Neu im Kino/Filmkritik: Über das Biopic „Oxana – Mein Leben für Freiheit“

Juli 24, 2025

Oksana ‚Oxana‘ Schatschko war eine Künstlerin und Mitgründerin und bekannte Aktivistin von Femen. Das war eine kurzlebige, offiziell am 11. April 2008 in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gegründete Protestgruppe von jungen Frauen, die gekonnt die Aufmerksamkeitsökonomie der Medien und des großen Publikums bedienten. Anstatt bei politischen Veranstaltungen schreiend Protestschilder hochzuhalten, schrieben die Studentinnen ihre Protestbotschaft gegen sexuellen Missbrauch und Sextourismus auf ihren nackten Oberkörper und präsentierten der ganzen Welt ihren entblößten Busen. Sie – jedenfalls die Frauen, deren Bilder um die Welt gingen – sahen überaus gut aus. Die politische Botschaft blieb, notgedrungen, plakativ. Sofern sie überhaupt wahrgenommen wurde zwischen den halbnackten Frauen und den sie aus dem Saal zerrenden vollständig bekleideten Männern.

Nach einigen Jahren verschwand die Femen-Bewegung ohne größer Spuren zu hinterlassen aus dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit.

In ihrem, und das wird schon am Anfang des Films gesagt, sich Freiheiten nehmendem Biopic „Oxana – Mein Leben für Freiheit“ erzählt Charlène Favier nun die Geschichte von Oksana Schatschko, gespielt von Albina Korzh, die vorzüglich lange stumm in die Landschaft blicken kann. Favier erzählt Oxanas Leben vor allem in Andeutungen und im wesentlichen auf zwei Zeitebenen. Die eine spielt in der Ukraine; zu einem geringeren Teil während ihrer Jugend, als die am 31. Januar 1987 in der ukrainischen Provinzstadt Chmelnyzkyi geborene Oksana Schatschko als Ikonenmalerin ihr erstes Geld verdient, und zu einem größeren Teil in Kiew, wo sie mit ihren Freundinnen als Femen-Aktivistinnen für Aufruhr sorgten. Die zweite Zeitebene spielt in Paris und konzentriert sich auf ihren letzten, anscheinend komplett erfundenen Tag. Seit 2013 war Schatschko in Frankreich als politischer Flüchtling anerkannt. Der Film endet am 23. Juli 2018 wenige Stunden vor dem Beginn einer ihrer Ausstellungen mit ihrem Suizid in ihrer Wohnung.

So weit, so gut.

Dieses Leben könnte die Basis für ein mitreißendes Biopic über eine kämpferische Frau gegen das Establishment sein.

Aber „Oxana“ reiht sich nahtlos in die jüngeren Biopics über Frauen ein. Es hat die gleichen Probleme wie das letzte Woche gestartete Biopic „Leonora im Morgenlicht“ über die Surrealistin Leonora Carrington. In diesem Fall interessiert sich das Biopic nicht für die Femen-Bewegung und nicht für das Werk von Oksana Schatschko; – obwohl wir hier wenigstens ihre Werke sehen. Sie wird, wie die Protagonistinnen in den anderen Biopics über Frauen, auf ihre psychischen Probleme und ihren Körper reduziert.

Das Gesamtergebnis ist deswegen, wieder einmal, ärgerlich. Einzelne gelungene Szenen und gute Schauspielerinnen ändern nichts daran. „Oxana – Mein Leben für Freiheit“ ist nur ein weiterer Film über eine Frau mit psychischen Problemen, der behauptet, etwas über die real existierende Person erzählen zu wollen. Dabei steht in diesem Fall, ausgehend von dem Hinweis am Filmanfang, dass sich Freiheiten genommen wurden, sogar jedes Bild im Verdacht, eine durch keinerlei Fakten gedeckte Erfindung der Regisseurin zu sein.

Wer jetzt denkt, das sei etwas harsch formuliert, möge mir entsprechende Biopics über Männer nennen, in denen wir nichts über ihre Arbeit, viel über ihr Privatleben und noch mehr über ihre psychischen Probleme erfahren, die bestenfalls rudimentär, falls überhaupt, mit ihrem künstlerischen Schaffen verknüpft werden.

Er kann mir dann auch gleich eine Handvoll Biopics über Männer nennen, bei denen im Filmtitel nur der Vorname des Porträtierten genannt wird. „Elvis“, über Elvis Presley, ist in diesem Fall höchstens ein halber Treffer und die Ausnahme von der Regel.

Oxana – Mein Leben für Freiheit (Oxana, Frankreich 2024)

Regie: Charlène Favier

Drehbuch: Diane Brasseur, Charlène Favier, Antoine Lacomblez

mit Albina Korzh, Maryna Koshkina, Lada Korovai, Oksana Zhdanova, Yoann Zimmer, Noée Abita

Länge: 104 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

AlloCiné über „Oxana“

Moviepilot über „Oxana“

Wikipedia über „Oxana“ (deutsch, französisch) und Oksana Schatschko (deutsch, englisch)