So ungefähr in der Mitte eines Films frage ich mich oft, was bisher geschah. Also was würde ich einem Freund über den Film erzählen, wenn in dem Moment die Vorführung abbricht. Und was würde ich sagen, wenn er mich fragten würde, ob ich den Film empfehlen könnte. Das ist, zugegeben, ein etwas unzuverlässiger Test – so gibt es in dem Moment bei einem Rätselkrimi nur den Mord und viele Verdächtige, die in mühseliger Kleinarbeit von dem Ermittler befragt werden. Aber auch bei einem Rätselkrimi weiß ich in dem Moment, um was es in dem Film geht. Also wer die Hauptperson(en) sind und welches Problem behandelt und gelöst werden muss. Schließlich steht am Ende des Films die Enttarnung des Mörders.
In „Zikaden“ ist bis zu diesem Moment einiges passiert, aber es handelt sich immer noch um weitgehend unverbundene Szenen, bei denen unklar ist, wohin sie führen könnten. Damit verbunden ist die Frage, was mir die einzelnen Szenen sagen sollen, also wie sie die Geschichte voranbringen oder ob sie, egal wie gut sie gespielt und inszeniert sind, ersatzlos gestrichen werden könnten.
In dem Film geht es um die 48-jährige Isabell (Nina Hoss), die sich vor allem um ihre zunehmend pflegebürftigen Eltern kümmert. Ihr Vater sitzt seit über vierzig Jahren halbseitig gelähmt und mit einer schweren Sprachstörung im Rollstuhl. Davor arbeitete er als Architekt an großen Bauprojekten und er scheint eine milde Bauhaus-Ästhetik zu bevorzugen. Seine Frau hat die normalen Gebrechen, die es in dem Alter gibt. In Berlin leben sie in einer großen Wohnung. Immer ist ein von Isabell engagierter ausländischer Pfleger bei ihnen.
Isabell möchte deren in der Nähe von Berlin liegendes großes, von ihrem Vater geplantes und stilecht eingerichtetes Wochenendhaus verkaufen. Es steht die meiste Zeit leer und vergammelt. Aber ihr Vater will das Haus, das sie nur in Begleitung aufsuchen können, nicht verkaufen.
In der brandenburgischen Provinz trifft Isabell im Sommer auf die in der Nähe von dem elterlichen Wochenendhaus lebende Anja (Saskia Rosendahl). Sie ist eine alleinerziehende Nachbarin, die von Aushilfstätigkeit zu Aushilfstätigkeit hüpft und sich kaum um ihre Tochter Greta kümmern kann. Das Kind verbringt ihre Freizeit mit einigen etwas älteren Jungen, die sich wie vorpubertäre Halbstarke benehmen. Nachdem Anja aus einer Kantine entlassen wurde, nimmt sie eine Arbeit auf einer Bowlingbahn an.
Isabell ist außerdem mit einem nur französisch sprechendem Architekten (Joah, das ist Berlin. Da lebt man seit Ewigkeiten in der Stadt und lernt weder berlinerisch noch deutsch, weil es auch ohne geht.) verheiratet. In ihrer Ehe kriselt es. Irgendwie. Sie werfen sich in der zweiten Filmhälfte vor, wer wann ein Kind wollte oder nicht wollte. In jedem Fall sind sie nicht mehr so verliebt, wie am ersten Tag. Mehr ist nicht geklärt und wird in dem Drama auch nicht wirklich geklärt.
Aus diesen Szenen entwickelt sich letztendlich für alle Figuren eine milde, mehr diffuse als definitive Neubestimmung ihres Lebens, präsentiert mit vielen Andeutungen und Leerstellen, die fast beliebig gefüllt werden können.
Weitere Interpretationsmöglichkeiten eröffnen sich mühelos, wenn man erfährt, dass Isabells Eltern von Ina Weisses Eltern gespielt werden.
Das ist gut gespielt, feinfühlig inszeniert, aber auch erschreckend ziellos. Am Ende hatte ich nicht das Gefühl, einen Film mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende gesehen zu haben. Stattdessen war es eher, als hätte man mir einige Seiten aus Tagebüchern gegeben. Deshalb ist das Schlussbild nicht das Ende einer Erzählung, sondern einfach nur ein schönes, friedliches und harmonisches Bild ohne weitere Bedeutung.

Zikaden (Deutschland 2025)
Regie: Ina Weisse
Drehbuch: Ina Weisse
mit Nina Hoss, Saskia Rosendahl, Vincent Macaigne, Thorsten Merten, Inge Weisse, Rolf Weisse
Länge: 102 Minuten
FSK: ab 6 Jahre
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Hinweise
Rotten Tomaotes über „Zikaden“
Veröffentlicht von AxelB