Altes und Neues von Alan Moore

April 25, 2016

Es ist mal wieder an der Zeit für ein kleines Moore-Fest.

Beginnen wir in tief in der Vergangenheit von Alan Moore, als er auch Geschichten für bestehende Serien schrieb. Zum Beispiel für Todd McFarlanes „Spawn“. In der Geschichte „Bloodfeud – Blutfehde“ kämpft Al Simmons (aka Spawn) in New York gegen sein böses Ich, beziehungsweise gegen einen Dämon, der ihn kontrollieren möchte. Gleichzeitig kämpft er weiterhin gegen Bösewichter, die die Stadtbewohner bedrohen.

Zur gleichen Zeit taucht der Vampirjäger John Sansker in der Stadt auf. Er möchte Spawn, den für einen Vampir hält, töten. Denn Spawn sieht nicht menschlich aus und er jagt vor allem nach Sonnenuntergang. Bei seiner Jagd folgt die ganze Polizei seinen Anweisungen. Dabei hat auch Sansker seine Geheimnisse.

Mehr soll nicht verraten werden, weil die von Alan Moore ersonnene Geschichte eher eine kurze Episode aus dem Leben von Al Simmons ist, die allerdings als Alan-Moore-Geschichte nicht so richtig begeistert. Es ist halt vor allem eine „Spawn“-Geschichte.

Schließlich ist Moore ja vor allem bekannt für sein Spiel mit verschiedenen Ebenen und Metaebenen zwischen Schein und Sein, gerne auch mit einer politischen Botschaft. „Watchmen“ ist dafür ein Beispiel. Oder sein seit 1999 bestehendes Mega-Mashup „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“, in dem, beginnend im viktorianischen England bekannte Helden der Populärkultur, wie Wilhelmina „Mina“ Murray (aus „Dracula“), Allan Quatermain, Dr. Henry Jekyll/Mr. Edward Hyde, Orlando und A. J. Raffles für Gerechtigkeit kämpfen. Letztendlich über mehrere Jahrhunderte.

Im „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“-Kosmos gibt es jetzt, nach „Herz aus Eis“ und „Die Rosen von Berlin“ mit „Fluss der Geister“ den ziemlich eigenständigen Abschluss der „Nemo“-Geschichte. Denn man muss die vorherigen Bände nicht gelesen zu haben, um am „Fluss des Geister“ gefallen zu finden.

1975, vierunddreißig Jahre nachdem Janni Nemo (die Tochter von Käpitan Nemo, bekannt aus Jules Vernes „Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer“) in Berlin Ayesha enthauptete, erhält sie Meldungen, dass Ayesha doch noch lebt. Im Amazonasdelta. Mit der Nautilus und einigen Gefährten macht die Achtzigjährige sich auf die Reise und sie entdecken mitten im Dschungel einen kleinen Nazi-Staat mit einem gigantischem Mensch-Maschinen-Forschungsprojekt mit allem Drum und Dran, was das Herz des Pulp-Fans begehrt.

Denn wie in den anderen „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“-Geschichten (wobei man „Nemo“ auch als Spin-off sehen kann) würzt Alan Moore seine Geschichte mit popkulturellen Anspielungen.

Fluss der Geister“ ist daher ein zünftiges Dschungelabenteuer, das nach einer Begegnung mit Sauriern (wegen Sir Arthur Conan Doyles „The lost world“ [Die vergessene Welt]) äußerst lustvoll mit den bekannten Klischees von geheimnisvollen Einrichtungen, in denen seltsame Dinge getan werden, spielt. Oft stehen sie an abgelegenen und unzugänglichen Orten, die manchmal auch Heiligtümer oder Kultstätten sind. Entsprechend großformatig können Alan Moore und sein Zeichner Kevin O’Neill sich austoben. Fast als ob sie einen James-Bond-Film, gekreuzt mit den „Boys from Brazil“ und den „Metropolis“-Roboterträumen, garniert mit Impressionen aus Siebziger-Jahre-Sadomaso-Nazi-Frauengefängnisfilmen und der obligatorischen Portion nackter Haut, inszenieren wollten.

Am Ende des furiosen, witzigen und actionhaltigen Dschungelabenteuer bleibt nur eine Frage: Wann erscheinen die drei „Nemo“-Geschichten in einem Sammelband?

Mit seiner neuesten Serie „Providence“ steigt Alan Moore mit Zeichner Jacen Burrows, die bereits in „Neonomicon“ eine von Lovecraft inspirierte Welt schufen, vollständig in die Welt von H. P. Lovecraft (1890 – 1937) ein.

1919 beginnt Robert Black, Reporter der Zeitung von Providence, Rhode Island, mit einer Recherche für die die „Vermischtes“-Seite. Er soll mit Doktor Alvarez reden. Der hatte ein Essay über Robert Chambergs „König in Gelb“ (das auf „Sous le Monde“ und den damit zusammenhängenden skandalösen Begebenheiten basiert) geschrieben und das Buch soll einige Leser verrückt gemacht haben.

Blacks Recherchen führen ihn, nachdem er bei Doktor Alvarez war, der in einem heruntergekühlten Wohnung lebt, zu Mr. Robert Suydam, einem Mann mit einem besonderen Interesse am Okkulten und einem Keller, in dem Black glaubt, Knochen und seltsame Wesen zu sehen, zur in einem Fischerdorf gelegenen Kirche St. Judas und einem einsam gelegenem Farmhaus mit einer sehr merkwürdigen Familie. Er gerät bei seiner Suche immer tiefer in die von Geheimnissen und Wahnsinn geprägte Welt von Cthulhu.

Natürlich strotzen die ersten vier „Providence“-Episoden nur so vor Anspielungen, Querverweisen und Verarbeitungen von Lovecraft-Erzählungen. Das erste Heft bezieht sich auf „Kühle Luft“, das zweite auf „Grauen in Red Hook“, das dritte auf „Schatten über Innsmouth“ und das vierte auf „Das Grauen von Dunwich“. Weitere Anspielungen schlüsselt Antonio Solinas in seinem Nachwort auf.

Der zweite „Providence“-Sammelband ist für den 26. Juli angekündigt und Alan Moore könnte hier wirklich ein weiteres äußerst langlebiges Projekt am Start haben.

Moore - Spawn - Blutfehde

Alan Moore/Tony S. Daniel/Kevin Conrad: Spawn: Bloodfeud – Blutfehde

(übersetzt von Claudia Fliege)

Panini, 2015

116 Seiten

14,99 Euro

Originalausgabe

Blood Feud, Preludes & Nocturnes (Spawn 32, Juni 1995)

Spawn: Blood Feud, Part One – Four (Spawn: Blood Feud # 1 – 4, Juni – September 1995)

Moore - Nemo - Fluss der Geister

Alan Moore/Kevin O’Neill: Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen: Nemo – Fluss der Geister

(übersetzt von Gerlinde Althoff)

Panini, 2015

60 Seiten

9,99 Euro

Originalausgabe

Nemo: River of Ghosts

Top Shelf Productions/Knockabout Comics, 2015

Moore - Providence 1

Alan Moore/Jacen Burrows: Providence – Band 1

(übersetzt von Gerlinde Althoff)

Panini, 2015

176 Seiten

19, 99 Euro

Originalausgabe

Providence, #1 – 4

Mai – August 2015

Zusatzlektüre

Lovecraft - Horror Stories

Ob es wirklich „Das Beste vom Meister des Unheimlichen“ ist, weiß ich nicht, aber „Cthulhus Ruf“ (The Call of Cthulhu), „Der Fall Charles Dexter Ward“ (The Case of Charles Dexter Ward, verfilmt als „Die Folterkammer des Hexenjägers“), „Die Farbe aus dem All“ (The Colour out of Space), „Berge des Wahnsinns“ (At the Mountains of Madness), „Stadt ohne Namen“ (The nameless City), „Die Ratten im Gemäuer“ (The Rats in the Walls), „Schatten über Innsmouth“ (The Shadow over Innsmouth; – von Moore/Burrows in „Providence“ verarbeitet) und „Die Musik des Erich Zann“ (The Music of Erich Zann) sind gute Geschichten und ein Vorwort von Wolfgang Hohlbein, der die Geschichten auswählte, ist auch nicht schlecht.

Und danach kann man ja die anderen Geschichten von Lovecraft lesen.

H. P. Lovecraft: Horrorstories – Das Beste vom Meister des Unheimlichen

(übersetzt von H. C. Artmann, Charlotte Gräfin von Klinckowstroem und Rudolf Hermstein)

Suhrkamp, 2015

528 Seiten

12 Euro

Hinweise

Comic Book Database über Alan Moore

Alan-Moore-Fanseite (etwas veraltet)

Wikipedia über Alan Moore (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Alan Moore/Dave Gibbons’ „Watchmen” (Watchmen, 1986/1987)

Meine Besprechung von Alan Moore/Eddie Campbells “From Hell” (From Hell, 1999)

Meine Besprechung von Alan Moore (Manuskript, Original-Drehbuch)/Malcolm McLaren (Original-Drehbuch)/Antony Johnston (Comic-Skript)/Facundo Percio (Zeichnungen) „Fashion Beast: Gefeuert (Band 1)“ (Fashion Beast # 1 – 5, 2012/2013)

Meine Besprechung von Alan Moore/Kevin O’Neills „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen: 2009“ (The League of Extraordinary Gentlemen #3: 2009, 2011)

Meine Besprechung von Alan Moore/Kevin O’Neills „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen: Das schwarze Dossier“ (The League of Extraordinary Gentlemen: Black Dossier, 2007)

Meine Besprechung von Alan Moore/Jacen Burrows’ „Neonomicon“ (The Courtyard, 2003; Neonomicon #1 – 4, 2010/2011)

Meine Besprechung von Alan Moore/Gabriel Andrades „Crossed + Einhundert (Band 1)“ (Crossed plus one hundred # 1 – 6, 2015)

Meine Besprechung von Alan Moore/Kevin O’Neills „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen – Band 3: Century“ (The League of extraordinary Gentlemen, Volume III: Century # 1: 1910, #2: 1969, #3: 2009; 2009/2011/2012)

Wikipedia über H. P. Lovecraft (deutsch, englisch)


Alan Moore macht das „Century“ und „Crossed + Einhundert“

Oktober 26, 2015

Schon seit Jahren ist Alan Moore vor allem für „Die Liga der aussergewöhnlichen Gentlemen“ und teils umfangreiche Einzelwerke, wie „Watchmen“, bekannt. Aber auch er schrieb zahlreiche Geschichten für verschiedene Comicserien. Trotzdem ist „Crossed + Einhundert“ keine einfach Rückkehr zur Schreiberei in bisher existierenden Serien mit Charakteren, die von einem anderen Autor erfunden wurden.
Garth Ennis hat zwar „Crossed“ erfunden, aber schon schnell ließ er andere Autoren in der von ihm erfundenen Welt Geschichten erzählen. „Crossed“ spielt in einer postapokalyptischen Welt, in der Menschen zu sex- und mordgierigen Bestien (also nicht-jugendfreie Zombies), Gefirmte genannt, werden. Nach Ennis schrieben David Lapham, Jamie Delano, Simon Spurrier und David Hine in dieser Welt spielende Geschichten.
„Crossed + Einhundert“ von Alan Moore und Zeichner Gabriel Andrade spielt auch in der „Crossed“-Welt, aber ein Jahrhundert nach Ennis‘ Geschichte und da sind alle „Crossed“-Charaktere schon unfriedlich oder friedlich gestorben.
Moore erzählt die Geschichte von Future Taylor, eine Archivarin die mit anderen Überlebenden in Ruinen nach Büchern sucht. Die Gefirmten haben sich inzwischen fast vollständig vernichtet und die Ruinenstädte sind von Pflanzen überwuchert. Eine richtige Zivilisation ist nirgends erkennbar.
Bei einer ihrer Expeditionen geraten Taylor und ihre Gefährten in Lebensgefahr. Denn es gibt immer noch Gefirmte und sie haben einen Plan.
Warum diese Geschichte einhundert Jahre nach den anderen „Crossed“-Geschichten spielt, bleibt unklar. Denn die dystopische Welt veränderte sich nicht. Immer noch kämpfen die Menschen nur um ihr nacktes Überleben in einer Mittelalter-Welt. Dabei wäre es doch interessant gewesen, zu erzählen, wie die Menschen nach einer großen Katastrophe wieder eine Gesellschaft aufbauen oder, immerhin sind seit der Katastrophe hundert Jahre vergangen, aufgebaut haben.
Die einzige erkennbare Entwicklung findet sich in der Sprache, die zu einer nervigen Pidgin-Sprache verkommen ist. Ein Beispiel: „Müssen irgendwo sein. Ist eine Art Schrein, die Kerzen flammen noch. Ein Haufen Zucker, wie’s blickt, und das verrahmte Nicht-Fotobild.“
Und jetzt stellen Sie sich einen Text vor, der nur so geschrieben ist.

Schon etwas älter ist „Century“, eine Sammlung von drei miteinander zusammenhängenden Abenteuer der „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“, die 1910, 1969 und 2009 spielen und im Original zwischen 2009 und 2012 erschienen.
Die Abenteuer der Liga der außergewöhnlichen Gentlemen spielen in einem Paralleluniversum, in dem für uns aus der Literatur bekannte Charaktere wirklich leben und auch ihre Abenteuer mehr oder weniger wahr sind.
In „Century“ kämpft die Murray-Gruppe, die aus Mina Murray (auch bekannt als Mina Harker aber nach der Begegnung mit Graf Dracula nahm sie wieder ihren Mädchennamen an), dem unsterblichen, sein Geschlecht immer wieder wechselnden Orlando, Geistersucher Thomas Carnacki, Gentleman-Dieb A. J. Raffles und, ab und an, dem Abenteuerer Allan Quatermain besteht, gegen eine sich anbahnende Katastrophe. Bereits 1910 erwarten sie die von dem Satanisten Oliver Haddo initiierte Geburt eines Mondkindes, das die Welt zerstören soll. Aber die wirklichen Dimensionen erfahren sie erst 1969 und 2009.
Das macht Spaß, vor allem „1910: Denn wovon lebt der Mensch?“ und „1969: Paint it Black“ baden förmlich in literarischen und popkulturellen Anspielungen und im Zeitkolorits des viktorianischen, okkultbegeisterten Englands und dem drogengeschwängerten London der Hippiezeit. Die dritte Geschichte „2009: So mag er fallen“ gefällt mir jetzt, nach der zweiten Lektüre, zwar besser, aber ihr fehlen die überbordenden popkulturellen Anspielungen; wobei ich vielleicht nach einer ausgedehnten Harry-Potter-Lektüre viel mehr Anspielungen erkennen würde.
Moore - Crossed + Einhundert - 2Moore - Die Liga der aussergewöhnlichen Gentlemen Century - Softcover - 2
Alan Moore/Gabriel Andrade: Crossed + Einhundert (Band 1)
(übersetzt von Marc-Oliver Frisch)
Panini, 2015
164 Seiten
19,99 Euro

Originalausgabe
Crossed plus one hundred # 1 – 6
Avatar, 2015

Alan Moore/Kevin O’Neill: Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen – Band 3: Century
(übersetzt von Gerlinde Althoff)
Panini, 2014
244 Seiten
29,99 Euro

Originalausgabe
The League of extraordinary Gentlemen, Volume III: Century # 1: 1910, #2: 1969, #3: 2009
Top Shelf Prductions/Knockabout Comics, 2009/2011/2012

Hinweise

Comic Book Database über Alan Moore

Alan-Moore-Fanseite (etwas veraltet)

Wikipedia über Alan Moore (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Alan Moore/Dave Gibbons’ „Watchmen” (Watchmen, 1986/1987)

Meine Besprechung von Alan Moore/Eddie Campbells “From Hell” (From Hell, 1999)

Meine Besprechung von Alan Moore (Manuskript, Original-Drehbuch)/Malcolm McLaren (Original-Drehbuch)/Antony Johnston (Comic-Skript)/Facundo Percio (Zeichnungen) „Fashion Beast: Gefeuert (Band 1)“ (Fashion Beast # 1 – 5, 2012/2013)

Meine Besprechung von Alan Moore/Kevin O’Neills „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen: 2009“ (The League of Extraordinary Gentlemen #3: 2009, 2011)

Meine Besprechung von Alan Moore/Kevin O’Neills „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen: Das schwarze Dossier“ (The League of Extraordinary Gentlemen: Black Dossier, 2007)

Meine Besprechung von Alan Moore/Jacen Burrows‘ „Neonomicon“ (The Courtyard, 2003; Neonomicon #1 – 4, 2010/2011)


Ein Blick auf einige neuere Werke von Alan Moore

Januar 22, 2014

 

Moore - Fashion Beast 1Moore - Die Liga der aussergewöhnlichen Gentlemen 2009

Moore - Die Liga der aussergewöhnlichen Gentlemen Das schwarze DossierMoore - Neonomicon

Für seine Jünger ist Alan Moore, der mit „Watchmen“, „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ und „From Hell“ ja einige veritable Klassiker schrieb, ein Heiliger.

Für eher profane Geister ist er ein guter Comic-Autor mit einem durchwachsenem Oeuvre, wie auch ein Blick auf seine zuletzt in Deutschland erschienenen Werke zeigt.

Fashion Beast“ ist seine neueste Kreation; – wobei das nicht so genau stimmt. Denn der Ursprung der Geschichte ist ein Filmtreatment von Alan Moore und Malcolm McLaren aus den Achtzigern, das jetzt von Antony Johnston zu einem Comic verarbeitet wurde.

In der in einer dystopischen Welt spielenden Geschichte träumt der Transvestit Doll, während die meisten Menschen um ihre nackte Existenz kämpfen, von einem Leben auf dem Laufsteg. Als sie ihre Arbeit als Garderobiere in einem Nobel-Disco verliert, spricht sie bei dem legendären Modeschöpfer Celestine vor – und wird, wider Erwarten, als Modell genommen.

Wahrscheinlich weil „Fashion Beast“ bereits 1985 geschrieben wurde, wirkt die Geschichte anachronistisch. Das zeigt sich vor allem daran, wie die Modewelt gezeichnet wird und dass das damalige Zeitgefühl, in dem man sich täglich vor der Apokalypse in Form eines Dritten Weltkriegs, den Grenzen des Wachstums, Umweltkatastrophen und damit dem Ende des westlichen Lebensmodells fürchtete und dem Ende mit einer nihilistischen Punk-Attitüde begegnete. Immerhin war der Modemacher Malcolm McLaren auch Manager der „Sex Pistols“.

Dazu gesellen sich storytechnische Probleme. Denn „Gefeuert“ erzählt die erste Hälfte der Geschichte von Doll. Allerdings erfolgte bislang nur ein Set-Up, bei dem weitgehend unklar ist, in welche Richtung die Geschichte sich bewegen soll.

2009“ erzählt eine weitere, ziemlich kurze Geschichte aus der Welt der „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“. Sie ist der abschließende Teil der Jahrhundert-Trilogie (aka Century-Trilogie), spielt 2009, wechselt ziemlich flüssig zwischen den verschiedenen Welten und verliert irgendwo dazwischen eine nachvollziehbare Geschichte. Immerhin erklärt ein Alan-Moore-Lookalike die Mission: „Dieses Reich hat sich darauf verlassen, dass du für uns den Propheten Antichrist findest, sodass wir die Apokalypse verhindern können.“

Wahrscheinlich aufgrund der Kürze fühlt sich die Geschichte wie eine Skizze an, die sich, auch aufgrund ihrer nur angerissenen Hintergrundgeschichten über die Hauptcharaktere, vor allem an Menschen richtet, die mit dem „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“-Kosmos vertraut sind.

Deutlich besser ist, ebenfalls mit der „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“, „Das schwarze Dossier“, das auch einen Blick in die Geschichte der Liga wirft, weil Wilhelmina ‚Mina‘ Murray und Allan Quatermain 1958 das titelgebende „Schwarze Dossier“ in einem England, das etwas anders ist, als das England, das wir aus den Geschichtsbüchern kennen, stehlen und es auf ihrer Flucht lesen. Das Dossier ist eine Sammlung von verschiedenen Dokumenten, die etwas mit der Geschichte der Liga zu tun haben, wie „Die Abstammung der Götter“ von Okkultfachmann Oliver Haddo, einer Faksimilie-Ausgabe des Trump-Heftes „Das Leben von Orlando“ (eine bebilderte Biographie), „Feenlands Schicksalsfügung“ von William Shakespeare, „Die neuen Abenteuer der Fanny Hill“ von John Cleland, ein Prospekt von London, wie es 1901 zur Zeit der ersten Murray-Gruppe aussah, „Die irrsinnig weite Ewigkeit“ von Sal Paradyse, eine „Zusammenfassung des des Direktors“ von M und einige Postkarten.

Das ist einerseits witzig zu lesen, wenn Autor Alan Moore und Zeichner Kevin O’Neill mit jedem Dokument radikal den Stil wechseln, sich Zeichengeschichten mit Texten abwechseln. Allerdings ist es auch ungefähr so spannend, wie die Lektüre einer Akte oder, positiv gesagt, einer Zeitschrift.

Dazwischen gibt es eine Verfolgungsjagd mit einem leichten „Die 39 Stufen“-Touch: Bulldog Drummond, Emma Night (aka Emma Peel) und eine James-Bond-Pastiche verfolgen Murray und Quatermain quer durch die englische Landschaft.

Das gelungenste Werk im neuen Output von Alan Moore ist „Neonomicon“. In dem Sammelband sind die sehr locker miteinander verbundenen Geschichten „The Courtyard“ (2003) und „Neonomicon“ (2010/2011) enthalten, die auf Lovecrafts Cthulhu-Mythos basieren und einige ungeahnte Hintergründe über die Entstehung der Cthulhu-Geschichten enthüllen.

In der ersten Geschichte „The Courtyard“ untersucht FBI-Agent Aldo Sax eine Serie von Ritualmorden und stößt auf eine vom Cthulhu-Mythos inspirierte Subkultur.

In der vierteiligen Geschichte „Neonomicon“ sitzt Sax in einem Hochsicherheitstrakt. Die FBI-Agenten Gordon Lamper und Merril Brears untersuchen eine ähnliche Mordserie in Connecticut. Sie vermuten, dass ein seit Jahrzehnten agierender Kult dahinter steckt. Undercover versuchen sie ihn zu infiltrieren, was keine so gute Idee ist.

Alan Moore (Manuskript, Original-Drehbuch)/Malcolm McLaren (Original-Drehbuch)/Antony Johnston (Comic-Skript)/Facundo Percio (Zeichnungen): Fashion Beast: Gefeuert (Band 1)

(übersetzt von Gerlinde Althoff)

Panini, 2013

132 Seiten

16,95 Euro

Originalausgabe

Fashion Beast # 1 – 5

August 2012 – Januar 2013

Alan Moore/Kevin O’Neill: Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen: 2009

(übersetzt von Gerlinde Althoff)

Panini, 2013

84 Seiten

12,95 Euro

Originalausgabe

The League of Extraordinary Gentlemen #3: 2009

2011

Alan Moore/Kevin O’Neill: Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen: Das schwarze Dossier

(übersetzt von Gerlinde Althoff)

Panini, 2013

212 Seiten

29,99 Euro

Originalausgabe

The League of Extraordinary Gentlemen: Black Dossier

2007

Alan Moore/Jacen Burrows: Neonomicon

(übersetzt von Gerlinde Althoff)

Panini, 2011

160 Seiten

16,95 Euro

Originalausgabe/enthält

The Courtyard (Januar/Februar 2003)

Neonomicon #1 – 4 (Juli 2010/August 2010/Oktober 2010/Februar 2011)

Hinweise

Comic Book Database über Alan Moore

Alan-Moore-Fanseite (etwas veraltet)

Wikipedia über Alan Moore (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Alan Moore/Dave Gibbons’ „Watchmen“ (Watchmen, 1986/1987)

Meine Besprechung von Alan Moore/Eddie Campbells „From Hell“ (From Hell, 1999)