DVD-Kritik: „Crime Game“ – sie wollen nur einen Schatz aus einer Bank klauen

Juni 29, 2021

Schatzsucher Walter Moreland ist stinkig. Da hat er nach jahrelanger Suche in einem Wrack endlich, neben vielen anderen wertvollen Dingen, eine äußerst wertvolle Schatulle gefunden und sofort wird alles von der spanischen Regierung konfisziert. Ein Gericht bestätigt, dass der Fund rechtmäßig Spanien gehört und er wird in Madrid in den Safe der Bank von Spanien gelegt. Also nicht in irgendeinem Safe, sondern in einem schon vor ungefähr hundert Jahren gebauten Safe, der tief unter der Erde steht und über den niemand etwas genaues weiß. Außer, dass dieses Wunderwerk der Ingenieurkunst absolut sicher, sozusagen todsicher, ist.

Walter, der unbedingt die Schatulle will, engagiert den jungen, genialen Ingenieur Thom. Der Student hat gerade eine Reihe Firmen, die ihn einstellen wollten, mit seinen unverschämpten Forderungen und seiner überwältigenden Lustlosigkeit auf einen Job in einem Konzern, abblitzen gelassen. Er sucht etwas, das ihn wirklch herausfordert und an seine Grenzen bringt. Das kann Walter ihm bieten. Und ein Team, das für den Nerd zu einer Familie werden kann. Bei Lorraine könnte es sogar mehr werden.

Gut, die Motive von Walter und Thom für den Einbruch sind etwas seltsam (das hat man davon, wenn man seinen Protagonisten nicht mehr nur schnöde Geldgier, aber auch keine edlen Motive unterstellen will) und der Safe entspringt weniger der Realität (obwohl der echte Safe der Bank von Spanien die Inspiration war), als der Fantasie von Drehbuchautoren, die zur Vorbereitung zu viele Superheldenfilme (die Lage und der Aufbau des Safes) und alte Abenteuergeschichten (so in Richtung Indiana Jones) genossen haben.

Aber die Schauspieler – Liam Cunningham, Freddie Highmore, Sam Riley,

Àstrid Bergès-Frisbey, Luis Tosar, Axel Stein (unauffällig und wahrscheinlich nur dabei, weil irgendwie auch deutsches Geld involviert ist) und Famke Jansen (in einer Nebenrolle) – sind engagiert dabei. Regisseur Jaume Balaguero („[REC]“) inszeniert druckvoll und erstaunlich ernst. Auf den aus den Ocean-Filmen und Serien wie „Hustle“ und „Leverage“ bekannten humorvollen Ton verzichtet er vollkommen.

Der Plan der Diebe, während des Finales der Fußball-Weltmeisterschaft 2010, als Spanien gegen die Niederlande spielt, in die hochgesicherte Bank einzubrechen und gegen alle Widrigkeiten und Überraschungen sich der Beute zu nähern und mit ihr zu entkommen (jedenfalls versuchen sie es) ist wahnwitzig, elaboriert, praktisch undurchführbar (vor allem wenn man nur kurz darüber nachdenkt) und damit hoch unterhaltsam.

Das macht „Crime Game“ nicht zu einem Meisterwerk oder kommendem Klassiker. Dafür sind die Figuren zu dürftig gezeichnet, die Konstruktion des Safes zu unrealistisch und alles läuft zu sehr nach den bekannten Konventionen des Heist-Movies ab.

Damit ist „Crime Game“ genau der richtige Film für einen lauen Sommerabend, an dem man sich auf Entspannung durch Spannung freut.

Crime Game (Way down, Spanien 2021)

Regie: Jaume Balagueró

Drehbuch: Rafa Martínez, Andrés Koppel, Borja Glez. Santaolalla, Michel Gaztambide, Rowan Athale (nach einer Geschichte von Rafa Martínez, Andrés Koppel und Borja Glez. Santaolalla)

mit Freddie Highmore, Sam Riley, Liam Cunningham, Àstrid Bergès-Frisbey, Jose Coronado, Luis Tosar, Emilio Gutiérrez Caba, Axel Stein, Famke Janssen

DVD

Square One Entertainment/LEONINE Distribution

Bild: 2,40:1 (16:9 anamorph)

Ton: Deutsch, Englisch (DD 5.1)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Trailer, Teaser, Making-of

Länge: 114 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Der Film ist außerdem auf Blu-ray erschienen und selbstverständlich auch als Stream verfügbar.

Hinweise

Moviepilot über „Crime Game“

Metacritic über „Crime Game“

Rotten Tomatoes über „Crime Game“

 


Neu im Kino/Filmkritik: „Ma Ma – Der Ursprung der Liebe“ an der Brust von Frau Cruz

Juni 30, 2016

Man kann „Ma Ma – Der Ursprung der Liebe“, den neuen Film von Julio Medem („Lucia und der Sex“), leicht als Kitsch und Starvehikel abtun. Immerhin ist Penélope Cruz in fast jeder Sekunde zu sehen und der gesamte Film dreht sich um sie und ihr heldenhaftes Leiden als krebskranke Mutter, die sich zuerst eine Brust wegoperieren lässt, nur um danach zu erfahren, dass der Krebs nicht besiegt ist und sie innerhalb weniger Monate sterben wird. Gleichzeitig findet sie in Arturo, dem Talentscout von Real Madrid, der gerade seine Frau und Tochter verloren hat, eine neue große Liebe, die auch von ihrem elfjährigem Sohn akzeptiert wird. Immerhin ist Dani ein echtes Fußballtalent und ein Platz in der Mannschaft Real Madrid wäre ein Gottesgeschenk.

Und dann wird Magda wieder schwanger!

Das hätte sich das gesamte Team des sonntäglichen ZDF-Kitschfilms nicht schlimmer ausdenken können als Ballung von tragischem Leid und unfassbarem Glück. Normalsterbliche greifen in dem Moment panisch nach der Fernbedienung.

Aber Julio Medem wagt ein ziemliches gewagtes Experiment, indem er möglichst viel von dem, was wir bei einem gefühligem Kitschfilm erwarten, weglässt. So wird Magda von ihrem Mann wegen einer Jüngeren verlassen und ihren Job als Lehrerin ist sie auch bald los. Aber die Trennung geschieht mit einer SMS und ihre baldige Entlassung ist schon länger Teil ihrer Lebensplanung. Ihre Familie, Verwandtschaft und Freunde, mit denen sie über die Krebsdiagnose sprechen könnte, tauchen nicht auf. Stattdessen zieht sie sich erst einmal zurück, lässt Dani in ein Ferienlager fahren und sieht sich alleine die spanische Mannschaft beim 2012er Europapokal an. Sie versinkt höchstens für zwei Sekunden in Trübsal. All die großen Szenen, in denen Schauspieler so richtig groß mit Tränen, Schreien, Schluchzern und wilden Armbewegungen aufspielen können, fehlen.

Das gleiche gilt für ihre Beziehung zu Arturo. Schon bei ihrem ersten Zusammentreffen, auf der Tribüne eines Fußballstadions, geben sie sich Halt. Magda hat gerade die Krebsdiagnose erfahren. Er erfährt von dem Unfall seiner Familie. Auch danach entwickelt sich ihre Beziehung vor allem über den Verlust seiner Familie und ihrer Krankheit. Da ist, auch weil sie keine Zwanzig mehr sind, kein Platz für teenagerhaften Gefühlsüberschwang. Erst spät fällt Magda auf, dass sie noch keinen Sex hatten, obwohl sie schon länger sehr vertraut miteinander umgehen.

Medem entkernt nicht nur die kitschige Geschichte, sondern er konzentriert sich auch auf wenige Charaktere. Am Ende sind es nur Magda, ihr Sohn, ihr neuer Freund und, in einer Nebenrolle, ihr singender Gynäkologe, der auch nach Feierabend für sie Zeit hat. Keiner von ihnen übernimmt dabei die traditionelle Rolle des Bösewichts.

Medem lässt auch die Geschlechterverhältnisse ähnlich frei wie Pedro Alomodóvar tanzen. Freie Liebe, homosexuelle Liebe, echte und falsche Väter und alternative Lebensentwürfe abseits der normalen Ehe werden schulterzuckend akzeptiert. Sie sind in diesem katholischen Spanien kein Grund, sich aufzuregen. Das ist, wenn man an irgendeine x-beliebige RomCom denkt, in dem die Protagonistin nur ihren Traummann und eine traditionelle Familie haben will, erfrischend.

Auch Magda denkt überhaupt nicht daran, ihr Lebensglück nur in einer traditionellen Familie zu suchen. Immerhin ist sie eine Mutter und Mama ist das spanische Wort für, wenig überraschend, Mutter, aber auch die weibliche Brust oder, etwas poetischer der Ursprung der Liebe bzw. der Welt. Liebe schenkt sie dann auch während des Films.

Natürlich ist „Ma Ma“ ein Starvehikel und eine Liebesgeschichte, die angenehm ambivalent auf fast alle Elemente verzichtet, die zu einem Kitschfilm dazugehören. Dieses Spielen einer Melodie, während man möglichst viele Töne von ihr weglässt, ist als intellektuelles Vergnügen interessant. Für das Auge gibt es in jeder Szene Penélope Cruz. Was will man mehr von einem Film?

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Ma Ma – Der Ursprung der Liebe (Ma Ma, Spanien 2015)

Regie: Julio Medem

Drehbuch: Julio Medem

mit Penélope Cruz, Luis Tosar, Asier Etxeandia, Teo Planell, Àlex Brendermühl, Silvia Abascal

Länge: 123 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Ma Ma“

Metacritic über „Ma Ma“

Rotten Tomatoes über „Ma Ma“

Wikipedia über „Ma Ma“ (englisch, spanisch)