Neu im Kino/Filmkritik: „Sisu: Road to Revenge“, gepflastert mit Leichen

November 20, 2025

Das finnisch-russische Grenzgebiet 1946: durch eine Grenzverschiebung ist das Elternhaus des Finnen Aatami Korpi (Jorma Tommila) in der Sowjetunion. Er fährt über die Grenze, um das Holzhaus abzubauen und auf der finnischen Seite der Grenze wieder aufzubauen.

Aatami kennen wir aus „Sisu“ (2022). Das titelgebende Wort ist kein Spitzname für Aatami, sondern ein finnisches Wort, das meistens als „Kraft“, „Ausdauer“, „Beharrlichkeit“ und „Unnachgiebigkeit“ übersetzt wird. Es geht um eine besondere, für Finnland identitätsstiftende Form von Beharrlichkeit und Tapferkeit in vollkommen ausweglosen Situationen. Aatami ist die fleischgewordene Verkörperung dieser Idee. In „Sisu“ tötete er, noch während des Zweiten Weltkriegs, ganze Horden von Nazi-Soldaten, die ihn umbringen und sein Gold stehlen wollten.

In der Fortsetzung „Sisu: Road to Revenge“ kämpft der schweigsame Aatami gegen Yeagor Dragunov (Stephen Lang). Der Offizier der Roten Armee fiel in der Sowjetunion in Ungnade, weil Aatami dreihundert von seinen Männern tötete. Dafür soll Aatami jetzt sterben. Um dieses Ziel zu erreichen, erhält Dragunov jede gewünschte Unterstützung.

Und schon sind wir Mitten in einer munteren Schlachtplatte. Denn Aatami ist vielleicht verwundbar, aber nichts wird ihn davon abhalten, sein Elternhaus in Finnland wieder aufzubauen. Vor allem nicht einige Soldaten der Roten Armee, die ihn und seinen schweren Laster auf Motorrädern oder in Flugzeugen verfolgen oder in einem Zug zum nächsten Kampfschauplatz gebracht werden.

Formal gesehen ist „Sisu: Road to Revenge“ die Fortsetzung des Überraschungshits „Sisu“, die eine vollkommen eigenständige, in sich abgeschlossene Geschichte erzählt, für die keinerlei Vorwissen nötig ist. Und alles, was ich damals über Jalmari Helanders blutrünstigen Kriegsfilm schrieb, trifft auch auf „Sisu: Road to Revenge“ zu. Mit eine kleinen ‚aber‘.

Wie schon der erste Teil knüpft „Sisu: Road to Revenge“ stilistisch an den Italo-Western und harte italienische B-Kriegsfilme aus den siebziger Jahren an, die auch Quentin Tarantino zu seinen „Inglourious Basterds“ inspirierten. Der schwarze Humor, die zynisch-satirischen Überspitzungen in den hemmungslos übertriebenen Kämpfen und die ideenreichen Tötungsmethoden erinnern an Italo-Western. So zeigt der sehr schweigsame Aatami sich überraschend einfallsreich beim Abschießen von Flugzeugen.

Und damit kämen wir zum ‚aber‘. Die Story, die schon im ersten Teil nicht mehr als die Skizze für die Actionszenen war, ist noch minimalisitscher. Eigentlich geht es nur um einen Mann, der gegen Horden sowjetischer Soldaten kämpft. Zuerst auf der Straße, die ihn möglichst schnell nach Finnland bringen soll, und später in einem Zug. Da fehlen dann die Variationen und Twists des ersten Teils.

Es fehlt auch der Überraschungseffekt des ersten Films. Damals überraschten Aatamis kämpferische Talente, sein Improvisationsvermögen und sein unbedingter Durchhaltewille. Jetzt fragt man sich nur noch, wie der unbesiegbare Griesgram seine austauschbaren Gegner tötet. Störend ist dabei Helanders Marotte, jedes von Aatami geschrottete sowjetische Fahrzeug fotogen explodieren zu lassen.

Trotzdem können die Fans von „Sisu“ sich beruhigt zurücklehnen. Helander bietet in „Sisu: Road to Revenge“ in unter neunzig Minuten ‚more of the same‘.

Sisu: Road to Revenge (Sisu: Road to Revenge, Finnland/USA 2025)

Regie: Jalmari Helander

Drehbuch: Jalmari Helander

mit Jorma Tommila, Richard Brake, Stephen Lang

Länge: 90 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Sisu: Road to Revenge“

Metacritic über „Sisu: Road to Revenge“

Rotten Tomatoes über „Sisu: Road to Revenge“

Wikipedia über „Sisu: Road to Revenge“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jalmari Helanders „Sisu“ (Sisu, Finnland 2022)


Neu im Kino/Filmkritik: „Sisu“, nicht sterben, sondern Nazis töten

Mai 11, 2023

Finnland, weit, weit, sehr weit weg von der nächsten menschlichen Ansiedlung, sucht 1944 ein Mann nach Gold. Vom Krieg will Aatami Korpi nichts mehr wissen. Dabei war der Einsiedler einer der besten Soldaten, eine Killermaschine, die noch vor dem Frühstück eine Hundertschaft Feinde tötete. Und die anderen in Todesangst versetzte. Jetzt ist er nur noch ein zurückgezogen lebender Goldsucher, der den Horizont genau beobachtet. Als er Gold, also riesige Mengen Gold, findet, kann er sein Glück nicht fassen.

Kurz darauf zieht er schwerbepackt in Richtung Zivilisation los – und trifft auf eine Trupp deutscher Soldaten. Sie lassen ihn unbehelligt weiterziehen. Denn ihr Anführer, SS-Obersturmführer Bruno Helldorf, ist überzeugt, dass in wenigen Minuten der nächste Trupp deutscher Soldaten den einsamen Reiter töten wird.

Das ist ein Irrtum.

Als Helldorf die toten Soldaten entdeckt, will er ihren Tod rächen. Der Goldsucher soll sterben. Außerdem will Helldorf Aatamis Gold behalten.

Doch so einfach, wie Helldorf sich das denkt, ist es nicht.

Und wie der Goldsucher die Nazis mit stoischer Mine tötet, ist ein großer Spaß für die Fans eines trashigen, blutigen Kriegsfilms. Aatami benutzt neben den üblichen Hieb-, Stich- und Schusswaffen auch von den Nazis verbuddelte Minen, die er, aus dem Nebel heraus, ungewöhnlich treffsicher gegen die Nazis einsetzt.

Dieser schnell eskalierende Konflikt vor malerischer Landschaft ist für Jalmari Helander die Ausgangslage für eine äußerst blutige und auch witzige Schlachtplatte, in der es darum geht, Nazis zu töten. Möglichst kreativ, blutig und zielgenau auf das Publikum zielend, das gerne einen ultrabrutalen, trashigen Kriegsfilm sehen möchte, der mehr am Erfüllen von Rachefantasien als an historischer Genauigkeit interessiert ist.

Stilistisch orientiert Helander sich bei seinem neuen Film „Sisu“ am B-Picture-Kriegsfilm der räudigen Sorte und, mehr noch, dem Italo-Western. Denn der Goldsucher ist offensichtlich ein Bruder von Django. Beide töten ähnlich stoisch Bösewichter. Und die Bösewichter sind so böse, dass sie gleich im Dutzend ermordet werden.

Am Ende wirkt „Sisu“ wie ein Geschichte, die Quentin Tarantino für „Inglorious Basterds“ schrieb und aus dem endgültigen Film herausschnitt. Nicht, weil sie schlecht ist, sondern weil der Film einfach schon zu lang war. – Das sollte als Empfehlung wirklich genügen.

Helander inszenierte vorher den blutigen Anti-Weihnachtsfilm „Rare Exports – Eine Weihnachtsgeschichte“ (2010) und den Actionfilm „Big Game – Die Jagd beginnt“ (2014).

Sisu (Sisu, Finnland 2022)

Regie: Jalmari Helander

Drehbuch: Jalmari Helander

mit Jorma Tommila, Aksel Hennie, Jack Doolan, Mimosa Willamo, Onni Tommila

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Finnische Homepage zum Film

Moviepilot über „Sisu“

Metacritic über „Sisu“

Rotten Tomatoes über „Sisu“

Wikipedia über „Sisu“ (deutsch, englisch)