Während Konservative gerade ihre Vorstellungen zur Prostitution in Gesetzesform gießen, dabei entschieden gegen Zwangsprostitution (Wie erkenne ich eine Zwangsprostitutierte?), Flatrate-Bordelle (Hm?), Gangbang-Partys (Uh, ist das nicht ein freiwilliges Vergnügen von Erwachsenen?) und minderjährige Prostituierte (also: unter 21 Jahren geht käuflicher Sex gar nicht, aber morden für’s Vaterland ist okay) vorgehen will, gerne auch mit einer Anmeldepflicht für Sexarbeiterinnen (weil nur eine angemeldete Prostituierte keine Zwangsprostitutierte ist), ist ein Buch wie Melissa Gira Grants „Hure spielen – Die Arbeit der Sexarbeit“ notwendig und wichtig, auch wenn Grant, die selbst Sexarbeiterin war, teilweise arg akademisch schreibt und sie Fakten (die sie kaum belegt und die daher nicht überprüft werden können) mit ihrer Meinung vermischt. Weil „Hure spielen“ allerdings ein Pamphlet ist, das sich in einem aktuellen Diskurs eindeutig positioniert und Grant vor allem Denkanstöße vermitteln will, ist das akzeptabel. Auch wenn wahrscheinlich genau die Menschen, die ihre Meinung zur Sexarbeit überprüfen sollten, „Hure spielen“ nicht lesen werden.
Außerdem konzentriert die Amerikanerin sich auf die Verhältnisse in ihrem Heimatland. Das ist zwar verständlich, mindert aber den Wert des Buches für uns beträchtlich. Denn viele Kämpfe und Probleme für US-Sexarbeiterinnen, vor allem dort grassierende Bigotterie, gibt es so in Deutschland nicht, obwohl es auch hier entschiedene Prostitutionsgegnerinnen (die gerne mit Fantasiezahlen operieren), massive Probleme mit der Polizei und Ämtern (wie mir einige Berliner Sexarbeiterinnen kürzlich erzählten) und einen Diskurs über Betroffene gibt, bei dem die Betroffenen nicht gefragt werden. So als seinen Huren Menschen, die zu dumm sind, um ihre Lage richtig einzuschätzen. Was in Deutschland besonders für die Zwangsprostitutierten gilt, die natürlich alle aus Osteuropa kommen und hier, zu ihrer eigenen Überraschung, in Bordellen unterdrückt werden. Es muss sich um unglaubliche Zahlen handeln. Denn die eher geringen Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatististik werden von konservativen Politikern nicht genannt. 2013 waren es 542 Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. In den vergangenen Jahren sank die Zahl auf den niedrigsten Stand seit 2006.
In ihrem Vorwort erwähnt Kulturwissenschaftlerin Mithu M. Sanyal auch die vierzigtausend Frauen, die 2006 zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Deutschland kommen sollten, um die Fußballfans sexuell zu befriedigen. Zusätzlich zu den bereits in Deutschland lebenden Sexarbeiterinnen. Es gab, wie man im „Bundeslagebild Menschenhandel 2006“ des Bundeskriminalamtes erfährt, 5 (in Worten: Fünf!) Fälle.
In ihrem Buch versucht Melissa Gira Grant einige der Mythen, die sich um die Sexarbeit ranken, zu entmystifizieren. Außerdem betont sie immer wieder die Vielfältigkeit der Sexarbeit zwischen Straßenstrich, Escort, Clubs in all ihren Schattierungen bis hin zum Pornofilmgeschäft. Sie geht auch auf die Repression durch Polizei und Politik ein. Und immer wieder wendet sie sich gegen die selbsternannten Retter von Prostituierten, deren falsche Argumente und wie sie gegen Hurenorganisationen arbeiten.
Bei mir rennt Melissa Gira Grant offene Scheunentore ein, weshalb „Hure spielen – Die Arbeit der Sexarbeit“ mich lediglich in meinen Ansichten bestätigte. Pieke Biermanns Interviewbuch „’Wir sind Frauen wie andere auch!‘ – Prostituierte und ihre Kämpfe“ (Argument Verlag, 2014) fand ich da interessanter.
–
Melissa Gira Grant: Hure spielen – Die Arbeit der Sexarbeit (Nautilus Flugschrift)
(übersetzt von Georg Felix Harsch)
Edition Nautilus, 2014
192 Seiten
14,90 Euro
–
Originalausgabe
Playing the Whore – The Work of Sex Work
Verso, London/New York 2014
–
Melissa Gira Grant besucht Deutschland
Berlin: Freitag, 17. Oktober – 19 Uhr im Salon der Rosa-Luxemburg-Stiftung, (Franz-Mehring-Platz 1), Moderation: PG Macioti
Hamburg: Samstag, 18. Oktober – 20 Uhr im GOLEM (Große Elbstraße 14), Moderation: Mithu M. Sanyal
Köln: Montag, 20. Oktober – 19 Uhr im Odonien (Hornstraße 85), Moderation: Susanne Kleinfeld
Bonn: Dienstag, 21. Oktober – 20 Uhr im Buchladen Le Sabot (Breite Straße 76), Moderation: Susanne Kleinfeld
Die Tour findet in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung statt.
–
Hinweise

Veröffentlicht von AxelB