„Jewcy Movies“ im Angebot – in Berlin und Potsdam und nur wenige Tage

Juni 12, 2023

Nächstes Jahr wird es eine Jubiläumsausgabe geben. Dieses Jahr probiert das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg (JFBB) in seiner 29. Ausgabe etwas neues. Denn die über sechzig Filme aus sechzehn Ländern werden nicht primär in einem Kino, sondern von Dienstag, dem 13. Juni, bis zum Sonntag, den 18. Juni, in sechzehn Spielstätten präsentiert. Dies sind in Berlin das Filmkunst 66 (beide Säle), das Kino Krokodil, Il Kino, das Bundesplatz-Kino, Kino Toni, die New Synagoge Berlin, das Jüdische Museum Berlin, das Jüdische Theaterschiff MS Goldberg und, als Open-Air-Location, das Kino Central. In Potsdam das Filmmuseum Potsdam, das Thalia Programmkino, das Haus der Brandurgisch-Preussischen Geschichte und, als Open-Air-Kino, das Waschhaus Potsdam. In Brandenburg sind außerdem die Viadrina Frankfurt/Oder, das Bürgerbildungszentrum Amadeu Antonio (Eberswalde) und das Filmtheater Union (Fürstenwalde/Spree) dabei. Einige Spielstätten kennen die Besucher des Jüdischen Filmfestivals von den vergangenen Jahren. Ob dieser Wechsel auf viele Orte und ohne ein festes Zentrum zu mehr oder weniger Publikum und mehr oder weniger Resonanz führt, wird dann die Auswertung zeigen.

Am Programm dürfte es kaum liegen. Denn die Macher haben wieder einige spannende „Jewcy Movies“ gefunden, die sich mit der Vergangenheit und Gegenwart jüdischen Lebens auseinandersetzten. Die Shoah und Israel bilden dabei natürliche Fixpunkte. Ein weiter Fixpunkt ist das Zeigen heutigen jüdischen Lebens in all seinen Facetten.

Im Zentrum stehen die beiden Wettbewerbe. Einmal für den Spielfilm, einmal für den Dokumentarfilm.

Die Nebenreihen sind ebenfalls einen Blick wert. Die Hommage Jack Garfein, der Blick auf 75 Jahre israelische Filmgeschichte, Jewcy Horror Movies (leider nur vier Filme), Fermished, Yidlife Crisis im Film und andere kanadisch-jüdische Geschichten bieten neben neuen Filmen auch die Gelegenheit, einige ältere Filme wieder im Kino zu sehen. Dazu gehören „Hallelujah: Leonard Cohen, A Journey, A Song“, der Horrorfilm „The Vigil“, der Animationsfilm „Waltz with Bashir“ und „Life according to Agfa“, ein in den frühen Neunzigern in einer Nacht in einem Pub in Tel Aviv spielendes Drama.

Die Filmreihe über das kanadisch-jüdische Leben wurde dem Montrealer Komikerduo Eli Batalion und Jamie Elman, die als Yidlife Crisis auftreten, kuratiert. In dieser Reihe gibt es neben der sehenswerten Leonard-Cohen-Dokumentation „Hallelujah“ und eigenen Werken, wie „Chewdaism“, ihrer hungrig machenden kulinarischen Tour durch das jüdische Montreal, auch ein Wiedersehen mit Ján Kadárs mit dem Golden Globe ausgezeichnetem, in Montreal in den 20er Jahren spielendem Drama „Geliebte Lügen“ (Lies my Father told me, 1975) und Larry Weinsteins „Dreaming of a jewish Christmas“, in dem er die Geschichte der jüdischen Weihnachten erforscht.

In weiteren Dokumentarfilmen geht es um die Offiziere der israelischen Streitkräfte, die Todesnachrichten überbringen müssen („Knock on the Door“), über Chelly Wilson, die in den 70ern in Manhattan ein Imperium von Pornokinos führte („Queen of the Deuce“), über das vergangene jüdische Leben in Marrakesch („Remembering Marrakech“), über das Finden der eigenen queeren Identität in Israel („Mini DV“), über zwei homosexuelle Männer aus ultraorthodoxen Gemeinschaften, die sich einer „Konversationstherapie“ unterwerfen („The Therapy“), über die Ermordung von vier Jüdinnen kurz vor der Befreiung von Auschwitz wegen Sabotage („Sabotage“), über den 90-jährigen Shoah-Überlebenden Daniel Chanoch („A Boy’s Life“), über die Geschwister Hanka und Dudek Ciesla, die ebenfalls das KZ überlebten („A Pocketful of Miracles: A Tale of two Siblings“) und über den Shoah-Überlebenden Komponisten Leo Spellman („The Rhapsody“).

Das Feld der Mockumentary wird mit „Burning Love“ (über das ganz Italien in Aufregung versetzende Verschwinden eines notorischen Antisemiten) und „Find a Jew“ (ein sehr wortreicher und damit Untertitel-leseintensiver Film über Antisemitismus in der Sowjetunion) bedient.

Bei den Spielfilmen sind einige Filme dabei, die vielleicht später noch regulär im Kino gezeigt werden. Dazu gehören Ady Walers „Shttl“ (über die Ereignisse in einem galizischen Shtetl, einen Tag vor der Nazi-Invasion der UdSSR), Fred Cavayés „Farewell, Mr. Haffmann“ (über einen jüdischen Juwelier, der 1941 im besetzten Paris sein Geschäft an seinen nicht-jüdischen Mitarbeiter verkaufen muss), Michal Kwiecinskis „Filip“ (über einen Warschauer Juden, der dem Ghetto entkommt und sich unter falschem Namen durchschlägt), Jake Paltrows „June Zero“ (über drei private Schicksale in Israel, kurz vor der Hinrichtung von Adolf Eichmann im Juni 1962), Philippe Le Guays „The Man in the Basement“ (über einen Juden, der einen Kellerraum seines Hauses an einen Holocaust-Leugner und manipulativen Psychopathen verkauft) und Leandro Koch/Paloma Schachmanns „The Klezmer Project“ (über einen argentinischen Hochzeitsfilmer, der für seine große Liebe eine Doku über Klezmer-Musik in Osteuropa drehen will).

Ein Höhepunkt ist die Aufführung von „Jewish Luck“. Das Potsdamer Künstlerkollektiv Xenorama bearbeitete und vertonte die sowjetische Stummfilmkomödie „Jüdisches Glück“ neu.

Das gesamte Programm mit allen Informationen gibt es auf der Homepage des Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg (JFBB).


Jüdisches Filmfestival Berlin/Brandenburg zeigt 2022 „Jewcy Movies“

Juni 13, 2022

Am Dienstag, den 14. Juni, startet die diesjährige Ausgabe des Jüdischen Filmfestival Berlin/Brandenburg (JFBB). Es findet zum 28. Mal statt und es eines der Filmfestivals, die mich jedes Mal Filme sehen lässt, die ich sonst nicht sehen würde. Das tun andere Filmfestival natürlich auch, aber das Besondere bei diesem Filmfestival ist, dass alle Filme irgendetwas mit dem Judentum und dem jüdischen Leben in der Gegenwart und Vergangenheit zu tun haben.

Dieses Jahr werden bis zum Sonntag, den 19. Juni, 43 Dokumentar- und Spielfilme, die teilweise auch später im Kino laufen, und zwei Serien gezeigt. In Potsdam im Fimmuseum Potsdam, im Haus der Brandburgisch-Preußischen Geschichte und im Thalia-Progammkino; in Berlin im Delphi Lux, im Passage Kino, auf dem Jüdischen Theaterschiff MS Goldberg und, Open Air, im Sommerkino Kulturforum.

Thematisch beschäftigen sich viele Filme mit dem Holocaust und seinen Folgen. Und es gibt eine neun Filme umfassende Hommage an Jeanine Meerapfel. Sie wurde 1943 in Argentinien als Tochter deutsch-jüdischer Emigranten geboren. Aktuell ist sie die Präsidentin der Akademie der Künste Berlin. Seit ihrem Spielfilmdebüt „Malou“ beschäftigt sie sich immer wieder mit ihrer Familiengeschichte, dem Antisemitismus und den Folgen von Emigration. Ihr, jedenfalls vom Titel bekanntester Film, dürfte „Die Kümmeltürkin geht“ sein. Ihr neuester Film „Eine Frau“, über ihre Mutter, wird am Dienstagabend im Hans-Otto-Theater (Potsdam) als Eröffnungsfilm des Festivals gezeigt.

Die anderen Filme des Festivals werden in den Reihen „Wettbewerb Spielfilm“, „Wettbewerb Dokumentarfilm“ und Kino Fermished“ gezeigt.

Zum Beispiel Natalia Sinelnikovas beeindruckende Dystopie „Wir könnten genauso gut tot sein“ über eine Gated Community, deren Bewohner nach dem Verschwinden eines Hundes zunehmend paranoid werden. Das Spielfilmdebüt der Absolventin der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf lief auf der diesjährigen Berlinale in der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“.

Oder Aurélie Saadas Porträt der 78-jährigen „Rose“, die sich nach dem Tod ihres Ehemannes und einer Phase der Trauer ins Leben stürzt. Zum Entsetzen ihrer Kinder.

Oder Gabriel Matias Lichtmanns Mockumentary „The Red Star“ über Laila Salama, eine Agentin, die 1960 auch an der Entführung von Adolf Eichmann in Buenos Aires beteiligt war.

Ebenfalls auf der Berlinale lief Maggie Perens „Der Passfälscher“ über den jungen Juden Cioma Schönhaus, der sich 1942 in Berlin ins Leben stürzt, nach dem Motto „wenn mich alle sehen, kann ich kein von den Nazis verfolgter Jude sein“ und der gleichzeitig zahlreiche Pässe fälschte. Wer nicht bis zum regulären Kinostart am 13. Oktober warten will, kann sich den Film schon jetzt ansehen.

Ebenfalls im Zweiten Weltkrieg spielt Roman Shumunovs „Berenshtein“. In der Deutschlandpremiere geht es um den ukrainisch-jüdischen Partisan Leonid Berenshtein, der 1944 in Polen das Versteck der Nazis für die V2-Raketen entdeckte. Der Film, der auch Dokumentaraufnahmen enthält, soll Anfang November als „Der letzte Partisan – Die wahre Geschichte des Leonid Berenshtein“ auf DVD erscheinen.

Eine Weltpremiere ist Jan Tenhavens „Adam & Ida – Almost a Fairytale“ über Zwillinge, die sich über fünfzig Jahre nachdem sie 1942 getrennt wurden, wieder sehen und im Film ihre Lebensgeschichte erzählen.

In „We wept without tears“ erzählen im Sommer 1993 sechs der damals letzten jüdischen Überlebenden des „Sonderkommandos“ des KZ Auschwitz-Birkenau über ihre Erlebnisse. Gigeon Greif und Itai Lev montierten aus diesen Zeitzeugenaussagen jetzt diesen Film.

In seinem neuen Film „Babi Yar. Context“ montiert Sergei Loznitsa, wie man es aus seinen anderen Filmen kennt, ohne einen Sprecherkommentar, der die Bilder einsortieren könnte, historische Aufnahmen zusammen. Es geht um das Leben in der Ukraine im Zweiten Weltkrieg, den Mord von 33.771 Juden und Jüdinnen in der bei Kiew gelegenen Schlucht von Babi Yar und der juristischen Behandlung nach dem Zweiten Weltkrieg.

In „Apples and Oranges“ gibt Yoav Brill einen kurzweiligen Einblick in die Geschichte der Kibbuz-Bewegung. Vor allem in den Siebzigern verbrachten Jugendliche ihren Sommerurlaub in Israel in einem Kibbuz. Neben der Arbeit auf dem Bauernhof wollten sie auch, ohne den strengen Blick ihrer Eltern, Sex, Drugs & Rock’n’Roll ausprobieren. Die Einheimischen waren zunehmend weniger begeistert.

Trish Adlesic schildert in seinem Dokumentarfilm „A Tree of Life“, und damit sind wir fast in der Gegenwart, das am 27. Oktober 2018 von einem Rechtsextremisten verübte Attentat auf die Synagoge Tree of Life Or L’Simcha in Pittsburgh. Er erschoss elf Menschen und verletzte sechs weitere. Es ist der bislang schwerste in den USA verübte antisemitischen Anschlag.

Eine Besonderheit für Stummfilm-Fans ist Deutschland-Premiere der restaurierten Fassung von Charles E. Davenports 1919 entstandenem und lange als verschollen geglaubtem Stummfilm „Broken Barriers“. Es handelt sich um die erste US-amerikanische Adaption der „Tewje, der Milchmann“-Geschichte. Beide Aufführungen des Stummfilms werden von Daniel Kahn, einem Folk-Klezmer-Punk-Singer-Songwriter, musikalisch begleitet.

Das vollständige Programm mit Informationen zu allen Filmen und Veranstaltungen gibt es hier.