Cover der Woche

August 19, 2014

Lansdale - Captains Outrageous


Mit Joe R. Lansdale auf der „Straße der Toten“ und in „Dunkle Gewässer“

April 10, 2013

Lansdale - Dunkle Gewässer - 2Lansdale - Strasse der Toten - 2

Die Zivilisation mit geteerten Straßen, Zentralheizungen, Radios und fließendem Wasser gab es in den frühen dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts in Osttexas noch nicht.

Obwohl – fließend Wasser gab es schon. Immerhin floss der Sabine River schon damals an den wackeligen Holzhäusern, in denen die Räume teils mit von der Decke hängenden Decken in zimmerähnliche Einheiten unterteilt wurden, vorbei.

Und das Telefon wurde von Sue Ellens Vater meistens zum Fische fangen benutzt. Bei einer solchen Angeltour mit ihrem Vater und ihrem Onkel, beides Nichtsnutze vor dem Herrn, entdecken sie im Fluss die Leiche von May Lynn, einer Freundin von Sue Ellen, die ermordet und mit einer Nähmaschine beschwert, im Fluss versenkt wurde. Während der korrupte und faule Constable Sy den Fall sofort als quasi natürlichen Tod zu den Akten legt, ist die sechzehnjährige Sue Ellen neugierig.

Zusammen mit ihren beiden Freunden Jinx, einer Afroamerikanerin, und Terry, ein Frauenschwarm, der, wie wir später erfahren, dummerweise homosexuell ist, wollen sie May Lynns großen Traum, die in Hollywood Schauspielerin werden wollte, erfüllen: sie wollen ihre Asche nach Hollywood bringen. Das nötige Startkapital finden sie auf einem Friedhof. Denn dort versteckte May Lynns inzwischen verstorbener Bruder die Beute von seinem Banküberfällen.

Gemeinsam machen sich die Drei, begleitet von Sue Ellens alkoholsüchtig-depressiver Mutter, auf einem Floß auf dem Sabine River auf den Weg in die nächste größere Stadt.

Als sie aufbrechen ahnt Sue Ellen noch nicht, dass sie von ihrem Vater und Onkel, May Lynns Vater, dem Sheriff und dem sagenumwobenen Killer Skunk (der seinen Opfern die Hände abhacken soll) verfolgt werden.

Dunkle Gewässer“, der neueste Roman von Joe R. Lansdale, ist eine weitere Geschichte aus Osttexas während der Depression. Denn Lansdale, der sich zunächst mit in der Gegenwart spielenden Kriminalromanen, der grandiosen Hap-Collins-Leonard-Pine-Serie, Horrorgeschichten und abgedrehten Pulp-Geschichten, einen exzellenten Ruf bei den Fans spannender Geschichten erschrieb, hat sich ungefähr seit dem mit dem Edgar ausgezeichneten „Die Wälder am Fluss“ (The Bottoms, 2000) eine neue Nische erschrieben: spannende Geschichte, die in Osttexas in der Vergangenheit so zwischen 1900 und 1950 spielen, oft einen jugendlichen Protagonisten haben und sich mit dem damaligen Rassismus sehr undidaktisch auseinandersetzen. Einerseits ist die Rassentrennung auf jeder Seite spürbar, andererseits überwinden seine Protagonisten diese Grenzen, wie auch in „Dunkle Gewässer“, wo eine Bande von Outcasts sich gemeinsam auf eine Reise begeben.

Aber in erster Linie ist Joe R. Lansdale ein begnadeter Storyteller und „Dunkle Gewässer“ kann locker als modernisierte Version von Tom Sawyer und Huckleberry Finn gelesen werden.

Wer sich jetzt fragt, warum dieser Joe R. Lansdale nicht viel bekannter ist (er sollte es nämlich definitiv sein), muss nur einen Blick auf den Klappentext und die Widmung von „Straße der Toten“ werfen.

Denn in dem Roman und den vier Kurzgeschichten steht Reverend Jebediah Mercer im Mittelpunkt, ein Geistlicher, der mehr mit „Dirty Harry“ Callahan als mit Pater Brown oder Rabbi Small (erfunden von Harry Kemelman) zu tun hat.

Und die Geschichten? Nun, Joe R. Lansdale schreibt in der Widmung: „Die ursprüngliche Version von ‚Dead in the West‘ erschien in den Ausgaben 10 bis 13 von Eldritch Tales. Sie war eine Hommage an die Pulps, besonders Weird Tales. Die vorliegende, grundlegen überarbeitete Fassung ist nicht nur eine Hommage an die Pulps, sondern auch an Comics wie die berühmt-berüchtigten von EC und Jonah Hex (die frühen Hefte), und vielleicht vor allem an Horror-B-Movies wie Curse of the Undead, Billy the Kid versus Dracula, Jesse James meets Frankenstein’s Daughter und dergleichen.“

Ähem, ja, das ist definitiv kein Stoff für die breiten Massen. Vor allem, wenn ich jetzt noch sage, dass dieser Reverend Jebidiah Mercer nicht Strauchdiebe und andere Gesetzesbrecher, sondern Vampire, Untote, Zombies, Ghule, Werwölfe und sonstige definitiv nicht-menschlichen Wesen jagt.

In „Dead in the West“, mit 130 Seiten die längste Geschichte des Sammelbandes „Straße der Toten“, kämpft er in dem Kaff Mud Creek gegen Vampire, die zunächst unbemerkt ihre ersten Taten begehen, während Reverend Jebidiah sich auf seinen nächsten Gottesdienst vorbereitet, einem Jungen Schießunterricht gibt, sich in die Tochter des Ortsdoktors verliebt und mit dem Doktor über übersinnliche Phänomene räsoniert. Denn sie entdeckten eine Leiche, die bei Sonnenaufgang verfiel.

Kurz gesagt liest sich „Dead in the West“ wie eine gelungene Verbindung aus „Der letzte Scharfschütze“ (The Shootist, USA 1976) und dem Jahre später entstandenem „From Dusk till Dawn“ (USA 1996).

In den Kurzgeschichten „Straße der Toten“, „Das Gentleman’s Hotel“, „Der schleichende Himmel“ und „Tief unter der Erde“, die alle, wie der Roman „Dead in the West“, deutsche Erstveröffentlichungen sind und nach den Ereignissen in Mud Creek spielen, hat Reverend Jebidiah Mercer sein Schicksal als Dämonenjäger akzeptiert. Entsprechend schnell begibt der lakonische Geistliche sich auf die Jagd nach den Geschöpfen der Nacht. Mit wechselnden Gefährten, der Bibel, seinem Revolver und auch mal einer Stange Dynamit.

Die Abenteuer von Reverend Jebidiah Mercer sind feine Pulp-Geschichten, die einfach Spaß machen und ziemlich „weird“ sind.

Joe R. Lansdale: Dunkle Gewässer

(übersetzt von Hannes Riffel)

Tropen, 2013

320 Seiten

19,95 Euro

Originalausgabe

Edge of Dark Water

Mulholland Books, 2012

Joe R. Lansdale: Straße der Toten

(übersetzt von Robert Schekulin und Doreen Wornest)

Golkonda, 2013

288 Seiten

16,90 Euro

Originalausgabe

Deadman’s Road

Subterranean Press, 2010

enthält

Dead in the West (Dead in the West, Erstdruck in Eldritch Tales 10 – 13, 1984 – 1987, für diese Ausgabe grundlegend überarbeitet)

Straße der Toten (Deadman’s Road, Erstdruck in Weird Tales 343, Februar/März 2007)

Das Genleman’s Hotel (The Gentleman’s Hotel, Erstdruck in The Shadows, Kith and Kin, Subterranean Press, 2007)

Der schleichende Himmel (The crawling Sky, Erstdruck in Son of Retro Pulp Tales, Subterranean Press, 2009)

Tief unter der Erde (The Dark down there, Erstdruck in Deadman’s Road, Subterranean Press, 2010)

Hinweise

Homepage von Joe R. Lansdale

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Wilder Winter“ (Savage Season, 1990)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Rumble Tumble“ (Rumble Tumble, 1998 )

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Der Gott der Klinge” (The God of the Razor, 2007)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Der Teufelskeiler” (The Boar, 1998)

Meine Besprechung  von Joe R. Lansdales „Akt der Liebe“ (Act of Love, 1981)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Die Wälder am Fluss“ (The Bottoms, 2000)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Kahlschlag” (Sunset and Sawdust, 2004)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Gauklersommer“ (Leather Maiden, 2008)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Ein feiner dunkler Riss“ (A fine dark Line, 2003)

Stuttgarter Zeitung: Thomas Klingenmaier hat Joe R. Lansdale getroffen (25. März 2013)

 


Cover der Woche

April 2, 2013

Lansdale - Nightrunners


Lauschen wir Sara Gran und Joe R. Lansdale

März 8, 2013

Berlins schönste Buchhandlung „Hammett“ (Support your local dealer!; dort gibt es auch Karten für die Lesungen) organisiert nächste Woche zwei Krimilesungen. Einmal mit Shooting-Star Sara Gran, einmal mit Legende Joe R. Lansdale und bevor ich jetzt eine stundenlange Eloge halte, liefere ich einfach die Fakten:

Gran - Das Ende der Welt

Sara Gran liest am Montag, den 11. März 2013, um 20:00 Uhr (Einlass ab 19:30 Uhr) im Ballsaal der Wirtschaft Max und Moritz (Oranienstraße 162, Nähe U8 Moritzplatz, U1/U8 Kottbusser Tor) aus ihrem neuen Kriminalroman „Das Ende der Welt“ (Claire DeWitt and the Bohemian Highway).

Den deutschen Lesungspart übernimmt die Schauspielerin Nicolette Krebitz.Thomas Wörtche moderiert.

Sara Grans erster Claire-DeWitt-Kriminalroman „Die Stadt der Toten“ wurde von der Presse ja breit abgefeiert (Ich fand ihn nicht so toll.) und erhielt den Deutschen Krimipreis. In „Das Ende der Welt“ will die Privatdetektivin Claire DeWitt herausfinden, wer in San Francisco ihren Ex-Freund Paul ermordete und die wertvollen Gitarren des Musikers stahl.

Vor Berlin besucht Sara Gran am 9. März Köln (lit.Cologne; Polizeipräsidium, Walter-Pauli-Ring 2 – 4, Beginn: 20.00 Uhr) und am 10. März München (BMW-Welt, Doppelkegel, Am Olympiapar, Beginn: 18.00).

Sara Gran: Das Ende der Welt

(übersetzt von Eva Bonné)

Droemer, 2013

368 Seiten

14,99 Euro

Lansdale - Dunkle Gewässer - 2

Joe R. Lansdale liest am Freitag, den 15. März, um 20:00 Uhr (Einlass ab 19:30 Uhr) im English Theatre Berlin (Fidicinstraße 40, Nähe U6 Platz der Luftbrücke) aus seinem neuen Roman „Dunkle Gewässer“ (Edge of Dark Water) und seine Tochter Kasey Lansdale sorgt für die musikalische Untermalung.

Daniel Haas moderiert, Adam Nümm übernimmt den deutschen Lesungspart.

Im Nachlass von May Lynn finden ihre Freundin Sue Ellen, Terry und Jinx einen Hinweis, der sie zur Beute von einem Banküberfall führt. Dummerweise wollen auch einige andere Personen, inclusive dem korrupten Constable, das Geld haben und auch der sagenumwobene Killer Skunk ist bei der Menschenjagd quer durch Osttexas während der Großen Depression dabei.

ein perfekter Noir-Roman“, sagt das Library Journal. Ich sage: Lesebefehl!

Nach Berlin fährt Joe R. Lansdale weiter nach Leipzig zur Buchmesse und danach zu einigen weiteren Städten. Alle Tourdaten gibt es hier.

Joe R. Lansdale: Dunkle Gewässer

(übersetzt von Hannes Riffel)

Tropen, 2013

320 Seiten

19,95 Euro