
„Frederick J. Frenger jun., ein unbekümmerter Psychopath aus Kalifornien, bat die Stewardess in der ersten Klasse um ein weiteres Glas Champagner und Schreibzeug.“ gehört zu den legendären Romananfängen. Charles Willeford begann so „Miami Blues“, seinen ersten Roman mit Sergeant Hoke Moseley, einem Mordermittler des Miami Police Department, der wirklich nicht dem Bild des edlen Polizisten entsprach und auch mit dem „Miami Vice“-Glamour nichts am Hut hatte.
Nachdem Frenger in Miami ankommt, tötet er noch auf dem Flugplatz einen Hare-Krishna-Jünger. Ein dummer Unfall. Denn eigentlich verbog er ihm nur etwas die Finger und einige Minuten später ist der Gläubige tot.
Als Moseley und sein Partner Bill Henderson mit ihren Ermittlungen beginnen, sitzt Frenger bereits in seinem Hotelzimmer, das er mit geklauten Kreditkarten bezahlt – und ziemlich schnell entwickelt sich, vor der sonnigen Kulisse von Miami, ein Duell zwischen dem Psychopathen und dem Polizisten. Wobei Moseleys Ermittlungseifer noch angestachelt wird, weil Frenger ihm seine Dienstwaffe, Marke und Gebiß klaut. Das Gebiß wirft Frenger weg. Die Marke setzt er bei seinen Diebestouren ein.
Als „Miami Blues“ 1984 erschien, war der Hardboiled-Roman ein Erfolg. Willeford veröffentlichte bis zu seinem Tod 1988 in schneller Folge drei weitere Kriminalromane mit Hoke Moseley. Ein fünfter Hoke-Moseley-Roman geistert als Heiliger Gral durch die Krimigemeinde. 1990 wurde „Miami Blues“ von George Armitage mit Fred Ward, Alec Baldwin und Jennifer Jason Leigh verfilmt und es ist ein Kultfilm.
Der Roman markiert Willefords späten Durchbruch. Zwischen 1953 und 1962 veröffentlichte er zehn Noirs. Danach, weil seine Manuskripte als ‚zu deprimierend‘ abgelehnt wurden, nur noch vereinzelt und in großen Abständen. Ins Deutsche übersetzt wurden, neben den Moseley-Romanen, nur einige seiner Noirs. Sie sind, abgesehen von „Ketzerei in Orange“ und „Die schwarze Messe“, die beide bei Pulp Master erschienen, nur noch antiquarisch und teilweise zu astronomischen Preisen erhältlich.
Daher ist die jetzt im Alexander Verlag erschienene durchgesehene Neuauflage von „Miami Blues“ eine rundum erfreuliche Angelegenheit, die Charles Willeford und seine Hoke-Moseley-Romane einem jüngeren Publikum zugänglich macht.
Die nächsten drei Hoke-Moseley-Romane – „Neue Hoffnung für die Toten“, „Seitenhieb“, „Wie wir heute sterben“ –, will der Alexander Verlag im halbjährlichen Abstand wieder veröffentlichen.
Ach ja: wer eine ältere Ausgabe von „Miami Blues“ hat, muss die Neuausgabe nicht kaufen. Immerhin wurde die bekannte Übersetzung von Rainer Schmidt wieder verwendet und die insgesamt sieben Seiten Bonusmaterial rechtfertigen nicht unbedingt einen Neukauf. Es handelt sich um ein Gespräch zwischen Charles Willeford und John Keasler (Das erste umgekehrte Interview der Welt mit einem Romanautor, 1984) und einem E-Mail-Wechsel zwischen Jon A. Jackson und Jochen Stremmel über doppelte und versteckte Bedeutungen von in „Miami Blues“ verwandten Worten (2002),
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Charles Willeford: Miami Blues – Der erste Hoke-Moseley-Fall
(erweiterte und durchgesehene Neuausgabe)
(übersetzt von Rainer Schmidt)
Alexander Verlag, 2015
272 Seiten
14,90 Euro
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Originalausgabe
Miami Blues
Ballantine Books, 1984
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Frühere Ausgaben erschienen bei Ullstein, rororo thriller und im Alexander Verlag.
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Hinweise
Wikipedia über Charles Willeford (deutsch, englisch)
Charles Willeford Paperback Covers
Meine Besprechung von Charles Willefords „Die schwarze Messe“ (Honey Gal, 1958; The Black Mass of Brother Springer)
Meine Besprechung von Charles Willefords „Ketzerei in Orange“ (The burnt-orange heresy, 1971)
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