Neu im Kino/Filmkritik: Über Luc Bessons „Dogman“

Oktober 12, 2023

Endlich! Nachdem Luc Bessons zuletzt überflüssige und schlechte Remakes seiner früheren Filme drehte, hat er mit „Dogman“ wieder einen Film inszeniert, der an sein Frühwerk anschließt. Weniger vom Inhalt, – die Story ist eine herrlich abgefahrene Pulp-Geschichte -, sondern von der Haltung. „Dogman“ ist originäres und auch originelles Kino, in dem die Bilder und die Inszenierung an erster Stelle stehen.

Im Mittelpunkt der in Newark, New Jersey, spielenden Geschichte steht der titelgebende „Dogman“. Er, stark geschinkt, blutverschmiert, ein Abendkleid und eine Perücke tragend, wird bei einer nächtlichen Polizeikontrolle verhaftet. Der Laderaum seines Lasters ist voller Hunde. Wer ist dieser seltsame, sich verdächtig höflich, rücksichtsvoll, fast schon devot verhaltende Mann mit den vielen Hunden?

Im Verhörzimmer beginnt Douglas die Geschichte seines Lebens zu erzählen.

Es ist die Geschichte eines Mannes, der mit Hunden besser zurecht kommt als mit Menschen. Sie sind seine Freunde. Sie helfen ihm, wenn er angegriffen wird. Und er sagt ihnen, wen sie angreifen und wen sie beschützen sollen.

Dogman“ ist primär eine Charakterstudie. Wie in einem Porträt werden die wichtigen Stationen aus Dougs Leben behandelt. Besson wechselt dabei immer wieder zwischen dem Gespräch bei der Polizei, in dem Doug freimütig die Geschichte seines Lebens erzählt und dies illustrierenden Rückblenden. Er erzählt ein Leben, das über weite Strecken ein Leben voller Demütigungen, seltener Triumphe, Verbrechen und einer tiefen Freundschaft zu Hunden ist. Sie helfen ihm immer wieder, halten ihn am Leben und werden von ihm trainiert. Beispielsweise um perfekt koordinierte Einbrüche zu begehen.

Die Hunde – es wurde mit echten Hunden gedreht – sind erschreckend ‚menschlich‘. Nicht in einer platten Vermenschlichung, wie wir sie aus Dokumentarfilmen kennen, sondern, wie bei einem Pantomimen. Ihre Bewegungen, die Haltung ihres Kopfes und wie sie die Menschen beobachten, sagen alles. Ohne ein Wort zu sagen.

Die sich aus der Ausgangsfrage entwickelnde Story ist ein düsteres und auch brutales Noir-Märchen. Es ist eine krude Pulp-Geschichte, in der die Figuren, außer Doug (Caleb Landry Jones; grandios!), ziemlich eindimensionale Abziehbilder sind. So ist Clemens Schick als Dougs Vater in einem seltsam ortlosen Fünfziger-Jahre-Hillbilly-Amerika vor allem und nur ein die Familie und Doug quälender Tyrann.

Aber das ist nur ein kleiner Einwand gegen ein Noir-Märchen, das vor allem mit seinen Bildern, dem Schnitt, dem Hauptdarsteller und den Hunden überzeugt.

Dogman“ ist endlich wieder KINO von dem Mann, der mit „Der letzte Kampf“ (sein hier fast unbekanntes Debüt), „Subway“, „Im Rausch der Tiefe“, „Nikita“, „Léon – Der Profi“, „Das fünfte Element“ und „Johanna von Orleans“ (gut, der ist schwächer, aber auch er hat eine überwältigende Vision) in den achtziger und neunziger Jahren einen bemerkenswerten Film (um hier nicht „Klassiker“ zu sagen) nach dem nächsten inszenierte.

Nach „Dogman“ bin ich endlich wieder gespannt auf seinen nächsten Film.

Dogman (Dogman, Frankreich/USA 2023)

Regie: Luc Besson

Drehbuch: Luc Besson

mit Caleb Landry Jones, Jojo T. Gibbs, Christopher Denham, Grace Palma, Clemens Schick, John Charles Aguilar, Marisa Berenson, Lincoln Powell, Alexander Settineri

Länge: 114 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

AlloCiné über „Dogman“

Moviepilot über „Dogman“

Metacritic über „Dogman“

Rotten Tomatoes über „Dogman“

Wikipedia über „Dogman“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Luc Bessons „Léon – Der Profi“ (Léon, Frankreich 1994)

Meine Besprechung von Luc Bessons „The Lady – Ein geteiltes Herz“ (The Lady, Frankreich/Großbritannien 2011)

Meine Besprechung von Luc Bessons „Lucy“ (Lucy, Frankreich 2014)

Meine Besprechung von Luc Bessons „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“ (Valerian and the City of a thousand Planets, Frankreich 2017)

Meine Besprechung von Luc Bessons „Anna“ (Anna, Frankreich 2019)

Luc Besson in der Kriminalakte