist der Enkel von Arsène Lupin, einem von Maurice Leblanc erfundenen Meisterdieb, der 1905 seinen ersten Auftritt hatte und seitdem äußerst beliebt ist. Auch Lupin III ist ein Meisterdieb. Sein jüngster Coup, mit dem auch Hayao Miyazakis Spielfilm beginnt, endet mit einer riesigen Beute und einem kleinen Schönheitsfehler. Nicht dass sie nach dem Diebstahl von einer Armee schießwütiger Gestalten verfolgt werden, sondern dass sie Falschgeld erbeutet haben. Lupin will sich, zusammen mit seinem treuen Gefährten Jigen, an dem Fälscher rächen. Er kennt ihn von früher. Es handelt sich um den Herrscher über das kleine europäische Fürstentum Cagliostro. Das Fürstentum ist einer dieser europäischen Kleinstaaten, die in Büchern und Filmen immer gut für eine zünftige und witzige Abenteuergeschichte sind.

Auf dem Weg zum Schloss des Grafen Cagliostro geraten unser Held und sein Freund in eine wilde Verfolgungsjagd. Sofort wollen Lupin und Jigen die von schießwütigen Männern verfolgte, ihnen vollkommen unbekannte, schöne, junge Frau retten. Das gelingt ihnen nicht. Aber Hayao Miyazaki präsentiert hier, wenige Minuten nach dem Beginn des Films, schon die zweite große Actionszene, die wieder vor Witz, Ideen und Einfällen nur so sprudelt. Am Ende der wilden Hazt sehen Lupin und Jigen, wie die Prinzessin Clarisse in das Schloss entführt wird.

Lupin weiß immer noch nichts über sie. Trotzdem will er sie retten und sich nebenbei am Graf Cagliostro rächen.

Das ist die Ausgangslage für eine fetzige und witzige Abenteuergeschichte. Das Schloss ist bestens gesichert und voller Fallen. Noch während Lupin in das Schloss eindringt, taucht sein alter Erzfeind, Interpol-Inspektor Zenigata, auf. Das ist kein Zufall, sondern von Lupin so gewollt. Zenigata soll Cagliostro und seine Männer ablenken und so Lupin näher an sein Ziel bringen.

In seinem ersten Kinofilm erzählt Hayao Miyazaki eine rasante und witzige Abenteuergeschichte, die 45 Jahre nach ihrer Premiere nichts von ihrem Schwung verloren hat. Es ist eine zeitlose Gaunerkomödie mit klar gezeichneten Helden und Bösewichtern und einem ordentlichen Retro-Touch. Die Fahrzeuge, die Gadgets, die heftig swingende Musik, die detailversessenen Zeichnungen und der selbstironische Humor stammen eindeutig aus einer anderen Zeit.

Insgesamt wirkt „Das Schloss des Cagliostro“ wie eine dieser locker beschwingten Abenteuerfilme aus den sechziger und siebziger Jahren, als ein jugendlich-elanvoller Gentleman-Gauner mit einem breiten Grinsen, einem frechen Mundwerk, einer Waffe in der linken, eine schöne Frau in der rechten Hand, sich durch ein haarsträubend gefährliches Abenteuer kalauert und kämpft. Mit einer ordentlichen Portion Slapstick und todesverachtendem Wagemut. Damals war Jean-Paul Belmondo die perfekte Besetzung für die Hauptrolle in einer solchen Actionkomödie.

Heute ist Miyazakis Kinodebüt ein Klassiker das japanischen Trickfilms. Rückblickend sah Miyazaki den Film als das Ende eines Teils seiner Karriere und seiner Beschäftigung mit Lupin III. Danach gründete er das Studio Ghibli – und der Rest ist Geschichte.

Jetzt kommt „Lupin III: Das Schloss des Cagliostro“ erstmals in voller Länge und, dank einer prächtig aussehenden 4K-Restaurierung, wundervoll aussehend in die Kinos.

Lupin III: Das Schloss des Cagliostro (Rupan Sansei: Kariosutoro no Shiro, Japan 1979)

Regie: Hayao Miyazaki

Drehbuch: Hayao Miyazaki, Haruya Yamazaki

LV: Monkey Punch: Lupin III (Manga-Serie)

mit (im Original den Stimmen) Yasuo Yamada, Eiko Masuyama, Kiyoshi Kobayashi, Makio Inoue, Gorô Naya, Sumi Shimamoto, Tarô Ishida

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Kinostart: 9. April 2024

auch bekannt unter

Die Jäger des Cagliostro (Kinotitel 1984, auf 89 Minuten gekürzt, als Regisseur wird im Fischer Film Almanach Mia Zaki genannt; im Lexikon des internationalen Films heißt der Regisseur in der gedruckten Ausgabe Miya Zaki, dort wird auch eine auf 82 Minuten gekürzte Version erwähnt)

Hardyman schafft alle (neuer Verleihtitel 1985)

Hardyman räumt auf (VHS)

Hardyman schafft alle – Freiheit für Prinzessin Yasmin (TV)

Hinweise

Moviepilot über „Lupin III: Das Schloss des Cagliostro“

Metacritic über „Lupin III: Das Schloss des Cagliostro“

Rotten Tomatoes über „Lupin III: Das Schloss des Cagliostro“

Wikipedia über „Lupin III: Das Schloss des Cagliostro“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Hayao Miyazakis „Der Junge und der Reiher“ (Kimitachi wa Do Ikiru ka, Japan 2023)


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