In ihrem Filmdebüt erzählt Eva Victor, die auch das Drehbuch schrieb und die Hauptrolle übernahm, in fünf, sich über ebenso viele Jahre erstreckende, nicht chronologisch erzählten Kapiteln, wie Agnes, eine junge, in Neuengland lebende Literaturprofessorin, ein traumatisches Erlebnis verarbeitet. Was das war, wird erst am Filmende mehr oder weniger enthüllt.
Victor konzentriert sich in „Sorry, Baby“ auf ihre allein lebende Protagonistin und ihr Seelenleben. Sie erzählt diese Verarbeitung eines sexuellen Übergriffs sehr unauffällig und reduziert. Auch den Übergriff zeigt sie nicht. Sie zeigt nur das ‚davor‘ und das ‚danach‘. Entstanden ist ein stiller, ein leiser, ein introvertierter Film.
Sorry, Baby (Sorry, Baby, USA 2025)
Regie: Eva Victor
Drehbuch: Eva Victor
mit Eva Victor, Naomi Ackie, Louis Cancelmi, Kelly McCormack, Lucas Hedges, John Caroll Lynch
Vom Dschungel in den Dschungel. Nur ist der Dschungel, den Alejandro aus seiner Heimat El Salvador kennt, ein magischer Dschungel in dem es viel Fantasie und keine Bedrohungen gibt. Der Dschungel von New York ist dagegen anders. Er arbeitet in einer Kryokonservierungsfirma als Bewacher der Behälter, in denen Menschen in einen Kryo-Tiefschlaf versetzt werden. Es ist ein Idiotenjob. Trotzdem vermasselt er ihn, indem er kurzzeitig bei einem Behälter den Stecker zieht. Die Folge von dem Malheur ist seine sofortige Entlassung. Sein Traum bei Hasbro als Spielehersteller zu arbeiten, scheint sich in Luft aufzulösen. Denn in wenigen Tagen erlischt seine Arbeitserlaubnis. Falls er bis dahin nicht irgendeine Lohnarbeit und einen für ihn bürgenden Arbeitgeber gefunden hat, wird er zurückgeschickt.
Elizabeth (Tilda Swinton, gewohnt grandios) könnte ihm eine Arbeit geben. Irgendeine. Sie ist die Geliebte von Bobby, einem Maler, der sich vor seinem Tod einfrieren ließ. Elizabeth ist eine chaotische, dauerplappernde, konfuse, unkonzentrierte, Stimmungsschwankungen auslebende frühere Kunstkritikerin. Sie ist von Bobbys Talent überzeugt und möchte seine Bilder in einer bekannten Galerie präsentieren. Es handelt sich dabei um eine Reihe von Gemälden, die immer ein Ei vor einem anderen Hintergrund zeigen.
Das Interesse der Kunstwelt an diesen Bildern ist erwartbar gering. Aber der Enthusiasmus von Elizabeth und Alejandro, diesem perfekt zusammenpassendem, ungleichen Paar voller Gegensätze, ist groß.
Julio Torres, der Alejandro als leicht verpeilten, schüchternen, mit federnden Schritten durch New York schwebenden Nerd spielt, schrieb auch gleichzeitig das Drehbuch und inszenierte den Film. „Problemista“ ist sein Spielfilmdebüt und die überaus gelungene, im Zweifelsfall fiktionale Verarbeitung seiner Geschichte, die ihn aus El Salvador nach New York zu Saturday Night Live (SNL) und jetzt nach Hollywood und zu A24 brachte.
Die von ihm erfundene Geschichte ist ein detailfreudig ausgestattetes Märchen voller witziger und pointierter Szenen zwischen magischem Realismus und Kafka. Vor allem der Prozess der Einwanderung ist ein einziger Alptraum. Torres schildert dies alles wundervoll warmherzig und respektvoll gegenüber seinen Figuren. Da ist der Beamte bei der Einwanderungsbehörde nur ein kleines Rädchen, das Alejandro gerne helfen würde. Wenn die Gesetze es zulassen. Elizabeth ist gar nicht so furchteinflößend böse, wie gesagt wird. Jedenfalls meistens. Nur Alejandros Chefin bei der Kryokonservierungsfirma ist ziemlich böse. Aber ohne sie hätte er niemals Elizabeth kennen gelernt.
Die Arthaus-Perle „Problemista“ ist mit Abstand der beste Film, der diese Woche im Kino anläuft.
Problemista(Problemista, USA 2023)
Regie: Julio Torres
Drehbuch: Julio Torres
mit Julio Torres, Tilda Swinton, RZA, Isabella Rossellini, Catalina Saavedra, James Scully, Laith Nakli, Spike Einbinder, Kelly McCormack