Was ist im „Crossed“-Universum „Das kleinere Übel“?

Juli 4, 2018

In der von Garth Ennis erdachten „Crossed“-Welt hat ein hochansteckender Virus die meisten Menschen in dauergeile, Obszönitäten sagende blut- und mordgierige Barbaren verwandelt. In ihrem Gesicht haben sie eine Kreuz-Wucherung. Deshalb werden sie auch die Gefirmten genannt.

Nach der ersten „Crossed“-Geschichte ließ Ennis andere Autoren Geschichten aus der von ihm erdachten Horrorwelt schreiben. Deshalb gibt es keine durchgehenden Charaktere, sondern viele verschiedene Einzelgeschichten, die unabhängig voneinander und in jeder beliebigen Reihenfolge gelesen werden können.

Man kann, zum Beispiel, mit dem neuesten „Crossed“-Band „Das kleinere Übel“ beginnen. Mike Wolfer (u. a. „Stitched“) erzählt in dem 19. „Crossed“-Sammelband (und gleichzeitig dem 12. „Badlands“-Band) als Autor und Zeichner die Geschichte einer kleinen Gruppe Überlebender, die sich auf einer Brückenruine, gut gesichert und fast uneinnehmbar, verschanzt haben.

Als zwei gutaussehende, vollbusige junge Frauen auftauchen, ändert sich das Gleichgewicht der Gruppe. Die beiden Traumfrauen haben nämlich eines der beliebten „Surviving D-Day: Wie man die Zombie-Apokalypse überlebt“-Bücher im Gepäck und sie beginnen sofort die Mitglieder der Gruppe gegeneinander auszuspielen. Dabei ist es schon etwas erstaunlich, wie leicht es ihnen vor allem bei den männlichen Mitgliedern der Gruppe gelingt.

Denn so ein Ratgeber ist in seiner Mischung aus ernstgemeinten Ratschlägen und komplettem Unfug nicht unbedingt die beste Handlungsempfehlung. Wolfer nimmt hier auch lustvoll die in „The Walking Dead“ erprobten Methoden des Überlebens und wie Konflikte innerhalb der Gruppe gelöst werden, auseinander.

Als, auf Ratschlag der beiden Schönheiten, ein kleiner Trupp der Brückenbewohner in die nahe gelegene Stadt aufbricht, um Medikamente, Waffen und Lebensmittel zu besorgen, und die Gefirmten (die dieses Mal sprachlich und auch in anderer Hinsicht erstaunlich eloquent sind) auf der anderen Seite der Brücke auftauchen, eskaliert die Situation.

Das kleinere Übel“ erzählt eine spannende Geschichte über eine eingeschlossene Gruppe, deren Gleichgewicht durch zwei Neuankömmlinge durcheinandergebracht wird. Dass die Neuankömmlinge gekonnt auf der Klaviatur sexuellen Begehrens spielen, schadet nicht. Denn auch dieser „Crossed“-Comic ist nicht für Kinder geeignet (wie üblich steht „Empfohlen ab 18 Jahre“ auf dem Cover) und er ist in dieser Form unverfilmbar. Auch nicht als brutales, nicht-jugendfreies, nicht mit nackter Haut geizendes B-Picture.

Mike Wolfer: Crossed 19 – Badlands 12: Das kleinere Übel

(übersetzt von Bluna Williams)

Panini, 2019

140 Seiten

19,99 Euro

Originalausgabe

Crossed: Badlands 81 – 86

Avatar Press, 2018

Hinweise

Die „Crossed“-Homepage

Wikipedia über „Crossed“

Meine Besprechung von Alan Moore/Gabriel Andrades „Crossed + Einhundert (Band 1)“ (Crossed plus one hundred # 1 – 6, 2015)

Meine Besprechung von Simon Spurrier/Fernando Heinz/Fafael Ortiz‘ „Crossed + Einhundert: Band 2“ (Crossed plus one hundert # 7 – 12, 2016)

Meine Besprechung von Simon Spurrier/Rafael Ortiz/Martin Tunica‘ „Crossed + Einhundert: Band 3“ (Crossed plus one hundert # 13 – 18, 2016)

Meine Besprechung von Kieron Gillen/Rafael Ortiz‘ „Crossed Band 18 – Bandlands 11: Homo Tortor (Crossed: Badlands 75 – 80, 2017)

Meine Besprechung von „Crossed – Monster Edition“ (enthält Garth Ennis/Jacen Burrows „Crossed“ und David Lapham/Javier Barreno „Crossed Band 2: Familienbande“)

Meine Besprechung von Garth Ennis und Mike Wolfers „Stitched: Die lebenden Toten“ (Band 1) (Stitched # 1 – 7, 2011/2012)


Die Stitched, „Sieben Schwerter“ und viele, viele Tote in Tokio

Januar 6, 2015

Wolfer-Furukawa - Stitched Band 3 - 2

Im dritten „Stitched“-Sammelband „Sieben Schwerter“ geht es nach Japan. Und was gibt es in Japan? Die Yakuza – und Kenji Nakamura kann im Kampf gegen eine andere Yakuza-Bande die Hilfe der Stitches gut gebrauchen. Wobei er natürlich keine Ahnung hat, wer oder was die Stitches genau sind und welche Geister er heraufbeschwört.
Wir wissen es.
Jedenfalls wenn wir die vorherigen „Stitched“-Sammelbände „Die lebenden Toten“ (geschrieben von Garth Ennis), über die tödliche Begegnung von Soldaten mit ihnen in Afghanistan, und „Das schwarze Fass“, über einen missglückten Kaufversuch eines Sammlers auf Sri Lanka, gelesen haben.
Die Stitches sind gnadenlos mordende, nur auf eine Geräusche von sich gebende Dose reagierende Untote. Es sind Menschen, deren Körperöffnungen ihnen bei lebendigem Leib zugenäht wurden, nachdem ihnen eine schwarze Flüssigkeit eingeflößt wurde. Sie entstand vor Jahrhunderten nach der Vereinigung eines Dämonen mit einer Frau. Die Stitches sollen das afghanische Volk vor den Aggressionen des Westens schützen. Aber sie können von ihrem Herrscher auch gegen andere Menschen eingesetzt werden. Zum Beispiel, wie in „Sieben Schwerter“ geschildert wird, gegen konkurrierende Yakuza-Banden. Allerdings weiß Nakamura, als er den Handel mit Rashid Salib abschließt, nicht, dass die schwarze Flüssigkeit wieder aufgefüllt werden muss.
Das ist, wie die vorherigen „Stitched“-Geschichten von den Autoren Garth Ennis und Mike Wolfer (der mit dem achten Heft die Autorenschaft übernahm) flott und spannend erzählt und kann auch ohne die Kenntnis der vorherigen beiden, in sich abgeschlossenen Geschichten, gut verstanden werden. Denn die wichtigen Hintergründe über die Herkunft der Stitches werden wieder erklärt und der Auftakt für eine größere Geschichte, die ich am Ende von „Das schwarze Fass“ vermutete, wird in „Sieben Schwerter“ nicht fortgeführt. Es ist Horror meets Yakuza und das Blut spritzt.
Zwei Wermutstropfen gibt es allerdings: Nach dieser Geschichte hörte Mike Wolfer auf. Nach neunzehn Heften, die in drei Sammelbänden gesammelt sind, wurde die Serie beendet.

Mike Wolfer/Fernando Furukawa: Stitched: Sieben Schwerter (Band 3)
(übersetzt von Gerlinde Althoff)
Panini, 2014
148 Seiten
16,99 Euro

Originalausgabe
Stitched # 14 – 19
Avatar Press, 2013/2014

Hinweise

Homepage zu „Stitched“

Homepage von Mike Wolfer

Meine Besprechung von Garth Ennis und Mike Wolfers „Stitched: Die lebenden Toten“ (Band 1) (Stitched # 1 – 7, 2011/2012)

Meine Besprechung von Mike Wolfer/Fernando Furukawas „Stitched: Das schwarze Fass (Band 2)“ (Stitched # 8 – 13, 2013)

The Newest Rant: Interview mit Mike Wolfer (24. Mai 2014)


„Stitched“ geht mit „Das schwarze Fass“ in die zweite Runde

Dezember 30, 2013

Wolfer-Furukawa - Stitched Band 2

Der erste „Stitched“-Sammelband „Die lebenden Toten“, geschrieben und gezeichnet von Mike Wolfer nach einer Geschichte von Garth Ennis, der die Geschichte ursprünglich verfilmen wollte, war eine in sich abgeschlossene Geschichte über einige Soldaten, die in den afghanischen Bergen gegen die „Stitched“, eine Spezies Untoter, und Sklavenhändler kämpften.

Am Ende, nach einer blutigen Schlacht, waren die Stitched tot. Aber wie wir inzwischen aus zahllosen Büchern, Comics und Filmen wissen, ist auch der Tod nicht mehr endgültig. Jedenfalls wenn die Kasse stimmt und so wurde aus der abgeschlossenen „Stitched“-Geschichte „Die lebenden Toten“ der Auftakt für eine Serie. Mit „Das schwarze Fass“ liegen jetzt die ersten sechs Hefte der Serie, geschrieben von Mike Wolfer und gezeichnet von Fernando Furukawa, vor. Sie sind eine Mischung aus weiteren Geschichten aus dem „Stitched“-Universum und der Auftakt für eine größere Geschichte, die sich nur rudimentär, eigentlich nur als Cliffhanger am Ende des Buches, abzeichnet.

Denn natürlich wurden am Ende von „Stitched: Die lebenden Toten“ nicht alles Untoten getötet. Rashid Salib konnte mit sechs Stitched und dem titelgebendem Fass entkommen. In den ersten beiden Heften versucht eine Spezialeinheit auf einem Frachtschiff Rashid Salib zu überwältigen. Die Aktion geht schief und in den restlichen Heften lesen wir, wie Rashid Salib auf Sri Lanka in einem abgelegenem Landstrich versucht, dem reichen Sammler Philip Strathmore seine Beute zu verkaufen. Das Verkaufsgespräch gerät etwas außer Kontrolle…

Das schwarze Fass“ ist spannende, actionreiche Horrorunterhaltung, die durchaus Spaß macht und auch gut ohne Kenntnis der ersten „Stitched“-Geschichte funktioniert.

Mike Wolfer/Fernando Furukawa: Stitched: Das schwarze Fass (Band 2)

(übersetzt von Gerlinde Althoff)

Panini Comics, 2013

148 Seiten

16,95 Euro

Originalausgabe

Stitched # 8 – 13

Avatar Press, 2013

Hinweise

Homepage zu „Stitched“

Homepage von Mike Wolfer

Meine Besprechung von Garth Ennis und Mike Wolfers „Stitched: Die lebenden Toten“ (Band 1) (Stitched # 1 – 7, 2011/2012)


Neues aus der Werkstatt von Garth Ennis: Horror mit „Stitched“ und Komödie mit „Dicks“

Oktober 2, 2013

Ennis - Stitched 1Ennis - Dicks 1

Die kürzlich erschienenen Comic-Sammelbände „Dicks“ und „Stitched“ von dem produktiven „Hellblazer“-, „Preacher“- und „Punisher“-Autor Garth Ennis, der in den letzten Jahren auch die Serien „Jennifer Blood“ und „Crossed“ startete, könnten kaum unterschiedlicher sein. „Dicks“ ist ein brachiale Krimikomödie, die 1991 in und um Belfast spielt. Entsprechend respektlos geht er auch mit dem damals noch blutig ausgetragenem Nordirlandkonflikt um.

Stitched“ spielt im heutigen Afghanistan. Im Hochland stürzt ein Hubschrauber ab. Drei US-Soldaten überleben. Kurz nach dem Absturz treffen sie auf die letzten Überlebenden eines britischen Sonderkommandos, das sie retten sollen. Gemeinsam versuchen sie sich durchzuschlagen, bis Hilfe kommt oder sie ein rettendes Armeelager erreichen. Dabei sind die Taliban eine vernachlässigbare Gefahr. Denn fast unbesiegbare, zusammengeflickte, sich lautlos nähernden Kreaturen, die sie „Stitches“ nennen, greifen sie an. Es sind – in einem gewissen Rahmen – Untote.

Ursprünglich wollte Garth Ennis aus der Idee einen Film machen. Er produzierte auch einen Kurzfilm (der Trailer sieht sehr amateurhaft aus). Aus dem Film wurde nichts und bei dem Comic, nüchtern gezeichnet von Mike Wolfer, wissen wir schnell, warum. Denn diese Geschichte hätte, adäquat verfilmt, auch als nicht jugendfreier Film gewaltige Probleme mit der Zensur. Die Geschichte selbst ist ein spannender Mix aus Abenteuer- und Horrorgeschichte, in der eine Gruppe Soldaten im Feindesland gegen einen gefährlichen Feind kämpfen muss.

Weniger spannend, aber deutlich witziger ist „Dicks“ über die beiden Möchtegern-Privatdetektive Dougie und Ivor, die 1991 in Belfast beschließen, eine Detektei zu eröffnen, weil sie für keinen anderen Job die nötigen Voraussetzungen haben und sie die Arbeit nur als ein Sprungbrett für pubertäre Sex- und Sauf-Abenteuer sehen. Sie wollen überhaupt nicht ernsthaft als Detektive arbeiten und sie tun es auch nicht. Denn bei einem ihrer Abenteuer wird Eve, die Schlange von Onkel Shuggie überfahren. Als Onkel Shuggie das erfährt, hat der Schnapsbrenner einen Herzanfall und der Abnehmer für eine Ladung Poteen, ein affektierter und skrupelloser Typ aus Ballymena, will den bestellten, aber noch nicht gebrannten Schnaps haben. Dougie und Ivor müssen ihn brennen, haben dummerweise das Rezept von Onkel Shuggies einzigartiger Mischung verschlampt und noch tausend andere Probleme mit der schwangeren Freundin, einem missgünstigem Schwiegervater, Schlägern, Gangstern und Soldaten.

Das ist herrlich respektlose Unterhaltung, die mich an Colin Batemans Dan-Starkey-Romane erinnert. Einige kennen vielleicht „Starkey“ (Divorcing Jack, 1998), die schwarzhumorige, leicht chaotische Verfilmung von seinem ersten Starkey-Roman „Eine Nonne war sie nicht“ (Divorcing Jack, 1994).

Denn auch „Dicks“ nimmt keine Rücksicht auf den guten Geschmack, Tabus und politische und religiöse Befindlichkeiten. Erfunden wurde die Serie über zwei Idioten aus Belfast von Garth Ennis und John McCrea bereits in den späten Achtzigern. Seitdem erzählten sie, mit mehr oder weniger großen Unterbrechungen, weitere Abenteuer der beiden Jungs. Immer garniert mit einer ordentlichen Portion vulgärem „FickDieHenne“-Pennälerhumor, geschrieben in einem Slang, der in der Übersetzung, eher wenig geglückt, oft zu einem Kunst-Bayerisch mutiert. Denn Belfaster Jungs sind doch eine andere Spielklasse.

Für Mitte Dezember sind die Folgebänder von „Dicks“ und „Stitched“ angekündigt.

Garth Ennis/Mike Wolfer: Stitched: Die lebenden Toten – Band 1

(übersetzt von Gerlinde Althoff)

Panini, 2013

180 Seiten

19,95 Euro

(Empfohlen ab 16 Jahre)

Originalausgabe

Stitched # 1 – 7

Avatar Press, 2011/2012

Garth Ennis/John McCrea: Dicks – Band 1

(übersetzt von Bluna Williams)

Panini, 2013

180 Seiten

16,95 Euro

(Empfohlen ab 18 Jahre)

Übersetzte Ausgabe

Dicks # 1 – 4

Avatar Press, 2013

Hinweise

Homepage zu „Stitched“

Wikipedia über Garth Ennis (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Garth Ennis/Will Simpson/Steve Dillons “Hellblazer – Gefährliche Laster” (Dangerous Habits, 1991)

Meine Besprechung von Garth Ennis (Autor)/Leandro Fernandez (Zeichner) „The Punisher – Garth Ennis Collection 7“ (Up is Down and Black is White, The Slavers, 2005/2006)

Meine Besprechung von Garth Ennis/Goran Parlov/Leandro Fernandezs “The Punisher – Garth-Ennis-Collection 8″ (Barracuda, Part 1 – 6 (Punisher [MAX] 31 – 36), Man of Stone, Part 1 – 6 (Punisher [MAX] 37 – 42), 2006/2007)

Meine Besprechung von Garth Ennis‘ „The Punisher – Garth-Ennis-Collection 9“ (Widowmaker, Part 1 – 7 [Punisher (MAX) Vol. 43 – 49], Long Cold Dark, Part 1 – 5 [Punisher (MAX) Vol 50 – 54], 2007/2008)

Meine Besprechung von Garth Ennis‘ „The Punisher – Garth-Ennis-Collection 10“ (Valley Forge, Valley Forge, Part 1 – 6 [Punisher (MAX) Vol. 55 – 60], 2008)

Meine Besprechung von Garth Ennis (Autor)/Adriano Batista/Marcos Marz/Kewber Baal (Zeichner) „Jennifer Blood – Selbst ist die Frau (Band 1)“ (Garth Ennis’ Jennifer Blood: A Woman’s Work is Never Done, 2012)