Im Krankenhaus begegnen sich eine selbstständige vierzigjährige Fotografin und eine hoffnungslos überforderte 17-jährige. Beide bringen ihr erstes Kind zur Welt. Später fragt sich die Fotografin, ob ihr Baby im Krankenhaus vertauscht wurde.
Den Krimiplot benutzt Pedro Almodóvar nur, um gewohnt feinfühlig eine komplexe Beziehungsgeschichte zwischen zwei Frauen und über die spanische Vergangenheit zu erzählen. Gewohnt überzeugend.
Im Krankenhaus begegnen sich eine selbstständige vierzigjährige Fotografin und eine hoffnungslos überforderte 17-jährige. Beide bringen ihr erstes Kind zur Welt. Später fragt sich die Fotografin, ob ihr Baby im Krankenhaus vertauscht wurde.
TV-Premiere. Den Krimiplot benutzt Pedro Almodóvar nur, um gewohnt feinfühlig eine komplexe Beziehungsgeschichte zwischen zwei Frauen und über die spanische Vergangenheit zu erzählen. Gewohnt überzeugend.
Selten gezeigtes Frühwerk von Pedro Almodóvar – mit einer ziemlich mörderischen Geschichte. Es geht um einen Stierkampflehrer, der nicht mehr in die Arena darf und deshalb Frauen tötet; um seinen religiös erzogenen Schüler, der ihn begehrt und mehrere Morde (die er nicht verübt hat) gesteht; und um eine Anwältin, die den Jüngling verteidigt und ihre Liebhaber mit einer Hutnadel ersticht. Als sie sich begegnen, wird es, nun, mörderisch und leidenschaftlich.
Die zeitgenössische Kritik meinte zum Kinostart: „einzigartigen, postmodernen Mischung aus Melodram und Farce“ (Fischer Film Almanach 1991)
mit Assumpta Serna, Antonio Banderas, Nacho Martínez, Eva Cobo, Julieta Serrano, Chus Lampreave, Carmen Maura, Bibi Andersen
Bevor das Dream-Team Banderas/Cruz im ‚besten Film aller Zeiten‘ (so der deutsche Titel, der am 30. Juni startenden Komödie [Besprechung folgt]) auftreten, suhlen sie sich in
Arte, 20.15
Leid und Herrlichkeit(Dolor y gloria, Spanien 2019)
Regie: Pedro Almodóvar
Drehbuch: Pedro Almodóvar
In seiner Wohnung dämmert Salvador Mallo (Antonio Banderas) vor sich hin. Er leidet an zahlreichen Krankheiten, die ihn am Arbeiten hindern. Als der Regisseur einen seiner früheren Filmen, der inzwischen als Meisterwerk gilt, zusammen mit seinem damaligen Hauptdarsteller präsentieren soll, erinnert er sich an sein Leben und ihre gemeinsame Zeit. Dummerweise haben sie sich damals heillos zerstritten.
TV-Premiere. Wie wir es von Pedro Almodóvar gewohnt sind: ein grandioses Drama und ein großer Spaß.
In seinem letzten Film „Leid und Herrlichkeit“ blickt ein älterer Regisseur auf sein Leben zurück und selbstverständlich lud diese Geschichte sofort zu wahrscheinlich vollkommen fehlgeleiteten autobiographischen Deutungen ein.
Diese Frage nach dem autobiographischen Anteil stellt sich bei Pedro Almodóvars neuem Film „Parallele Mütter“ so nicht. Dieses Mal geht es um Frauen, Mütter und Schwangerschaften. Eine dieser Frau wird von Penélope Cruz gespielt. Rossy de Palma und Julieta Serrano, die ebenfalls schon in vielen Almodóvar-Filmen mitspielten, sind in kleineren Rollen wieder dabei. Die zweite Hauptrolle wird von der Neuentdeckung Milena Smit gespielt.
Cruz spielt Janis. Bei einem Fotoshooting verliebt sich die allein lebende Fotografin in Arturo, einen verheirateten forensischen Anthropologen. Ihre Schwangerschaft ist nicht geplant. Arturo will seine kranke Frau nicht verlassen. Janis entschließt sich ohne zu zögern, Arturo nie wieder zu sehen (das ändert sich später) und ihr gemeinsames Kind allein groß zu ziehen.
Im Krankenhaus trifft sie die erheblich jüngere Ana (Milena Smit). Die Siebzehnjährige ist von der Schwangerschaft überfordert, unglücklich und verängstigt. Ihre Mutter ist ihr keine Hilfe. Außerdem muss sie, wie Janis, ihr Kind ebenfalls ohne den Vater großziehen. Janis spendet Mut und nimmt ihr gegenüber die Rolle der Mutter ein. Jedenfalls für die Zeit im Krankenhaus.
Als Janis mehrere Monate später durch einen DNA-Test erfährt, dass sie nicht die Mutter ihrer Tochter Cecilia ist, bricht sie den Kontakt zu Ana ab. In dem Moment vermuten wir, dass im Krankenhaus ihr und Anas Baby vertauscht wurden.
Wieder einige Monate später trifft Janis Ana in der sich vor ihrer Wohnung befindenden Bar. Ana arbeitet dort als Bedienung. Sie erzählt ihr, dass ihre Tochter Anita tot ist. Janis bietet ihr an, bei ihr als Mitbewohnerin einzuziehen. Und auch was jetzt passiert, können wir uns ungefähr denken.
Das ist aber kein Problem. Denn Almodóvar benutzt diesen Thriller-Plot nur, um feinfühlig über einen Zeitraum von drei Jahren aus dem Leben der beiden Frauen und ihrer auf echter Zuneigung, Lügen und Schweigen aufbauenden Freundschaft zu erzählen.
Almodóvar erzählt dies als ein komplexes dialoglastiges Zwei-Personen-Kammerspiel, das für meinen Geschmack immer zu sehr in Richtung TV- oder sogar Smartphone-Bildschirm hin geschrieben und inszeniert ist. In den Großaufnahmen verlangt nichts nach der großen Leinwand. Almodóvar erzählt dieses Melodrama erstaunlich unterkühlt.
In einem zweiten Erzählstrang, der eigentlich nur am Anfang und Ende des Films wichtig ist, geht es um den Umgang mit der Franco-Diktatur. Arturo, den Janis gegen Filmende wieder trifft, will ihr bei der Exhumierung von Opfern der Franco-Diktatur helfen. Um die dafür nötigen Genehmigungen zu erhalten sind langwierige Verfahren und Anträge nötig. Diese Frage der Vergangenheitsbewältigung ist wichtig, aber sie wirkt, als komme sie aus einem vollkommen anderen Film.
Parallele Mütter (Madres paralelas, Spanien 2021)
Regie: Pedro Almodóvar
Drehbuch: Pedro Almodóvar
mit Penélope Cruz, Milena Smit, Israel Elejalde, Aitana Sánchez-Gijón, Julieta Serrano, Rossy de Palma
Salvador Mallo ist ein Filmregisseur, der vor der Wiederaufführung eines seiner Filme, auf sein Leben zurückblickt – und weil Pedro Almodóvar „Leid und Herrlichkeit“ nach seinem Drehbuch inszenierte und weil Almodóvar und Mallo so ungefähr im gleichen Alter sind, wird in vielen Kritiken sicher über den unbestritten vorhandenen autobiographischen Gehalt des Films geschrieben werden. Immerhin sagt Almodóvar über Mallo: „Sein Charakter war nicht ich, aber er war in mir.“
Das könnte er allerdings über jede seiner Figuren sagen. Schließlich schreibt er für seine Filme immer das Drehbuch. Außerdem erzählt er in jedem Film in jeder Figur über sich und er arbeitet nicht so autofiktiv platt. Vielleicht ist „Leid und Herrlichkeit“ deshalb sogar der Film, der am wenigsten über ihn verrät. Ein wundervoller intellektueller Spaß ist er trotzdem.
Wegen seiner körperlichen Verfassung, die weit über die üblichen Zipperlein des Alters hinausgeht, kann Mallo schon lange keine Filme mehr drehen. Er dämmert, seine Wehwehchen zelebrierend, weitgehend vor sich hin. Seine Begeisterung öffentlich über einen seiner alten Filme, der inzwischen für ein Meisterwerk gehalten wird, zu reden, hält sich in überschaubaren Grenzen. Einerseits, weil er trotz allem lieber einen neuen Film drehen würde, andererseits und vor allem, weil er das Gespräch mit seinem Hauptdarsteller Alberto Crespo bestreiten soll. Im Streit trennten sie sich damals.
Jetzt besucht Mallo Crespo, um sich zu versöhnen und mit ihm über das Filmgespräch zu reden. Aber zuerst hängen sie gemeinsam bei einem Joint ab und Mallo erinnert sich an ihre gemeinsame Zeit in den achtziger Jahren in Madrid.
Almodóvar springt noch weiter in Mallos Vergangenheit zurück. Er erzählt von seiner ärmlichen Kindheit in einer Höhle in Paterna, einem Dorf an der Levante, bei der schon die prächtigen Farben und Penélope Cruz irritieren. Die Farben sind so prächtig, dass man sofort mit Mallo tauschen möchte. Der gesamte Film sieht, wie immer bei Almodóvar, sehr prächtig und sehr farbenprächtig aus. Seine Filme sind die wohltuende Antithese zu den vielen neuen Filmen, in denen es nur blasse Braun- und Grautöne gibt. Und Penélope Cruz sieht einfach viel zu gut aus, um eine in ärmlichen Verhältnissen, von der schweren körperlichen Arbeit und dem Ärger mit dem Ehemann gebeugte Hausfrau zu sein. Aber das konnte auch über Silvana Mangano („Bitterer Reis“) und Sophia Loren gesagt werden. Außerdem ist Penélope Cruz eine von Almodóvars Stammschauspielern.
Antonio Banderas, der Mallo spielt, gehört ebenfalls zu Almodóvars Stammschauspielern. Für sein Spiel in diesem Film wurde er, zu Recht, dieses Jahr in Cannes ausgezeichnet.
Wie in seinen vorherigen Filmen verknüpft Almodóvar äußert elegant die verschiedenen Zeitebenen. Langsam erfahren wir, wo Mallo herkommt, wie er in den achtziger Jahren in Madrid als Regisseur Erfolg hat, seine große Liebe trifft und wie es zu dem Zerwürfnis zwischen ihm und Crespo gekommen ist.
Diese Rückblicke und die teils von abenteuerlichen Zufällen ausgehenden Begegnungen, aus denen Mallos Biographie entsteht, führen allerdings nicht zu einem dieser altersmilden Werke, in denen der von der Welt bewunderte Regisseur noch einmal all seine Themen und stilistischen Eigenheiten archivarisch zu einem Best-of bündelt. In dem Alter ist Almodóvar noch nicht. Insofern ist „Leid und Herrlichkeit“ sein neuer Film nach dem ebenfalls ein Leben erzählendem „Julieta“.
Almodóvar sieht „Leid und Herrlichkeit“ als ungeplanten Abschluss einer Trilogie, die er 1987 mit „Das Gesetz der Begierde“ (La ley del deseo, ebenfalls mit Banderas) begann und 2004 mit „La Mala Educacion – Schlechte Erziehung“ (La mala education) fortführte. In allen Filmen ist der Protagonist ein Filmregisseur und es gehe, so Almodóvar, um Begierde und filmisches Erzählen. In „Das Gesetz der Begierde“ geht es um ein tragisch endendes Dreiecksverhältnis. In „La Mala Educacion – Schlechte Erziehung“ erinnert sich ein Regisseur, nach einer Begegnung mit einem Schulfreund, an ihre gemeinsame Schulzeit in einem streng katholischen Internat. Da ist der von Almodóvar hergestellte Zusammenhang vor allem eine Gelegenheit, sich wieder seine älteren Filme anzusehen.
Leid und Herrlichkeit(Dolor y gloria, Spanien 2019)
Regie: Pedro Almodóvar
Drehbuch: Pedro Almodóvar
mit Antonio Banderas, Asier Etxeandia, Leonardo Sbaraglia, Nora Navas, Julieta Serrano, César Vicente, Asier Flores, Penélope Cruz, Cecilia Roth, Susi Sánchez, Raúl Arévalo, Pedro Casablanc, Julián López, Rosalía