Nächstes Jahr wird es eine Jubiläumsausgabe geben. Dieses Jahr probiert das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg (JFBB) in seiner 29. Ausgabe etwas neues. Denn die über sechzig Filme aus sechzehn Ländern werden nicht primär in einem Kino, sondern von Dienstag, dem 13. Juni, bis zum Sonntag, den 18. Juni, in sechzehn Spielstätten präsentiert. Dies sind in Berlin das Filmkunst 66 (beide Säle), das Kino Krokodil, Il Kino, das Bundesplatz-Kino, Kino Toni, die New Synagoge Berlin, das Jüdische Museum Berlin, das Jüdische Theaterschiff MS Goldberg und, als Open-Air-Location, das Kino Central. In Potsdam das Filmmuseum Potsdam, das Thalia Programmkino, das Haus der Brandurgisch-Preussischen Geschichte und, als Open-Air-Kino, das Waschhaus Potsdam. In Brandenburg sind außerdem die Viadrina Frankfurt/Oder, das Bürgerbildungszentrum Amadeu Antonio (Eberswalde) und das Filmtheater Union (Fürstenwalde/Spree) dabei. Einige Spielstätten kennen die Besucher des Jüdischen Filmfestivals von den vergangenen Jahren. Ob dieser Wechsel auf viele Orte und ohne ein festes Zentrum zu mehr oder weniger Publikum und mehr oder weniger Resonanz führt, wird dann die Auswertung zeigen.
Am Programm dürfte es kaum liegen. Denn die Macher haben wieder einige spannende „Jewcy Movies“ gefunden, die sich mit der Vergangenheit und Gegenwart jüdischen Lebens auseinandersetzten. Die Shoah und Israel bilden dabei natürliche Fixpunkte. Ein weiter Fixpunkt ist das Zeigen heutigen jüdischen Lebens in all seinen Facetten.
Im Zentrum stehen die beiden Wettbewerbe. Einmal für den Spielfilm, einmal für den Dokumentarfilm.
Die Nebenreihen sind ebenfalls einen Blick wert. Die Hommage Jack Garfein, der Blick auf 75 Jahre israelische Filmgeschichte, Jewcy Horror Movies (leider nur vier Filme), Fermished, Yidlife Crisis im Film und andere kanadisch-jüdische Geschichten bieten neben neuen Filmen auch die Gelegenheit, einige ältere Filme wieder im Kino zu sehen. Dazu gehören „Hallelujah: Leonard Cohen, A Journey, A Song“, der Horrorfilm „The Vigil“, der Animationsfilm „Waltz with Bashir“ und „Life according to Agfa“, ein in den frühen Neunzigern in einer Nacht in einem Pub in Tel Aviv spielendes Drama.
Die Filmreihe über das kanadisch-jüdische Leben wurde dem Montrealer Komikerduo Eli Batalion und Jamie Elman, die als Yidlife Crisis auftreten, kuratiert. In dieser Reihe gibt es neben der sehenswerten Leonard-Cohen-Dokumentation „Hallelujah“ und eigenen Werken, wie „Chewdaism“, ihrer hungrig machenden kulinarischen Tour durch das jüdische Montreal, auch ein Wiedersehen mit Ján Kadárs mit dem Golden Globe ausgezeichnetem, in Montreal in den 20er Jahren spielendem Drama „Geliebte Lügen“ (Lies my Father told me, 1975) und Larry Weinsteins „Dreaming of a jewish Christmas“, in dem er die Geschichte der jüdischen Weihnachten erforscht.
In weiteren Dokumentarfilmen geht es um die Offiziere der israelischen Streitkräfte, die Todesnachrichten überbringen müssen („Knock on the Door“), über Chelly Wilson, die in den 70ern in Manhattan ein Imperium von Pornokinos führte („Queen of the Deuce“), über das vergangene jüdische Leben in Marrakesch („Remembering Marrakech“), über das Finden der eigenen queeren Identität in Israel („Mini DV“), über zwei homosexuelle Männer aus ultraorthodoxen Gemeinschaften, die sich einer „Konversationstherapie“ unterwerfen („The Therapy“), über die Ermordung von vier Jüdinnen kurz vor der Befreiung von Auschwitz wegen Sabotage („Sabotage“), über den 90-jährigen Shoah-Überlebenden Daniel Chanoch („A Boy’s Life“), über die Geschwister Hanka und Dudek Ciesla, die ebenfalls das KZ überlebten („A Pocketful of Miracles: A Tale of two Siblings“) und über den Shoah-Überlebenden Komponisten Leo Spellman („The Rhapsody“).
Das Feld der Mockumentary wird mit „Burning Love“ (über das ganz Italien in Aufregung versetzende Verschwinden eines notorischen Antisemiten) und „Find a Jew“ (ein sehr wortreicher und damit Untertitel-leseintensiver Film über Antisemitismus in der Sowjetunion) bedient.
Bei den Spielfilmen sind einige Filme dabei, die vielleicht später noch regulär im Kino gezeigt werden. Dazu gehören Ady Walers „Shttl“ (über die Ereignisse in einem galizischen Shtetl, einen Tag vor der Nazi-Invasion der UdSSR), Fred Cavayés „Farewell, Mr. Haffmann“ (über einen jüdischen Juwelier, der 1941 im besetzten Paris sein Geschäft an seinen nicht-jüdischen Mitarbeiter verkaufen muss), Michal Kwiecinskis „Filip“ (über einen Warschauer Juden, der dem Ghetto entkommt und sich unter falschem Namen durchschlägt), Jake Paltrows „June Zero“ (über drei private Schicksale in Israel, kurz vor der Hinrichtung von Adolf Eichmann im Juni 1962), Philippe Le Guays „The Man in the Basement“ (über einen Juden, der einen Kellerraum seines Hauses an einen Holocaust-Leugner und manipulativen Psychopathen verkauft) und Leandro Koch/Paloma Schachmanns „The Klezmer Project“ (über einen argentinischen Hochzeitsfilmer, der für seine große Liebe eine Doku über Klezmer-Musik in Osteuropa drehen will).
Ein Höhepunkt ist die Aufführung von „Jewish Luck“. Das Potsdamer Künstlerkollektiv Xenorama bearbeitete und vertonte die sowjetische Stummfilmkomödie „Jüdisches Glück“ neu.
Veröffentlicht von AxelB 
