LV: Marie Brenner: American Nightmare: The Ballad of Richard Jewell (Vanity Fair, Februar 1997), Kent Alexander, Kevin Salwen: The Suspect, 2019
Atlanta, 27. Juli 1996, Olympische Spiele: während eines Konzerts entdeckt der Sicherheitsmitarbeiter Richard Jewell einen verdächtigen Gegenstand. Sofort evakuiert er den Platz und rettet so, bevor die Bombe explodiert, viele Leben. Er wird als Held gefeiert. Und kurz darauf verdächtigt, die Bombe platziert zu haben, um sich als Helden zu inszenieren. Was stimmt?
LV: Marie Brenner: American Nightmare: The Ballad of Richard Jewell (Vanity Fair, Februar 1997), Kent Alexander, Kevin Salwen: The Suspect, 2019
Atlanta, 27. Juli 1996, Olympische Spiele: während eines Konzerts entdeckt der Sicherheitsmitarbeiter Richard Jewell einen verdächtigen Gegenstand. Sofort evakuiert er den Platz und rettet so, bevor die Bombe explodiert, viele Leben. Er wird als Held gefeiert. Und kurz darauf verdächtigt, die Bombe platziert zu haben, um sich als Helden zu inszenieren. Was stimmt?
TV-Premiere. Starkes, auf einem wahren Fall basierendes Drama.
Am 27. Juli 1996 hatte Richard Jewell seine fünfzehn Minuten Ruhm. Der 34-jährige arbeitete bei einer privaten Wachfirma. Im Centennial Olympic Park entdeckt er bei einem Kenny-Rogers-Konzert, das während der Olympischen Spiele in Atlanta, Georgia, stattfinded, eine unter einer Parkbank versteckte Tasche. Er informiert die Polizei und leitet sofort erste Maßnahmen zum Schutz der Zuschauer ein, indem er sie aus dem Gefahrenbereich trieb. Kurz darauf explodiert die Bombe. Eine Frau stirbt. Ein Mann hat einen Herzinfarkt. Über hundert Menschen werden verletzt. Ohne sein beherztes Eingreifen wären mehr Menschen gestorben.
Die Presse und die Öffentlichkeit feiert ihn als Helden.
Währenddessen fragt das FBI sich, ob der Möchtegern-Gesetzeshüter der Täter sein könnte. Jewell hat anscheinend jede Verfahrensvorschrift der Polizei verinnerlicht, besteht penetrant auf der Einhaltung von Regeln, spielt Computerspiele wie „Defender“ und „Mortal Kombat II“ (das war damals etwas für Kinder und seltsame Nerds), hortet Waffen und lebt bei seiner Mutter. Damit passt der unterwürfige, sich nach Anerkennung von seinen Polizistenkollegen sehnende Jewell perfekt in das Profil des rechten, nach Aufmerksamkeit gierenden Einzeltäters.
Als Kathy Scruggs, eine überaus ambitionierte, 2001 verstorbene Journalistin der Zeitung „The Atlanta Journal-Constitution“, von den Ermittlungen gegen Jewell erfährt, schreibt sie einen reißerischen Artikel, der Jewell zum Hauptverdächtigen macht.
Trotzdem versucht der gutmütige Jewell weiter, den Ermittlern zu helfen. Was ihn nur noch verdächtiger macht. Und seinen Autoritäten verachtenden Anwalt Watson Bryant, der bis zu diesem Zeitpunkt keine Erfahrung mit solchen Strafverfahren hat, verzweifeln lässt. Das hindert ihn aber nicht daran, wortgewaltig für Jewell zu kämpfen.
Mit „Der Fall Richard Jewell“ setzt Clint Eastwood die Reihe seiner auf wahren Ereignissen basierenden Filme fort. Es ist auch eine weitere Heldengeschichte, die von ihren überzeugenden Schauspielern lebt. Die Hauptrolle übernahm Paul Walter Hauser. Bislang spielte er Nebenrollen. Unter anderem in „I, Tonya“, „BlacKkKlansman“ und „Late Night“. Einen größeren Eindruck hinterließ er in diesen Filmen bei mir nicht. Als Richard Jewell zeigt er jetzt, was er kann. Und das ist verdammt viel.
Die anderen Schauspieler – Sam Rockwell als Jewells Anwalt, Kathy Bates als Jewells Mutter, Jon Hamm als FBI-Ermittler (seine Figur basiert auf mehreren realen Ermittlern) – überzeugen ebenfalls. Das liegt am Drehbuch, ihrem Spiel und Eastwoods gewohnt unprätentiöser Inszenierung, die sich auf die Geschichte und die Schauspieler verlässt.
In diesem Umfeld fällt die von Olivia Wilde gespielte Journalistin – auch wenn man den wahren Fall nicht kennt – äußerst negativ auf. Die von ihr gespielte Figur ist eine karrieregeile, für eine Schlagzeile über Leichen gehende Schönheit. Sie ist ein eindimensionaler Watschenmann für primitive Medienkritik; mit telegener und vollkommen unglaubwürdiger Wandlung am Filmende. Die durchaus beunruhigenden und skandalträchtigen wahren Ereignisse in der Redaktion der Provinzzeitung und die Reaktionen der überregionalen Medien hätten diese Dramatisierung nicht benötigt. Der restliche Film bleibt dagegen nah an den Fakten und zeichnet ein differenziertes Bild der Monate nach dem Bombenanschlag.
„Der Fall Richard Jewell“ ist eine packende David-gegen-Goliath-Geschichte, in der ein unschuldiger und gegenüber der Polizei überaus naiver Mann um seinen Ruf kämpfen muss. Freunde hat er nur wenige. Seine Gegner sind das FBI, das vorurteilsbehaftet ermittelt und den Ruf eines Unschuldigen irreparabel schädigt, und die Medien, die für eine Schlagzeile schlampig recherchieren. Beide bleiben bei ihrer einmal gefassten Überzeugung. In der Öffentlichkeit war Jewell danach ‚der Bombenleger‘. 2003 wurde der wahre Täter, der christlich-fundamentalistisch Terrorist Eric Rudolph, verhaftet und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Richard Jewell starb 2007 aufgrund mehrerer durch seine Diabetes verursachten gesundheitlicher Probleme.
Der Fall Richard Jewell(Richard Jewell, USA 2019)
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: Billy Ray
LV: Marie Brenner: American Nightmare: The Ballad of Richard Jewell (Vanity Fair, Februar 1997), Kent Alexander, Kevin Salwen: The Suspect, 2019
mit Paul Walter Hauser, Sam Rockwell, Olivia Wilde, Jon Hamm, Kathy Bates, Nina Arianda, Ian Gomez, Niko Nicotera