Wenige Tage vor ihrem Geburtstag am 9. Januar läuft Karen O’Connor, Miri Navasky und Maeve O’Boyles sehr intime Doku „Joan Baez: I am a Noise“ über das Geburtstagskind an. Die 1941 in Staten Island, New York, geborene Joan Baez wurde mit ihrem Auftritt auf dem Newport Folk Festival 1959 als Folksängerin schlagartig bekannt. Schallplattenaufnahmen, Auftritte und Ruhm folgten. Von Anfang engagierte sich die Folk- und Protestsängerin auch politisch. Sie war aktiver Teil der Gegenkultur. Sie hatte eine jahrelange Liebesbeziehung zu Bob Dylan, die später zu einer Hassliebe wurde. In den siebziger Jahren wurden ihre Schallplatten schlechter und seltener. Folk war nicht mehr die Musik, die Jugendliche hörten. Sie hörten Punk, Rap, Heavy Metal und Grunge. In den vergangenen Jahrzehnten, so ungefähr ab den neunziger Jahren, wurde sie zur Elder Statesperson der Folkmusik.
2019 verkündete sie ihren Abschied von der Live-Bühne. Diese Abschiedstour und der damit verbundene Rückblick auf Leben und Karriere ist auch der Rahmen für den Dokumentarfilm „Joan Baez: I am a Noise“. Ein zweiter Erzählstrang ist daher Baez‘ Biographie. Hier konnten die Regisseurinnen auf Baez‘ großes Archiv zugreifen. In einem dritten Erzählstrang geht es um die inneren Dämonen, Gefühle und psychischen Probleme von Joan Baez. Sie spricht offen darüber. Für den Film wurden vor allem Menschen aus Baez‘ engstem Umfeld interviewt. Auf Statements von Prominenten, die über den Einfluss von Baez auf die Kunst, ihr Leben und ihre Musik reden, wurde verzichtet.
Entstanden ist eine Doku, die sich stark – für mein Empfinden zu stark – auf das Privatleben von Joan Baez konzentriert. Sie richtet sich primär an ihre Fans, die Joan Baez auf der Kinoleinwand sehen wollen, und an die Menschen, die nichts über Joan Baez wissen und einen schnellen Überblick über ihr Leben haben wollen. Das gelingt dem Film ausgezeichnet.
Wie andere neuere Dokumentarfilme über bekannte Persönlichkeiten, bei denen die Filmemacher einen exclusiven Zugriff auf das Archiv der Persönlichkeit hatten und über mehrere Jahre Interviews mit der porträtierten Persönlichkeit, seiner Familie und seinen engsten Freunden machen konnten, ist auch „Joan Baez: I am a Noise“ keine auch nur irgendwie kritisch geartete Dokumentation. Es ist eine Heldenverehrung, die nur so weit und nur an den Punkten in die Tiefe geht, in der die porträtierte Person das möchte.
Joan Baez: I am a Noise (Joan Baez: I am a Noise, USA 2023)