„Der Tote im Pool“, die Frau in U-Haft, der Konsul ermittelt

Mai 29, 2024

Niemand mochte das Mordopfer. Entsprechend groß ist die Zahl der Verdächtigen, die den über siebzigjährigen Hotelbesitzer Roger Béliot getötet haben könnten. Ganz oben auf der Liste der Verdächtigen stehen die drei Frauen, mit denen das Opfer in festen Beziehungen lebte. Die Hauptverdächtige ist seine erste Ehefrau Francoise, eine fast zwanzig Jahre jüngere Französin. Sie trennten sich schon vor Ewigkeiten. Aber jetzt will sie die Hälfte seines Vermögens. Sie wurde sofort nach dem Mord verhaftet und sitzt in Maputo im Gefängnis. Béliots zweite Ehefrau ist ebenfalls deutlich jünger als er. Fatouma ist Mosambikanerin und die Tochter eines mächtigen Stammesfürsten. Sie lernten sich während ihres Studiums auf der Handelshochschule kennen. Er unterrichtete dort. Sie sind schon seit längerem getrennt. Zuletzt war Béliot mit der mehrere Jahrzehnte jüngeren Lucrecia zusammen. Sie erwartet ein Kind von ihm. Und das sind nur die Verdächtigen aus Béliots Privatleben.

Während die Polizei mit Francoise als Täterin hochzufrieden ist, zweifelt Aurel Timescu an ihrer Täterschaft. Aurel ist seit einigen Monaten als Konsul in Mosambik. Der Mittfünfziger hat im diplomatischen Dienst keine große Karriere mehr vor sich. Ehrlich gesagt hat er eine solche Bilderbuchkarriere auch nie angestrebt. Inzwischen ist er unkündbar und wird an die entlegensten Orte geschickt. Dort bemüht er sich, möglichst wenig zu arbeiten. Bis es einen Mordfall gibt, der sein Interesse weckt.

Der Tote im Pool“ ist der zweite von bis jetzt fünf Rätselkrimis mit Aurel Timescu, die Jean-Christophe Rufin seit 2018 in Frankreich veröffentlichte. Auf Deutsch sind bis jetzt die ersten beiden Bände erschienen. Mit 208 Seiten ist „Der Tote im Pool“ angenehm kurz. Der Krimi verschwendet keine Zeit mit länglichen Nebengeschichten. Er konzentriert sich ausschließlich auf den Mordfall und die Suche nach dem Täter. Diese süffig geschriebene Tätersuche mit humoristischem Unterton findet vor exotischer Kulisse statt und besitzt ein ordentliches Retro-Flair. Das erinnert dann mehr an einen Kolonialkrimi, in dem weiße Europäer in den Kolonien unter der tropischen Hitze litten, liebten und mordeten, als an einen aktuellen Krimi, in denen es Klimaanlagen, Computer und Mobiltelefone gibt.

Der von Rufin erfundene Konsul Aurel Timescu lehnt ein solches Mobiltelefon für sich ab. Er möchte für seinen Vorgesetzten möglichst schwer erreichbar sein. Er ist ein Ermittler mit offensiv vorgetragener Arbeitsunlust, liebevoll gepflegter Misantrophie, exzessivem Weinkonsum, nächtlichen Arbeitsstunden und einer Liebe zum Jazz. Er entspricht dabei von seiner Persönlichkeit und seinem Verhalten weniger einem heute lebendem Mittfünziger, sondern einem Mann aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, der sich bestimmt gut mit Monsieur Claude versteht. Aurel ist ein von Rufin voller Sympathie beschriebenes, tapfer Widerstand leistendes Relikt aus einer anderen Zeit.

So ist „Der Tote im Pool“ vielleicht etwas aus der Zeit gefallen. Aber das ändert nichts am Lesevergnügen. Rufins zweiter Aurel-Timescu-Krimi ist genau der richtige Krimi für einen langen Tag am Pool.

Jean-Christophe Rufin: Der Tote im Pool – Ein Fall für den Konsul

(übersetzt von Eliane Hagedorn und Barbara Reitz)

Tropen, 2024

208 Seiten

17 Euro

Originalausgabe

Les Trois Femmes du Consul

Flammarion, Paris, 2019

Hinweise

Tropen über Jean-Christophe Rufin

Wikipedia über Jean-Christophe Rufin (deutsch, französisch)