Neu im Kino/Filmkritik: Eurospy galore! „Reflection in a Dead Diamond“

Oktober 9, 2025

Die Filmgeschichte kann so erzählt werden: in einem Luxushotel an der Côte d’Azur gastiert der ehemalige Geheimagent John D. (Fabio Testi). Seine Tage verbringt er mit dem stillen Beobachten einer Strandschönheit und Erinnerungen an seine früheren Aufträge in denen er als mediterraner James Bond gegen Superbösewichter kämpfte. Als die Frau spurlos verschwindet, glaubt er, dass er sich seiner Vergangenheit und früheren Gegnern, vor allem seiner Erzfeindin Serpentik (Thi May Nguyen), einer in schwarz glänzendem Leder gekleideten, sexy Kampfamazone, stellen muss.

Oder sie kann so zusammengefasst werden: in ihrem neuen Film „Reflection in a Dead Diamond“ spielt das Regie-Ehepaar Hélène Cattet und Bruno Forzani mit den italienischen Spionagefilmen, die in den Sechzigern James Bond mit weniger Geld, aber mehr nackter Haut, teils unter glänzendem Leder nachahmten, und den Giallos der sechziger und siebziger Jahre. In ihrem Film assoziieren sie dabei zwischen Gegenwart und Vergangenheit und zwischen verschiedenen Filmen, in denen John D. mitspielte, eine Geschichte, die ein Best-of-Pulp ist. In der Gegenwart kämpft John D. mit seinen Erinnerungen an seine früheren Auftritte als Schauspieler in billigen Agentenfilmen und dem demenzbedingtem Vergessen dieser Erinnerungen. Dabei kann er immer weniger zwischen Realität und Fiktion, zwischen Erinnerungen an sein Leben und an seine Filme unterscheiden. Alles verschwimmt zu einem großen Abenteuer.

Inszeniert haben Cattet und Forzani dies, wie ihre vorherigen Filme, als einen zitat- und anspielungsreichen Bilderrausch, in dem die Bilder und die Atmosphäre eindeutig über der bestenfalls assoziativen Story triumphieren. „Reflection in a Dead Diamond“ ist auch eine weitere hemmungslose Liebeserklärung an das italienische Kino der sechziger und siebziger Jahre zwischen Italo-Western, Eurospy-Filmen, Giallo, Horror- und Sexfilm.

Das Ergebnis ist ein großer Spass, der gar nicht so blöde ist, wie er auf den ersten Blick erscheint und der einen dazu anregt, mal wieder einen dieser oft schlechten Filme, die erst in der Erinnerung so großartig wurden, zu gucken.

Oder man sieht sich einfach wieder „Reflection in a Dead Diamond“ an und liefert sich den Kämpfen von John und Serpentix aus, erfreut sich an den Bildern, die heute noch intensiver als damals leuchten, genießt die Anspielungen, beginnt zwischen den Bildern über ihre Bedeutung und ihren Zusammenhang miteinander zu sinnieren und stellt fest, dass unter dieser glänzend-erotisierten Oberfläche viel verborgen ist.

Reflection in a Dead Diamond (Reflet dans un diamant mort, Italien/Luxemburg/Belgien/Frankreich 2025)

Regie: Hélène Cattet, Bruno Forzani

Drehbuch: Hélène Cattet, Bruno Forzani

mit Fabio Testi, Yannick Renier, Koen De Bouw, Maria de Medeiros, Thi Mai Nguyen

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

AlloCiné über „Reflection in a Dead Diamond“ 

Moviepilot über „Reflection in a Dead Diamond“

Metacritic über „Reflection in a Dead Diamond“

Rotten Tomatoes über „Reflection in a Dead Diamond“

Wikiepdia über „Reflection in a Dead Diamond“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „Reflection in a Dead Diamond“

Meine Besprechung von „Amer – Ein Alptraum aus Angst und Begierde“ (Amer, Frankreich/Belgien 2009)


TV-Tipp für den 15. April: Mörder ohne Erinnerung

April 14, 2021

Servus TV, 22.10

Mörder ohne Erinnerung (De zaak Alzheimer, Niederlande/Belgien 2003)

Regie: Erik van Looy

Drehbuch: Carl Joos, Erik van Looy

LV: Jef Geeraerts: De zaak Alzheimer, 1985

Ein Auftragsmörder wendet sich gegen seine Auftraggeber, einen Pädo-Ring, und bringt sie um. Zunehmend gehemmt ist er dabei von seinem fortschreitenden Alzheimer.

In Deutschland erlebte der spannende Thriller seine Premiere auf dem Fantasy-Filmfest und wurde anschließend nur als DVD veröffentlicht.

Geheimtipp“ (Fantasy Filmfest)

Düsterer, realistisch anmutender Soziokrimi von überraschender Qualität.“ (Just: Film-Jahrbuch 2005)

Jef Geeraerts schrieb seinen Roman lange vor dem Belgien und Europa erschütternden Fall Dutroux.

Mit Jan Decleir, Koen de Bouw, Wernder de Smedt, Jo de Meyere

auch bekannt als „Totgemacht – The Alzheimer Case“ und „Lost Memory – Killer ohne Erinnerung“

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Mörder ohne Erinnerung“

Wikipedia über „Mörder ohne Erinnerung“ (deutsch, englisch) und Jef Geeraerts

Meine Besprechung von Erik van Looys „The Loft“ (The Loft, USA 2014)