

Solange Superheldencomics Kinderkram waren, die man nach der Pubertät nicht mehr anrührte (außer natürlich um die Hefte zu utopischen Summen als Sammlerstück zu kaufen oder zu verkaufen), stellte sich die Frage nach dem Geschlechtsverkehr, und wie er dargestellt werden kann, nicht. Superman, Batman undsoweiter haben zwar eine Freundin (will ja jeder Teenie haben), oft ist die Beziehung auch etwas problematisch (Soll ich sie ansprechen? Wenn ja: wie? Immerhin bin ich der kleine picklige Typ mit der Brille und nicht dieser andere Typ.), aber die Sache mit Heirat, Sex, Kinder kriegen und Familienvater sein (in dieser Reihenfolge) stand nie zur Debatte. Das änderte sich auch in den letzten Jahren, als die Comics erwachsen wurden (wie man so sagt, wenn die Geschichten länger, komplexer und düsterer werden und die Geschichten immer stärker ethische und politische Fragen, die auch die Tagespolitik bestimmen, behandelen ohne alte Feindbilder platt zu wiederholen). Und dennoch: die Triebe des Helden konzentrierten sich auf die Verbrechensbekämpfung. So als sei Sex etwas aus einer anderen Dimension.
Nun, mit „Sex“ und „Sex Criminals“ wird auch an dem Sex-Tabu gerüttelt und das Ergebnis fällt, noch, ernüchternd aus. Denn beide Comics wirken, als ob die Macher einfach einige knallige Sexszenen in eine Standardsuperheldengeschichte einfügten und sich dann zufrieden zurücklehnten. Der Trick hat ja auch früher funktioniert, als man in einen banalen Film eine saftige Sexszene reinknallte, einen Skandal provozierte und utopische Einnahmen hatte.
In „Sex“ von Autor Joe Casey und Zeichner Piotr Kowalski kehrt Simon Cooke nach einer Auszeit in seine Heimatstadt Saturn City (yeah, Sin City, Gotham City, New York) zurück. Er ist Konzernchef (naja, irgendwie Bruce Wayne) und war früher der Kettenheilige, manchmal auch nur der Heilige (Batman) und auch bei ihm war die Verbrechensbekämpfung nicht sonderlich erfolgreich. Denn die Bösewichter sind immer noch da.
Und Cooke hat eine Freundin/Geliebte: Annabelle Lagravenese (aka „Schattenluchs“), die als Bordellchefin mit Escort-Service ihr Geld verdient, wenn sie nicht gerade im Catwoman-Stil über die Dächer springt.
Im ersten „Sex“-Sammelband versucht Simon Cooke mit seinem bürgerlichem Leben zurechtzukommen und alles das nachzuholen, was er als junger Superheld nicht tun konnte. Was vor allem die Sache mit den drei Buchstaben ist. Aber er zweifelt, ob er die richtige Entscheidung getroffen hat und natürlich hängt er immer noch an seiner ersten Liebe Annabelle.
Das ist dann, wenn wir im „Batman“-Kosmos bleiben, doch nur ein weiteres „Batman“-Abenteuer, aufgehübscht mit viel nackter Haut (keine Angst, vor allem die Bösewichter haben Sex) und daher ziemlich konventionell, aber durchaus gelungen, im bekannten Fahrwasser.
Bei „Sex Criminals“ von Autor Matt Fraction und Zeichner Chip Zdarsky, das 2014 den Eisner-Preis als Beste neue Serie erhielt, begeisterte mich dieser Satz aus dem Klappentext: „Also tun sie, was jedes vernünftige Paar tun würde, das die Welt einfrieren kann, wenn es Sex hat: Die beiden ziehen los und rauben eine Bank aus.“
Das tun Suzie und Jon auch. Immerhin steht die Zeit still, wenn sie einen Orgasmus haben und in dieser Zeit können sie, wie sie uns vor dem ersten Bankraub erzählen, ganz viele Dinge erledigen. Dummerweise haben noch andere Menschen diese Fähigkeit und schnell verfolgen einige engelsweiß eingekleidete Polizisten das Liebespaar.
Wie bei „Sex“ ist bei „Sex Criminals“, wenigstens im ersten Sammelband, die Sache mit dem Sex noch ein Gimmick, der der Geschichte keine umwerfend neue Dimension verleiht. Denn verbrecherische Superhelden gibt es schon einige und dass gute und böse Superhelden miteinander im Clinch liegen, ist jetzt auch nicht neu. Dass in „Sex Criminals“ dieser Kampf in eine andere Dimension verlegt wird – nun, ja, mal sehen, wie es weitergeht.
Aber vielleicht wäre ich als prüder Amerikaner auch schockierter über die nackten Tatsachen und, vor allem in „Sex“, dem respektlosen Spiel mit dem Superheldengenre. Wir Europäer sind da ja einiges gewohnt.
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Joe Casey (Autor)/Piotr Kowalski (Zeichner): Sex – Ein steifer Sommer (Band 1)
(übersetzt von Marc-Oliver Frisch)
Panini, 2014
160 Seiten
17,99 Euro
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Originalausgabe
The Summer of Hard
Image, 2013
(enthält Sex 1 – 8)
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Hinweise
Image Comics über Joe Casey
Wikipedia über Joe Casey
Meine Besprechung von Todd McFarlane (Autor)/Joe Casey (Autor)/Nathan Fox (Zeichner) „Haunt – Band 5“ (Haunt # 23 – 28, 2013)
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Matt Fraction (Autor)/Chip Zdarsky (Zeichner): Sex Criminals – Guter Sex zahlt sich aus: Komm, Welt (Band 1)
(übersetzt von Marc-Oliver Frisch)
Panini, 2015
140 Seiten
16,99 Euro
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Originalausgabe
One weird Trick
Image, 2014
(enthält Sex Criminals 1 – 5, September 2013 – März 2014)
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Hinweise
Homepage von Matt Fraction
Homepage von Chip Zdarsky
Wikipedia über „Sex Criminals“
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