Die 22-jährige Nejma (Oulaya Amamra) will als erste Frau den jährlichen Course Camarguaise gewinnen. In dieser in Südfrankreich ausgeübten Form des Stierkampfs, die zum Immateriellen Kulturerbe Frankreichs gehört, geht es nicht darum, den Stier zu töten, sondern ihn herauszufordern und während des Kampfes unterschiedlich wertvolle Trophäen von den Hörnern des Stiers zu entfernen. Nach dem Kampf wird der Stier zurück auf die Weide geführt. Der Course Camarguaise ist ein traditioneller Sport, ein Wettbewerb zwischen Mensch und Tier und ein gutes Geschäft für die Region.
Die anderen Raseteure akzeptieren Nejma als eine von ihnen. Ausführlich zeigt Emma Benestan in ihrem zweiten Spielfilm das Leben der Raseteure zwischen Training, Pflege und Aufzucht der Tiere auf Höfen. Es ist ein hartes und ärmliches Leben in der Provinz, in der sich in den vergangenen Jahrzehnten wenig änderte.
Nach einem Wettkampf wird gefeiert und viel Alkohol getrunken. So auch nach Nejmas erstem Kampf in einer Stierkampfarena. In dieser Nacht geschieht etwas. Ab dem nächsten Tag bemerkt Nejma zunehmend Veränderungen an sich. Es ist, als ob sie in der Nacht zu einem anderen Wesen wurde.
Zur gleichen Zeit häufen sich nächtliche Angriffe auf Tiere und Menschen. Ihre Leichen sehen aus, als ob sie von einer Bestie zerfetzt worden wären.
Gestandene Horrorfilmfans ahnen sehr schnell, wer die Bestie ist und auch, was in der Nacht geschah. Benestan macht daraus ein großes Geheimnis, das erst am Ende vollständig enthüllt wird. Sie erzählt in „Animale“ ihre Version der Geschichte des Wolfsmenschen, konnotiert sie feministisch und würzt sie mit etwas Kapitalismuskritik. Denn die tödlichen Angriffe der Bestie auf Menschen werden primär als ein Problem für das Geschäft mit den die Wettkämpfe besuchenden Touristen gesehen. Das folgt den vertrauten Genrekonventionen und deutet dabei die schrecklichen Ereignisse mehr an als sie zu zeigen.
Neu und interessant ist dagegen ihr tiefes Eintauchen in die Welt der Raseteure. Über weite Strecken ist der Slow-Burner „Animale“ mehr ein quasi-dokumentarisches Sozialdrama als ein traditioneller Horrorfilm.

Animale (Animale, Frankreich/Belgien 2024)
Regie: Emma Benestan
Drehbuch: Emma Benestan
mit Oulaya Amamra, Damien Rebattel, Vivien Rodriguez, Claude Chaballier, Elies Morgan Admi-Bensellam, Pierre Roux
Länge: 100 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Veröffentlicht von AxelB