TV-Tipp für den 6. Oktober: Eo

Oktober 5, 2025

Arte, 23.10

Eo (Eo, Polen/Italien 2022)

Regie: Jerzy Skolimowski

Drehbuch: Ewa Piaskowska, Jerzy Skolimowski

TV-Premiere. Die Welt aus der Sicht eines Esel, der in Polen von Tierschützern aus einem Zirkus berfreit wird und, quer durch Europa wandernd, die Welt der Menschen erkundet.

Köstlich!

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Sandra Drzymalska, Tomasz Organek, Mateusz Kosciukiewicz, Lorenzo Zurzolo, Isabelle Huppert

Hinweise

Moviepilot über „Eo“

Metacritic über „Eo“

Rotten Tomatoes über „Eo“

Wikipedia über „Eo“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jerzy Skolimowskis „Eo“ (Eo, Polen/Italien 2022)


Neu im Kino/Filmkritik: Roman Polanski besucht „The Palace“

Januar 18, 2024

Nach seiner Premiere im September 2023 bei den Filmfestspielen von Venedig waren die Kritiken für „The Palace“ vernichtend. Auf Rotten Tomatoes gehört der neue Film von Roman Polanski zu den wenigen Filmen, die einen Frischegrad von null Prozent haben. Ein solcher Frischegrad, der sich aus der Zusammenfassung verschiedener Kritiken zu einem Film ergibt, ist normalerweise filmischen Vollkatastrophen vorbehalten. Es sind Filme bei denen nichts stimmt.

So schlecht ist „The Palace“ nicht. Es ist auch kein guter Film, sondern eine seltsam aus der Zeit gefallene, teilprominent besetzte Komödie, die sich an der satirisch-klamaukigen Kapitalismuskritik der sechziger und siebziger Jahre orientiert.

Polanski schildert die Ereignisse einer Silvesternacht in einem in den verschneiten Alpen liegendem Nobelhotel. Hansueli Kopf (Oliver Masucci) schwört am Filmanfang seine Angestellten auf eine anstrengende Nacht ein, in der alles perfekt sein soll und jeder Wunsch der vermögenden, aus der ganzen Welt angereisten Gäste erfüllt wird. Diese haben alle ihre Marotten, Phobien und Extrawünsche, die sie nur ausleben können, weil sie andere Menschen gut bezahlen, diese zu tolerieren.

Die sich daraus entwickelnde, am 31. Dezember 1999 spielende Filmgeschichte ist eine Nummernrevue, die sich weitgehend in einer Aneinanderreihung von Witzen und absurden Situationen erschöpft. Einige sind witziger, andere nicht. Die Gäste sind allesamt grotest überzeichnete Millionäre und Schein-Millionäre, die ihre Eitelkeiten pflegen. Gespielt werden diese Knallchargen unter anderem von John Cleese, Mickey Rourke, Fanny Ardant und Joaquim De Almeida.

Präsentiert wird dieser Klamauk im Stil der vor fünfzig Jahren in satirisch gemeinten Filmen angesagten Kapitalismuskritik, in der die finanzielle Oberschicht als ein Haufen geld- und sexgieriger Idioten, Schnorrer und Kleingeister demaskiert wird. Das war schon damals eher nervig als witzig.

Mit der misslungenen erotischen Farce „Was?“ (What?, 1972) inszenierte Roman Polanski in der Villa von Carlo Ponti, der „Was?“ produzierte, eine solche, zu Recht vergessene Komödie.

The Palace“ drehte Polanski – auch wenn der Film immer wie in einem Studio gedreht wirkt – im Palace Hotel in Gstaad in der Schweiz. Polanski besucht das Hotel seit fast fünfzig Jahren. Die Idee für den Film hatten, laut Presseheft, er und Andrea Scherz, Besitzerin und Geschäftsführerin des Hotels, bei einem Kaffee. Bei diesem Gespräch haben sie sich wahrscheinlich über verschiedene Hotelgäste, ihre Marotten und unglaubliche Ereignisse, die sich im Hotel in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ereigneten, amüsiert. Aus einer solchen Sammlung von Anekdoten ergibt sich aber nur ein Haufen Material. Eine Geschichte ist das nicht. Es wird auch nicht zu einer Geschichte, wenn einige Figuren öfter auftauchen und sich aufeinanderfolgende Ereignisse geschildert werden. Es bleiben beliebig austauschbare Sketche.

Das Drehbuch schrieb Polanski dann mit Jerzy Skolimowski und Ewa Piaskowa. Sie ist Skolimowskis Frau und seine langjährige Schreibpartnerin (zuletzt „Eo“). Polanski und Skolimowski kennen sich seit den späten fünfziger Jahren. In Polen besuchten sie die renommierte Filmhochschule in Łódź. Skolimowski ist einer der Drehbuchautoren von Polanskis Spielfilmdebüt „Das Messer im Wasser“ (Nóż w wodzie, 1962). Das auf einem Segelboot sich innerhalb von 24 Stunden abspielende Drei-Personen-Psychodrama war der Beginn von Polanskis internationaler Karriere.

The Palace“ knüpft mit der Beschränkung auf einen Handlungsort und eine begrenzte Handlungszeit von deutlich weniger als 24 Stunden an „Das Messer im Wasser“ an. Dass die Gäste des Hotels alle auf ein Ereignis warten, knüpft an Polanskis absurde Komödie „Wenn Katelbach kommt…“ (Cul-de-sac, 1966) an. Wobei der Katelbach von „The Palace“ das Silvesterfeuerwerk und die Angst vor dem Millennium-Bug sind. Damals wurde ein riesiger Computercrash befürchtet, weil in Programmen nur die letzten beiden Ziffern der Jahreszahlen enthalten waren.

Trotz dieser durchaus vorhandenen Verbindungen zu seinen früheren Filmen und dass am Ende des Films die Figuren, außer wenn sie gestorben sind, wieder an dem Punkt stehen, an dem sie am Anfang standen, machen aus „The Palace“ trotzdem keines dieser Alterswerke, in denen ein Künstler noch einmal sein Werk und seine Themen Revue passieren lässt. Polanskis jüngste Schwarze Komödie ist ein Scherz, der nicht witzig ist.

The Palace“ ist in jedem Fall einer, vielleicht sogar der überflüssigste Film von Roman Polanski. Denn das was in dieser Farce als Gesellschaftskritik verkauft wird, ist oberflächlich und genügt sich in der Aneinanderreihung von altbekannten Plattheiten, in der alle Figuren grotesk und eindimensional lächerlich sind.

The Palace (The Palace, Italien/Polen/Schweiz/Frankreich 2023)

Regie: Roman Polanski

Drehbuch: Ewa Piaskowska, Jerzy Skolimowski, Roman Polanski

mit Oliver Masucci, Fanny Ardant, John Cleese, Bronwyn James, Joaquim De Almeida, Mickey Rourke, Luca Barbareschi, Milan Peschel, Fortunato Cerlino

Länge: 102 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „The Palace“

AlloCiné über „The Palace“

Metacritic über „The Palace“

Rotten Tomatoes über „The Palace“

Wikipedia über „The Palace“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Roman Polanskis „Der Ghostwriter“ (The Ghost Writer, Frankreich/Deutschland/Großbritannien 2010)

Meine Besprechung von Roman Polanskis “Venus im Pelz” (La Vénus á la Forrure, Frankreich/Polen 2013)

Meine Besprechung von Roman Polanskis „Nach einer wahren Geschichte“ (D’après une histoire vraie, Frankreich 2017)

Meine Besprechung von Roman Polanskis „Intrige“ (J’accuse, Frankreich/Italien 2019)


Neu im Kino/Filmkritik: Zum Beispiel „Eo“

Dezember 23, 2022

Das passt gut: zum Kinostart verkündet die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, dass „Eo“ auf der Oscar-Shortlist für den besten fremdsprachigen Film steht. Neben, unter anderem, „Im Westen nichts Neues“, „Corsage“, „Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten“, „Close“, „Holy Spider“ und „Die Frau im Nebel“.

Gegen diese starke Konkurrenz hat Jerzy Skolimowskis Esel bestenfalls Außenseiterchancen. Denn „Eo“ ist eine in jeder Beziehung karge Parabel, die sich vor allem an Cineasten richtet. Das beginnt schon mit Skolimowskis Hinweis, dass sein Film eine Hommage an Robert Bressons Klassiker „Zum Beispiel Balthasar“ (Au hasard Balthazar, 1966) ist. Cineasten, Filmkritiker und auch jüngere Regisseure wie Wes Anderson und Richard Linklater feiern den beim breiten Publikum fast unbekannten Film immer wieder ab. In seinem für zahlreiche Interpretationen offenem Film schildert Bresson die Erlebnisse eines Esels.

Auch Jerzy Skolimowski gibt in seinem Film „Eo“ nichts vor. Eos Geschichte beginnt in einem Zirkus in Polen. Er wird von Kassandra gepflegt und geliebt. Als Tierschützer gegen die vermutliche und echte Tierquälerei im Zirkus protestieren, wird er, wie alle Zirkustiere, befreit. In dem Moment beginnt seine Odysee quer durch Europa.

Auf seiner Reise von Polen nach Italien wird er immer wieder herumgestoßen, sieht und erfährt Gewalt und beobachtet das seltsame Verhalten der Menschen. Stumm und mit ausdrucksloser Mine kommentiert er es. Sowieso ist der Film fast ein Stummfilm. Eos Erlebnisse sind zufällige Episoden und Begegnungen. Er will von den Menschen nichts und sie wollen auch nichts von ihm. Es sind Vignetten ohne einen Anfang und ein Ende. Denn Eo stolpert in sie hinein, wird mehr oder weniger involviert und zieht weiter.

Skolimowski schildert dies wundervoll verknappt, pointiert zugespitzt und mit vielen filmischen Anspielungen. So erinnert beispeilsweise der Zirkus am Filmanfang an Federico Fellinis „La Strada – Das Lied der Straße“. Eo ist ein geistiger Verwandter des Stummfilm-Komikers Buster Keaton, der auch niemals eine Mine verzog.

Das ist, auch wegen der filmischen Anspielungen, ein eher intellektueller Spaß. Aber dank des stoischen Hauptdarsteller (genaugenommen wurde Eo von sechs Eseln gespielt) ein großer Spaß. Wenn man sich damit anfreunden kann, die Geschichte eines Esels zu verfolgen und die Welt mit den Augen eines Esels zu sehen. Dabei ist Eo nur ein anderes Wort für Mensch.

Der im Mai 1938 in Łódź geborene ist Jerzy Skolimowski ist ein weltweit bekannter polnischer Regisseur. Nach seinen Anfängen in Polen drehte er schnell auch im Westen Filme. Zu seinen ersten Arbeiten gehört das Drehbuch für Roman Polanskis „Das Messer im Wasser“ (1962). Zu seinen Filmen gehören „Deep End“ (1970), „Der Todesschrei“ (1978), „Schwarzarbeit“ (1982), „Das Feuerschiff“ (1985) und „Essential Killing“ (2010). Skolimowski trat auch als Schauspieler in den Filmen anderer Regisseure auf. So spielt er in dem Marvel-Film „The Avengers“ den KGB-General Georgi Luchkov.

Eo (Eo, Polen/Italien 2022)

Regie: Jerzy Skolimowski

Drehbuch: Ewa Piaskowska, Jerzy Skolimowski

mit Sandra Drzymalska, Tomasz Organek, Mateusz Kosciukiewicz, Lorenzo Zurzolo, Isabelle Huppert

Länge: 88 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Eo“

Metacritic über „Eo“

Rotten Tomatoes über „Eo“

Wikipedia über „Eo“ (deutsch, englisch)