Neu im Kino/Filmkritik: „Heretic“ – Bitte treten Sie ein in meine bescheidene Hütte

Dezember 27, 2024

Häresie (von altgriechisch αἵρεσις haíresis, deutsch ‚Wahl‘, ‚Anschauung‘, ‚Schule‘) ist im engeren Sinn eine Aussage oder Lehre, die im Widerspruch zu kirchlich-religiösen Glaubensgrundsätzen steht. Im weiteren Sinn kann eine Häresie eine vom Anerkannten abweichende Lehre, Meinung, Doktrin, Ideologie, Weltanschauung oder Philosophie sein.

Ein Häretiker ist ein Vertreter einer Häresie.

(Wikipedia)

Dass Mr. Reed (Hugh Grant) ein äußerst ungewöhnlicher Häretiker ist, wissen Schwester Barnes (Sophie Thatcher) und Schwester Paxton (Chloe East), als sie bei ihm anklopfen, nicht. Die beiden jungen mormonischen Missionarinnen sollen in Peoria, Illinois, das Wort Gottes verbreiten. Mr. Reed wurde ihnen als eine Person genannt, die an einem Gespräch über den Glauben interessiert sei. Sie gehen natürlich von einem normalen Missionsgespräch aus. Aber Mr. Reed verwickelt sie schnell in einen anspruchsvollen theologischen Diskurs über Glaube, verschiedene Formen des Glaubens und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Glaubenssystemen. Das Gespräch wird, auch wegen der seltsamen Atmosphäre in dem einsam gelegenem Haus, schnell unheimlich.

Im Gegensatz zu den Schwestern Barnes und Paxton wissen wir von dem Moment, in dem Mr. Reed die Tür öffnet und die beiden jungen Frauen in sein dunkles Haus einlädt, dass sie ein Horrorhaus betreten. Und sie die Lämmer sind, die von Mr. Reed mit diabolischem Vergnügen, zur Schlachtbank geführt werden.

Scott Beck und Bryan Woods sind vor allem für ihre Drehbücher für „A quiet place“ und die Stephen-King-Verfilmung „The Boogeyman“ in guter Erinnerung. In ihrem neuesten Film „Heretic“, für den sie das Drehbuch schrieben und die Regie übernahmen, konzentrieren sie sich bis zum dritten Akt, der dann den erwartbaren Horrorthrillerkonventionen folgt, auf das Gespräch zwischen drei in einem Zimmer sitzenden Menschen. Und das ist äußerst spannend. Es geht um wichtige Fragen, die auf einem anspruchsvollem Niveau behandelt werden und die auch zum Nachdenken über die eigene Position zum Glauben und zu organisierten Religionen einladen.

Dieses Duell zwischen dem Häretiker und den beiden Missionarinnen ist der intellektuelle Disput, den Matt Browns „Freud – Jenseits des Glaubens“ (Freud’s Last Session, 2023) versprach. In dem letzte Woche im Kino gestartetem Drama versandete der versprochene Streit zwischen Sigmund Freud und C. S. Lewis atemberaubend schnell in belanglosen Nebenkriegsschauplätzen.

Ein weiterer Pluspunkt von „Heretic“ ist Hugh Grant. In den vergangenen Jahren demontierte er sein Image als Sonnyboy und Frauenschwarm mit zunehmend diabolischer Freude in exzentrischen Rollen und als Over-the-Top-Bösewicht. „Heretic“ reiht sich nahtlos in seine in den vergangenen Jahren äußerst gelungene Rollenwahl ein. Da verzeiht man auch das konventionelle Finale.

Heretic (Heretic, USA/Kanada 2024)

Regie: Scott Beck, Bryan Woods

Drehbuch: Scott Beck, Bryan Woods

mit Hugh Grant, Sophie Thatcher, Chloe East, Topher Grace, Elle Young

Länge: 111 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Heretic“

Metacritic über „Heretic“

Rotten Tomatoes über „Heretic“

Wikipedia über „Heretic“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Scott Beck/Bryan Woods‘ „Halloween Haunt“ (Haunt, USA 2019)